Fahrradzukunft ist nicht so einfach zu haben. Das bestätigt jetzt einmal mehr der Fahrradklima-Test 2014 des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Großstädte sind auf dem Weg zur Fahrradfreundlichkeit weiter als Mittel- und Kleinstädte. Leipzig landet auf Platz 9 unter 39 Städten ab 200.000 Einwohner. Und das Hauptärgernis sind nicht mal die Autos, sondern die Fahrraddiebe.

Und da auch nicht nur in Leipzig. Augenscheinlich sind in Sachsen ganze Banden unterwegs, die alles mitnehmen, was an begehrten Rädern mal unbeaufsichtigt im Straßenraum steht. Aber jenseits davon spielt es natürlich eine Rolle, wie viel Unterstützung die Kommunen bei der Herstellung eines barrierefreien Radwegenetzes bekommen. Und da war es nicht allzu üppig bestellt in der sächsischen Förderpolitik in den letzten Jahren. Aber nicht nur dort.

“Dass in Sachsen nicht schlagartig überall holländische Verhältnisse herrschen können, sehen die Meisten ja ein. Es ist aber schon ärgerlich, wenn viele Kommunen nicht einmal solche preiswerten Möglichkeiten wie die Öffnung von Einbahnstraßen in Angriff nehmen. Die meisten Ideen scheitern nicht am Geld, sondern am Widerwillen manches Bürgermeisters, wenig Radverkehrs-Know-How der Bauabteilungen und natürlich auch an Personalmangel”, sagt Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen.

Im bundesweiten Vergleich lasse sich, so der ADFC, erkennen, dass die Städte, die in den vergangenen Jahren mit Nachdruck den Radverkehr gefördert haben, auch bessere Bewertungen im Fahrradklima-Test erhalten haben. Lokales Engagement von Bürgermeistern, Kommunalpolitikern und ADFC-Gliederungen komme an. Dreh- und Angelpunkt für die Radverkehrsförderung seien vor Ort die Rathäuser und Stadtverwaltungen.

“Der Bund steht beispielsweise mit zig Millionen für den Radwegebau an Bundesstraßen bereit. Wenn es mit dem Radverkehr voran gehen soll, ist hier in den nächsten Jahren mehr Engagement auf lokaler Ebene erforderlich als bisher”, so Krause.

Außerdem hält der ADFC eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure auf Landesebene nötig.

“Im Moment kocht in Sachsen jeder sein eigenes Süppchen, andauernd wird das Rad neu erfunden. Und nach einer Weile entdeckt jeder Landkreis für sich neu, dass ein viereckiges Rad wahrscheinlich nicht ganz so gut rollt wie ein rundes. Da geht unnötig viel Energie und auch Steuergeld verloren”, findet Krause. Mehr Austausch zwischen den Akteuren führe dazu, dass alle effizienter arbeiten. In anderen Bundesländern gebe es zu diesem Zweck landesweite Radverkehrs-Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Landkreisen. “Ich würde mir sehr wünschen, wenn hier sowohl die Kommunen als auch das Land den Bedarf erkennen und entsprechend handeln würden”, so der ADFC-Sprecher.

Das Ergebnis im ADFC-Fahrradklima-Test für 2014 ist eher Stagnation. Die Befragung umfasste 27 Fragen von Fahrraddiebstahl über das Sicherheitsgefühl bis zur Oberflächenqualität der Radwege. 468 Städte haben es bundesweit in die Wertung geschafft.

In Sachsen haben es 23 Städte in die Wertung geschafft. Im Freistaat liegt Löbau mit einer Durchschnittsnote von 3,05 an erster Stelle. Leipzg war mit 3,6 zumindest die beste der drei Großstädte.

In fünf der 27 Kategorien sind Städte in Sachsen Schlusslicht, stellt der ADFC fest. Dabei handelt es sich um den Fahrraddiebstahl (Görlitz), das Fahren im Mischverkehr mit Kfz (Ebersbach), die Radwegweisung (Limbach-Oberfrohna), die Freigabe von Einbahnstraßen in Gegenrichtung sowie die Förderung des Radverkehrs in jüngster Zeit (beides Zschopau).

