Leicht geht anders, aber dann könnte es ja jeder. So kann man leider auch im dritten Jahr der Corona-Pandemie alles überschreiben, was an größeren Veranstaltungen und Vorhaben im Frühjahr 2022 geplant, vorbereitet und dann – so sich der Wind dreht – womöglich abgesagt oder irgendwie doch noch durchgeführt wird. Manches wandert auch komplett ins Netz ab, findet seine digitale Umsetzung. Irgendwo zwischen all diesen Variationen befindet sich logischerweise dank Omikron, einer „Patronatserklärung“ der Landesregierung Sachsen und einer verunsicherten Verlagsbranche auch die vom 17. bis 20. März 2022 stattfindende Leipziger Buchmesse. Seit heute noch verschärft durch einen Paywall-Artikel „Leipzig erneut vor dem Aus“ mit „Beobachtungen und Mutmaßungen“ zu sich „häufenden Absagen“ von Torsten Casimir, Chefredakteur des Frankfurter „Börsenblattes“.

Denn, so weit die Überschrift des chefredaktionellen Raunens im Blätterwald, man habe mit Verlagen gesprochen. Mit wie vielen oder gar, ob mit allen, verrät der Paywall-Text der Frankfurter (a. Main) Publikation dann nicht, obwohl er maßgeblich darauf abstellt, dass immer mehr Verlage wohl absagen würden. Der Grund: man scheue die Kosten in Personal, Standmiete und Reise, in Summe der Glaube ans ökonomische Gelingen für den eigenen Verlag und den Publikumserfolg der Leipziger Präsenzmesse ab 17. März sei nicht da.Der Einschub muss an dieser Stelle erlaubt sein: irritierenderweise berichtet derselbe Torsten Casimir noch von der Frankfurter Buchmesse am 20. Oktober 2021 über die Besuchermengen „morgens am Eingang: Dort stehen in acht Reihen nebeneinander die Leute Schlange und wollen durch die Kontrolle“ mit Beweisfoto.

Ein dortiger Begleiter Casimirs äußerte eher den Eindruck, dass sich die „menschlichen Bedürfnisse nach Begegnung und Austausch“ nicht geändert, nein gar durch die Pandemie verstärkt hätten. Für gewöhnlich kommen 70.000 Menschen auf das Frankfurter Messegelände. Ein Attest, welches der Frankfurter Torsten Casimir offenbar vor dem Start der Frühjahrsmesse in Leipzig der hiesigen Messe weniger einräumt, während er den Bericht vom Herbst 2021 durchzieht.

Später im Text bescheinigt der Autor dann noch dem Klett-Cotta-Verlag „volle Hütte“ und mehr Besucher als im Vor-Pandemiejahr 2019, während hochrangige Verlagsgrößen von steigenden Buchumsätzen in der Krise sowie das Überstandensein derselben sprechen.

Alles anders in Leipzig?

All dies scheint für Leipzig und seine noch 2019 rund 280.000 Besucher/-innen, die zur Messe und dem Lesefest „Leipzig liest“ kamen, auf einmal bereits vorab keine Gültigkeit mehr zu haben, glaubt man dem „Börsenblatt“.

Die entscheidenden Passagen, die so tatsächlich eine Welle der in der Überschrift angekündigten Absagen lostreten könnten, lautet bezüglich Leipzig: „Das große Abwinken erfasst alle Unternehmensgrößen. Wie aus mehreren Quellen seit Tagen zu hören war, haben die beiden Verlagsgruppen Penguin Random House (mittlerweile bestätigt) und Bonnier Media Deutschland den Messeverantwortlichen ihr diesjähriges Fernbleiben bereits mitgeteilt.“

Bis hier sind also auch die Verlage Piper, Ullstein und Münchner Verlagsgruppe gemeint, welche sich unter dem Dach Bonnier Media befinden.

Während sich die Holtzbrinck-Buchverlage angeblich heute entscheiden wollen, ob sie an der Leipziger Buchmesse teilnehmen oder nicht, seien laut „Börsenblatt“ auch Bastei Lübbe auf dem „Rückzug“ und im Kreis der Kurt-Wolff-Stiftung herrsche „Verunsicherung“.

Verlage wie „dtv, Aufbau, Suhrkamp, Klett-Cotta und einer Reihe überwiegend kleinerer unabhängiger Literaturverlage“ seien jedoch als Konterpunkt gegenüber der martialischen Überschrift des Börsenblattes „Leipzig erneut vor dem Aus“ laut Casimir fest entschlossen, die Leipziger Buchmesse nach zweijähriger Abstinenz von Messehallen und Besucherkontakt wahrzunehmen.

Bei einem kurzen Telefonat mit der LZ bestätigt Buchmesse-Sprecherin Julia Lücke „erste Absagen“ und „weitere Gespräche, die derzeit geführt werden“. Im schriftlichen Original: „Es gibt erste Absagen, das ist richtig. Wir sind mit allen Ausstellern in Gesprächen bezüglich der Teilnahme an der Leipziger Buchmesse und bewerten gemeinsam die Lage“. Zahlen zum Kartenvorverkauf möchte Lücke nicht nennen, hier biete sich kein Vergleich mit 2019 an, da man noch im Vorverkauf sei.

Dennoch machen „die Vorverkaufszahlen optimistisch, dass wir eine erfolgreiche Buchmesse erleben werden“.

Mehr kann und sollte die Buchmesse aktuell und angesichts der Absage-Gerüchte wohl nicht sagen. Im Rücken wissen die Buchmesse-Macher/-innen eine fast schon als „Patronatserklärung“ zu wertende Aussage der sächsischen Landesregierung, die als Gesellschafter der Messe ein Stattfinden der diesjährigen Buchmesse in Leipzig mit Hygienekonzept und ohne Besucherzahlbegrenzung garantiert.

Denn längst geht es um die Frage „Quo vadis Buchmesse und Leipzig liest“?

Für Torsten Casimir scheint die Lage klar. Nach einer durchaus erfolgreichen Frankfurter Pandemie-Buchmesse 2021 gibt er nun, ein halbes Jahr später, die Prognose für Leipzig ab. „Spätestens Mitte der Woche werden die Verantwortlichen schweren Herzens einräumen: Hat wieder nicht sollen sein.“

Sein Grund: die Absage einiger, aus seiner Sicht überlebensnotwendiger Großverlage, die hier beginnen, dem Standort Leipzig den Stecker zu ziehen. Der Buchmesse und dem Standort Leipzig selbst könnten sie damit den Ruf der internationalen Messe nehmen und gleichzeitig tatsächlich eine viel weitreichendere Frage nach dem eventuellen Niedergang von Besuchermessen generell oder eine organische Verkleinerung derselben in den Raum stellen.

Andererseits ist auch klar: Nie war pandemiebedingt die Gelegenheit günstiger, den Leipziger Konkurrenten der Frankfurter Buch- und Medienschau ins Aus zu schreiben. Am Mittwoch jedenfalls ist der erste neuzeitliche „Nostradamus-Tag“ im Leipziger Messegewerbe.

Zur Leipziger Buchmesse 2022 im Netz

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar