Gleich zwei Mal geraten in dieser Woche gigantische Verkehrsprojekte der sächsischen Staatsregierung in die Kritik. Kritiker ist in beiden Fällen die Grünen-Fraktion. Aber aus gutem Grund. Denn selbst die Bundesfördermittel für solche Verkehrsprojekte besagen in aller Klarheit: Keins davon hat vor 2030 auch nur den Hauch einer Chance, umgesetzt zu werden. Auch nicht das Wunschprojekt nach Prag.

Dieses war gerade Inhalt der Großen Anfrage „Neubaustrecke Dresden – Prag“, die die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt hat. Sie steht am Donnerstagnachmittag, 27. September, auf der Tagesordnung des Sächsischen Landtags.

„Die Antworten auf unsere Große Anfrage machen deutlich: Die Staatsregierung setzt beim Bahnausbau mit der Neubaustrecke Dresden-Prag auf ein teures Prestigeprojekt. Die geplante Variante orientiert sich vor allem an den Bedürfnissen des schnellen Schienenpersonenverkehrs. Schwere Güterzüge werden aufgrund zu großer Steigungen nicht über die Strecke fahren können“, kritisiert Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion.

„Hier soll mit viel Geld eine Hochgeschwindigkeitsstrecke geschaffen werden, die weder den Pendlerinnen und Pendlern noch der lärmgeplagten Bevölkerung des Elbtals viel bringt.“

Zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die neue Strecke gibt sich Sachsens Regierung sowieso sehr zurückhaltend. Denn Bauherr wäre eh die Deutsche Bahn, die dann letztlich auch für die Streckennutzung verantwortlich wäre, also auch mit der Zulassung von Güterverkehr.

Bislang ist nur eine Teilverlagerung des Güterverkehrs, der derzeit noch durchs Elbtal rollt, vorgesehen, obwohl die Staatsregierung eigentlich die Offensive unterstützt, mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Also müsste so eine moderne Abkürzungsstrecke doch vor allem für eine stärkere Belastung durch Güterverkehr entwickelt werden, stellt Katja Meier fest.

„Wir Grüne fordern in einem Entschließungsantrag die Staatsregierung auf, die Planungen im Sinne einer effektiven Verlagerung des Güterverkehrs aus dem Elbtal auf die Neubaustrecke zu überarbeiten“, erklärt die Abgeordnete. „Nach jetzigem Planungsstand wäre die Strecke bei ihrer Inbetriebnahme bereits technisch veraltet. Insbesondere sind zu niedrig bemessene Achslasten und zu große Steigungen der Strecke, sowie die Anschlüsse an das vorhandene Schienennetz nicht geeignet, den Güterverkehr der Zukunft mit bis zu einem Kilometer langen Zügen zu bewältigen.“

Eine erste Kostenabschätzung aus dem Jahr 2009 ging von 1,1 Milliarden Euro für den deutschen Teil der Strecke aus, in der immerhin ein Tunnelbau durch ein ziemlich durchwachsenes Stück Gebirge enthalten ist. Eine Schätzung aus dem Jahr 2015 kam dann schon auf 1,3 Milliarden Euro für das 22 Kilometer lange Stück, bei dem der Steigungswinkel – so Katja Meier – für Güterzüge noch viel zu groß ist.

Aber für Ärger sorgt ja in Dresden gerade auch die Diskussion um einen Ausbau der A4.

Das sächsische Wirtschaftsministerium hat nunmehr den sechs- bzw. achtspurigen Ausbau der Bundesautobahn A4 zwischen dem Dreieck Dresden Nord und dem Dreieck Nossen, vom Autobahndreieck Dresden-West (A17) bis zum Autobahndreieck Dresden-Nord (A13) und vom Autobahndreieck Dresden-Nord (A13) bis zur Anschlussstelle Pulsnitz (S95) mit einem Gesamtvolumen von 866,3 Millionen Euro für den Bundesverkehrswegeplan beantragt. Dort steht auch die Eisenbahnstrecke nach Prag.

