Da hat OBM Burkhard Jung ja was gesagt an diesem 24. April nach der Sitzung des Präsidiums des Deutschen Städtetages in Leipzig: Die Schallgrenze für die Fahrpreise im ÖPNV ist erreicht. Nicht nur Leipzig hat das Problem. Aber hier kommt es jetzt wieder zum Kräftemessen im Stadtrat. Am Mittwoch, 17. Mai, liegt der Antrag der Linksfraktion für ein Tarifmoratorium auf dem Tisch.

In den vergangenen Jahren scheiterten solche Anträge im Stadtrat immer wieder – aber auch immer knapper. Das Unbehagen der Leipziger an den automatischen Fahrpreiserhöhungen jeden August war schon 2014 so groß, dass der OBM einen Ausweichversuch startete und den Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) beauftragen ließ, alternative Finanzierungswege für den ÖPNV zu suchen. Das Ergebnis waren dann im Dezember 2016 sechs Vorschläge, die eher die ganze Hilflosigkeit der Politik deutlich machten.

Und so stellte nicht nur Jung, sondern auch sein Nürnberger Amtskollege Dr. Ulrich Maly fest, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Und dass die Ursache nicht in der Unattraktivität des ÖPNV liegt. Im Gegenteil. In allen deutschen Großstädten steigen die Nutzerzahlen im Nahverkehr. Aber die Länder haben sich massiv aus der Finanzierung der nötigen Investitionen im Nahverkehr zurückgezogen.

Nur zur Erinnerung: Dieser Rückzug ist Teil eines neoliberalen Projekts, mit dem Politiker versuchten, die Kosten des ÖPNV zunehmend aus den Finanzplänen der Länder zu entfernen – stets mit der (falschen) Behauptung, der Kostendruck würde die Nahverkehrsunternehmen dazu zwingen, immer neue Synergien zu finden, die Kosten im eigenen Unternehmen immer weiter zu senken und auch noch neue Finanzierungsquellen zu erschließen.

Der Puffer ist aufgebraucht. Doch die Mittelkürzungen auf Landes- und kommunaler Ebene haben dazu geführt, dass die Nahverkehrsunternehmen nicht nur aufgehört haben, in Zukunft zu investieren, sondern auch im Bestand einen enormen Investitionsstau aufgebaut haben. Und um überhaupt noch Gleise und Fahrzeuge erneuern zu können, hat man die Fahrpreise jedes Jahr kräftig erhöht.

Aber das überfordert immer mehr Fahrgäste. Die Einkommensentwicklung hält mit diesem Abwälzen der Kosten auf die Fahrgäste nicht mit.

„Auch der Aussage, dass die Schallgrenze für die Ticketpreise in Leipzig überschritten sei, kann man nur zustimmen“, sagte deshalb Franziska Riekewald, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Die Stadtratsfraktion Die Linke sieht sich in ihrem jahrelangen Kampf gegen die jährlichen Preiserhöhungen bestätigt. In den letzten zehn Jahren ist z. B. der Preis eines Einzeltickets um über 35 % gestiegen. Schon im Jahr 2013 hat die Fraktion Die Linke daher einen Antrag für ein Tarifmoratorium gestellt. Diesen Antrag werden wir im Mai 2017 erneut auf die Tagesordnung des Stadtrats setzen. Es ist endlich notwendig, dass wir wegkommen von der bloßen Feststellung, dass endlich was passieren muss. Wir müssen endlich handeln. Wir hoffen dabei sehr auf den Sinneswandel von Herrn Oberbürgermeister Jung.“

Und genau das hat die Linksfraktion jetzt auch getan.

„Seit der Gründung des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes ist kein Jahr vergangen, in dem nicht die Fahrpreise für die Fahrgäste weit über die jährliche Inflationsrate angehoben wurden. Auch die nächste Erhöhung zum 1. August 2017 wurde schon beschlossen. Wir denken, dass damit ein Zenit überschritten ist, das dem durch den Stadtrat beschlossen Ziel, den ÖPNV zu fördern und den Anteil am Modalsplit zu steigern, entgegensteht“, heißt es in diesem Antrag.

Der Verweis auf den Modal Split hat seinen Grund. Denn von ihrem Ziel, 23 oder gar 25 Prozent der täglichen Wege der Leipziger abzusichern, sind die LVB Lichtjahre entfernt. Der Anteil ist 2015 mit 17,6 Prozent gegenüber 2008, als es schon mal 18,8 Prozent waren, sogar gefallen. Wirklich zugelegt hat tatsächlich der Radverkehr, der seinen Anteil von 14,4 auf 17,3 Prozent gesteigert hat, während der Motorisierte Individualverkehr konstant bei 40 Prozent liegt. Und das Problem herrscht vor allem an den Stadträndern, wo die Übergänge im ÖPNV-System nicht funktionieren und die Leipziger sogar in Scharen wieder umgestiegen sind vom ÖPNV aufs Auto.

„Wir kritisieren vor allem die Belastung einzig der Fahrgäste. Das System der Einnahmeverbesserung für die Verkehrsunternehmen ausschließlich durch Fahrpreiserhöhung stößt an seine Grenze. Es muss endlich ein Umdenken stattfinden. Die jährlichen Kostenerhöhungen müssen auf verschiedene Schultern (u. a. Auftraggeber) verteilt werden“, formuliert die Linksfraktion. Und das wird ganz bestimmt nicht auf die „alternativen Finanzierungswege“ des MDV zielen oder das gar wie warme Brezeln angebotene Modell „Bürgerticket“, das rechtlich nicht umsetzbar ist. Land und Stadt müssen wieder in verstärkte Verantwortung gehen.

Die Stadt sogar vorneweg, die ihren Finanzierungsanteil an den LVB über die LVV auf 45 Millionen Euro abgesenkt hat, aber tatsächlich Leistungen im Wert von über 60 Millionen Euro bestellt. Die Lücke von 15 Millionen Euro zahlen die Fahrgäste.

Und so wird am Mittwoch, 17. Mai, als Beschlussvorschlag der Linken auf dem Tisch liegen:

„Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister bzw. dessen Vertreter in der Gesellschafterversammlung sowie im Aufsichtsrat der MDV GmbH, bis auf weiteres keiner Tariferhöhung zuzustimmen.

Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, sich in den entsprechenden Gremien aktiv auf Landes- und Bundesebene für eine bessere Finanzierung des ÖPNV einzusetzen.“

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Es gibt 2 Kommentare

Es ist ärgerlich, daß die Einbringung eines Antrags ins Verfahren so dargestellt wird, als würde dieser Antrag auch zum gleichen Zeitpunkt entschieden werden. Das suggeriert euer Beitrag. Fakt ist jedoch, daß der Antrag jetzt durch alle Instanzen muß und frühestens im September (wahrscheinlich aber sogar später) überhaupt erst entscheidungsreif ist.
Da ihr die Abläufe im Stadtrat kennt, wundert mich, daß ihr das dennoch nicht korrekt darstellt.

Der Wortlaut des Antrags der Linken ergibt keinen Sinn.
Wenn die Tarifanpassung für 2017 schon beschlossen ist, dann bedeutet ein Verzicht des Bügermeisters bzw. der Stadt auf weitere Beschlüsse zu Tarifanpassungen doch keinerlei Auswirkung auf die angekündigte Erhöhung zum 01.August 2017.
Habe ich etwas falsch verstanden oder möchte uns die Linksfraktion für dumm verkaufen ?

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