Da war die LVZ am Samstag, 21. März, mal richtig forsch und titelte "Bürgerticket für Bus und Bahn: Berlin macht mehr Tempo als Leipzig. Gemeinschaftsfahrschein wird konkret / Mitteldeutscher Verkehrsverbund plant Expertenrunde". Und das beim Thema Bürgerticket. Da staunten nicht nur die Leipziger Grünen. Im Text wurde es dann noch besser ...

“Nach Leipzig wird jetzt auch in Berlin über die Einführung eines Bürgertickets für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs diskutiert. Auch dort sollen alle Bürger für den neuen Fahrschein zahlen – egal ob sie ihn nutzen oder nicht. Kritiker bezeichnen ihn deshalb auch als Zwangsticket. Die Berliner sind aber in einem wichtigen Punkt deutlich weiter: Sie reden darüber, für welche Fahrgäste es finanzielle Erleichterungen geben sollte und wie Engpässe vermieden werden können.”

Tatsache ist: Auch in Berlin plädiert bislang nur die Opposition für ein Bürgerticket – Linke, Grüne und Piraten.

Die Probleme sind im Berliner ÖPNV dieselben. Es herrscht derselbe Frust über die jährlichen automatischen Fahrpreissteigerungen und die sinkenden Subventionen für den ÖPNV. Und selbst die mitregierende SPD hat schon mal auf beliebte Genossenart abgewiegelt. Von wegen, weiter. Berlin ist nicht mal ansatzweise das bessere Leipzig.

Für Leipzigs Grüne aber kein Grund, dass man sich das einfach noch ein Jahr und noch ein Jahr und noch eines gefallen lassen muss, auch wenn Leipzigs Stadtverwaltung und der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) die mögliche Lösung schon mal um zwei, drei Jahre in die Zukunft vertagen.

Denn auch wenn Steffen Lehmann, der Geschäftsführer des MDV, bei der Diskussion um die MDV-Finanzierung im Herbst 2014 höflich vermied, die eigentlichen Verursacher des Fahrpreisauftriebs an die Wand zu nageln: Bund, Länder und Kommunen, die allesamt den ÖPNV in den vergangenen 10 Jahren zum Sparobjekt gemacht haben.

In Leipzig besonders peinlich, weil alle Verantwortlichen wissen, dass die Finanzierungslücke bei den Leipziger Verkehrsbetrieben, was die Investitionen betrifft, bei 20 Millionen Euro liegt. Pro Jahr. Dennoch wurde ein Grünen-Antrag, der den LVB 5 Millionen Euro mehr zur Verfügung stellen wollte, abgelehnt.

Die Leipziger Grünen fordern jetzt eine offene Debatte über ein Bürgerticket zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs.

„Eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs ist unverzichtbar für eine ökologisch verträgliche Mobilität in Leipzig und sein Umland. Das erst kürzlich vom Stadtrat beschlossene Ziel, den ÖPNV-Anteil von Bus und Bahn am Gesamtverkehr zu steigern, kann nur mit neuen Lösungsansätzen gelingen“, erklärt dazu Lorenz Bücklein, Vorstandssprecher der Leipziger Grünen. Und benennt damit den Punkt, an dem die Ansagen der Leipziger Stadtpolitik so überhaupt nicht zu den Finanzierungen passen wollen.

Aber dem Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen geht es nicht nur um das Bürgerticket. Schon die Diskussion um die Finanzierungsstudie des MDV im Herbst drohte völlig auf das Thema Bürgerticket eingeengt zu werden. Das in der LVZ als “Zwangsticket” tituliert wurde.

Die Leipziger Grünen wollen jetzt die verschiedenen Optionen einer tragfähigen und nachhaltigen Finanzierung des Nahverkehrs unter die Lupe nehmen und mögliche grüne Ideen diskutieren.
„Das jetzt in Berlin diskutierte Bürgerticket kann ein möglicher Beitrag sein, die Nachfrage nach Bus und Bahn zu erhöhen und den Anteil von PKW-Fahrten zu verringern. Statt diesen Lösungsansatz mit Begriffen wie ‘Zwangsticket’ zu diffamieren, müssen jetzt Vor- und Nachteile vorurteilslos diskutiert werden“, kommentiert das Tobias Peter, Sprecher der AG Stadtentwicklung und Mobilität der Grünen. “Finanzierungsvorschläge wie das Bürgerticket sind sicher nicht die Lösung für alle Probleme. Auch Ansätze wie Jobticket, höhere Entgelte für Parkflächen oder eine Anhebung der Grundsteuer sind denkbare ergänzende Instrumente. Das Ziel ist klar: eine Stärkung von Bus und Bahn braucht eine berechenbare, wirtschaftlich verträgliche und sozial gerechte Finanzierungsgrundlage.”

Woher das Dilemma eigentlich stammt, ist auch den Leipziger Grünen klar.

„Sinkende öffentliche Zuschüsse und ein steigender Mittelbedarf führen zu einem massiven Finanzierungsproblem, das durch weitere Fahrpreiserhöhungen nicht gelöst werden kann“, betont Vorstandssprecher Bücklein. Er kritisiert in diesem Zusammenhang die jahrelange Unterfinanzierung des Nahverkehrs durch den Freistaat Sachsen. „Die Rahmenbedingungen für die Zweckverbände wie den MDV haben sich durch höhere Trassen- und Stationsentgelte, steigende Kosten der Infrastruktur und inflationsbedingte Mehrkosten verschärft. Im Jahr 2015 fließen von den vom Bund an den Freistaat überwiesenen 522,6 Millionen Euro Regionalisierungsmitteln weniger als 80 Prozent der zustehenden Mittel an die Zweckverbände – das ist viel zu wenig.“

In einer Veranstaltung „Grüne Ideen für die Nahverkehrsfinanzierung“ will der Kreisverband am Donnerstag, 26. März, um 18 Uhr im Pögehaus (Hedwigstraße 20/Neustädter Markt) alternative Finanzierungsansätze diskutieren. Zu Gast ist Steffen Lehmann, Geschäftsführer des MDV.

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