„Mit den kalkulierten Kosten für die drei beantragten Ausbaumaßnahmen, die sich laut Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf 866,3 Millionen Euro belaufen, erhöht sich der Umfang der sächsischen Anmeldungen für Straßenprojekte für den Bundesverkehrswegeplan 2015 von 1,8 Milliarden Euro auf etwa 2,7 Milliarden Euro. Maßhalten scheint für Minister Dulig in Sachsens Verkehrspolitik leider ein Fremdwort zu sein“, kritisiert Katja Meier auch diese Anmeldung.

„Dass die angemeldeten sowie die nachgemeldeten Projekte einer Prüfung durch die Bundesregierung standhalten und in naher Zukunft auch verwirklicht werden, ist kaum realistisch. Hier werden den Bürgerinnen und Bürgern Straßenausbauten vorgegaukelt, die in absehbarer Zeit gar nicht umsetzbar sind. Schließlich stehen dem Freistaat aktuell jährlich nicht einmal 50 Millionen Euro vom Bund für Straßenneubauten innerhalb des Bundesverkehrswegeplans zur Verfügung“, stellt die Abgeordnete fest.

„Um die Verkehrssicherheit auf der Autobahn A4 zu erhöhen, muss die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 100 dauerhaft in den Spitzenzeiten angeordnet werden. Ein Tempolimit sorgt für weniger Staus. Es hilft, die hohen Geschwindigkeitsunterschiede zumindest auf den Abschnitten der A 4 zu vermeiden, die eine wichtige Ursache bei der Stauentstehung sind.“

Es war das erhöhte Unfallaufkommen auf der A 4, das das Verkehrsministerium erst dazu bewegt hat, einen Ausbau des Autobahnabschnitts ins Auge zu fassen. Aber Unfälle in der Menge entstehen nicht durch zu viel Verkehr, sondern durch Raser.

„Zudem müssen die aktuell eingesetzten Verkehrskontrollen verstetigt werden. Wirtschaftsminister Dulig muss im Kabinett dafür sorgen, dass der Abbau der Verkehrspolizei in Sachsen endlich gestoppt wird. Auch die Verkehrspolizeiinspektionen müssen von den zusätzlichen 1.000 Polizistinnen und Polizisten profitieren, um ihre Aufgaben erfüllen zu können“, fordert Meier.

Und auch hier könnte die eigentliche Alternative in einer massiven Verlagerung des Güterverkehrs vom Lkw auf die Schiene liegen. Das verkündet Sachsens Regierung zwar immer, aber wirklich ernsthafte Maßnahmen dazu nimmt sie nicht in Angriff.

„Mit Inbetriebnahme der niederschlesischen Bahn-Magistrale ließe sich auch eine ‚rollende Autobahn‘ einrichten, die zum einen die A4 entlasten könnte, zum anderen aber auch den LKW-Fahrern die Möglichkeit gäbe, ihre gesetzlichen Ruhezeiten einzuhalten und dabei mit ihrem Fahrzeug hunderte Kilometer weiterzukommen“, schlägt Katja Meier vor.

„Je größer die überbrückte Distanz ist, desto größer sind auch die Erfolgsaussichten eines solchen Angebots. Ich begrüße, dass auch der Wirtschaftsminister erste Anstrengungen unternommen hat, eine ‚Rollende Autobahn‘ in Sachsen zu initiieren. Allein mit der Deutschen Bahn und Logistikunternehmen wird dies aber nicht zu erreichen sein. Es müssen dringend auch weitere wichtige Akteure wie die IHK, Gewerkschaften sowie Umwelt- und Verkehrsverbände beteiligt werden.“

Denn eines wird sich für Deutschland nicht ändern: Da es mitten in der EU liegt, ist es das am häufigsten genutzte Transitland. Wenn aber der europäische Güterverkehr immer mehr auf Autobahnen rollt, ersticken die logischerweise im Stau, während der Ausbau eines transeuropäischen Güternetzes auf Schienen in den Köpfen der Politiker kaum eine Rolle spielt.

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