Im Vergleich zum Fahrradklima-Test vor zwei Jahren hat sich in der Gesamtbewertung wenig getan. Unter den drei großen Städten hat wieder Leipzig das Rennen gemacht (3,61). Auch Chemnitz (3,75), Freiberg (4,14) und Zwickau (4,39) konnten sich leicht verbessern. In der Landeshauptstadt hat sich nach Ansicht der Radfahrer im Vergleich zu 2012 nicht viel getan. Lediglich das größere Angebot an Leihfahrrädern wird deutlich besser bewertet als 2012 (+0,8).

Auffällig ist die große Zahl mittelgroßer Städte am unteren Ende der Bewertungsskala. Mit Zschopau, Freital, Ebersbach, Limbach-Oberfrohna und Olbernhau befinden sich fünf sächsische Kommunen auf den zehn letzten Plätzen der 292 Kommunen in der Kategorie unter 50.000 Einwohner.

In Sachsen ärgern sich Radfahrer zum Beispiel darüber, dass viele Einbahnstraßen für den Radverkehr nicht in beide Richtungen geöffnet werden. Bundesweit ist das eine der populärsten und einfachsten Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs. Doch in Sachsen wird davon kaum Gebrauch gemacht. Sehr viele Einbahnstraßen sind auch für Radfahrer in Gegenrichtung tabu. Lediglich Leipzig, Löbau und Görlitz werden für ihre geöffneten Einbahnstraßen gut bewertet. Auch Freiberg zeigt, dass mehr geht. Die Silberstadt hat im Vergleich zu 2012 bei der Öffnung von Einbahnstraßen deutlich aufgeholt. Auf der Gesamtnote von 4,14 wird sich Freiberg dennoch nicht lange ausruhen können. Die im letzten Jahr gegründete ADFC-Ortsgruppe in Freiberg hat die meiste Arbeit noch vor sich.

Leipzig im Speziellen

Eindeutig Hauptübel und von den 1.690 Teilnehmern auch am deutlichsten so bewertet ist der Fahrraddiebstahl. Mit der Note 5,1 liegt Leipzig damit auch deutlich unterm Durchschnitt der anderen Großstädte – teilt das Problem aber mit anderen Städten in Sachsen. Was wohl nicht nur mit der großen Grenznähe zu tun hat (die trotzdem das Geschäft für einige organisiert vorgehende Diebesbanden erleichtern), sondern auch mit der in den letzten Jahren spürbar gestiegenen Beschaffungskriminalit.

Ebenfalls schlechter steht Leipzig bei Themen wie Winterdienst auf Radwegen und Falschparkerkontrolle auf Radwegen da. Was nutzt das beste ausgebaute Radwegenetz, wenn die Radwege nicht nutzbar sind? Leipzig verdirbt sich mit dieser Realitätsverweigerung tatsächlich eine bessere Platzierung in der Liste der 39 Großstädte. Denn bei den meisten bewerteten Standards ist die Stadt durchaus überdurchschnittlich, hat sich auch auf Verwaltungsebene einiges bewegt. Der Zustand der Radwege selbst und die Erreichbarkeit des Stadtzentrums wurden genauso überdurchschnittlich bewertet wie die Zügigkeit de Radfahrens oder die allgemeine Akzeptanz.

Übrigens ein Thema, dass sich schon in der Vergangenheit biss mit der medialen Berichterstattung, wo noch immer der Rüpelradler und die Gefährlichkeit des Radfahrens dominieren. Da hat sich auch 2014 nichts geändert.

Im Detail ist der Klimatest natürlich auch eine Handreichung für die Stadt. Wenn nur eine Note 4 herauskommt in einer Kategorie, ist das durchaus ein Zeichen dafür, dass noch zu wenig passiert. Das betrifft die Baustellenführung (4,5) genauso wie die beschränkte Fahrradmitnahme im ÖPNV (4,1), die Reinigung der Radwege oder die Ampelschaltungen (4,0), die für Radfahrer oft ungünstig sind (4,0). Die Werbung fürs Radfahren wird ebenso als ungenügend (4,0) betrachtet wie die Winterreinigung (4,9) und das Radwegparken (4,9). Und die Befragten sind auch durchaus der Meinung, dass es mit Autofahrern zu viele Konflikte gibt (4,2) und das zügige Fahren auf der Fahrbahn Zoff mit sich bringt (4,1).

Unübersehbar sind es gar nicht mal die teuersten Punkte, an denen der Ärger schlummert, sondern die Berührungsstellen zwischen dem Radverkehr und den anderen Verkehrsarten.

Der Die Leipziger Daten als pdf zum Download.

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