Sachsen rennt die Zeit davon. Und trotzdem bremst und zögert die CDU in der Regierung noch immer – gerade beim Thema Energiewende. Mit fatalen Folgen, wie der Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) Sachsen jetzt entsetzt feststellt. Nicht nur verliert Sachsen immer mehr Windenergieanlagen. Ein Anlagenbauer verlässt die Lausitz, weil die Region keinen Nachschub bestellt. Sachsen droht den Anschluss zu verlieren.

Sachsen ist das einzige Bundesland, in dem im ersten Halbjahr 2021 noch keine einzige neue Windenergieanlage errichtet wurde, gleichzeitig wurden zwölf Anlagen abgebaut. Dabei sieht der Koalitionsvertrag des Landes vor, dass bis 2024 über 200 neue Windenergieanlagen in Sachsen in Betrieb gehen müssen.„Sachsen gefährdet mit dem Abbau der Erneuerbaren Energien nicht nur die verbindlichen Klimaziele, sondern auch die Zukunft des Landes als Industriestandort“, sagt Martin Maslaton, Vorstand des Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) Sachsen und Fachanwalt für Erneuerbare Energien. Im ersten Halbjahr 2021 wurde in Sachsen keine neue Windenergieanlage gebaut, gleichzeitig wurden zwölf alte Anlagen mit einer Leistung von insgesamt sechs Megawatt demontiert.

Dieser Negativ-Ausbau hat auch mit dazu beigetragen, dass Vestas das in Brandenburg liegende Werk in der Lausitz schließen will und rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kündigt. Darüber berichtete zum Beispiel der RBB.

„Die Hersteller von Windenergieanlagen bauen ihre Werke dort aus, wo die Anlagen zum Einsatz kommen. Sachsen trägt mit seiner faktischen Null-Windkraft Politik aktiv dazu bei, dass solche Standorte in Deutschland dicht machen“, erklärt Maslaton.

Sachsens Industrie braucht dringend grünen Strom

Der Schaden für Wirtschaft und Arbeitsplätze gehe aber noch weit darüber hinaus.

„Die Regierung in Sachsen muss endlich verstehen, was das neue Paradigma der ‚Klimaneutralität‘ bedeutet“, fährt Maslaton fort. Alle großen Unternehmen aus den in Sachsen wichtigen Branchen Automobilbau, Metallbau und chemische Industrie hätten ehrgeizige Klimaziele veröffentlicht.

„Die CO2-Bilanz von Firmen wie VW, BMW, Siemens oder Infineon hängt vor allem an der Klimabilanz ihres Energieverbrauchs. Um klimaneutral zu werden, müssen sämtliche Produktionsprozesse in den kommenden Jahren auf klimaneutral erzeugten Strom umgestellt werden. Wenn Sachsen keinen grünen Strom bereitstellen kann, verliert es zunehmend an Attraktivität.“

Der BWE Sachsen warnt seit Jahren vor der dramatischen Entwicklung. Die Landesregierung schaffe es nicht, den Strukturwandel in den Kohlerevieren für den Aufbau einer „grünen“ Zukunftsindustrie zu nutzen. Der BWE Sachsen fordert von der Landesregierung, dass sie die Blockade beim Ausbau der Windenergie aufgibt und die Ausweisung von Flächen ermöglicht. Doch selbst in der energiehungrigen Region Westsachsen sind nur winzige Flächen überhaupt noch für Windenergie ausweisbar.

Dabei hat sich die sächsische Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag zum konsequenten Ausbau Erneuerbarer Energien verpflichtet. Will das Land die im Koalitionsvertrag festgelegten Ausbauziele für Erneuerbare Energien erfüllen, dann müssten in Sachsen bis 2024 über 200 neue Windenergieanlagen ihren Betrieb aufnehmen.

Aber wie schwer es fällt, die CDU von ihrem Zögern und Zaudern abzubringen, berichtete am Mittwoch, 6. Oktober, Henning Homann, Generalsekretär der SPD Sachsen: „Wir verfolgen als Koalition gemeinsame Ziele für Sachsen und haben den gemeinsamen Willen, diese umzusetzen. Das hat auch der Koalitionsausschuss gezeigt. Wir müssen aber jetzt ins Machen kommen. Dazu braucht es neuen Schwung in der Koalition. Leider hat der Koalitionsausschuss gestern noch keine nennenswerten Fortschritte erzielt.“

Und nicht nur bei der dringend notwendigen Änderung der Verfassung in puncto Schuldenbremse bremst der große Koalitionspartner CDU. Auch bei den dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen tut er sich schwer. Homann: „Wir stehen in Sachsen vor großen Herausforderungen. Es ist die gemeinsame Aufgabe der Koalitionspartner, diese anzupacken und zu bewältigen. Zögern können wir uns nicht mehr leisten. Wir müssen bei der Verfassungsmodernisierung, schnellem Internet und Zukunftsinvestitionen in ein modernes Sachsen und sichere Arbeitsplätze endlich vorankommen.“

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