Nicht alle Leipziger jubelten, als der Leipziger Carsharing-Anbieter Mobility Center GmbH (teilAuto) im Februar ein neues Angebot startete: den CityFlitzer, das erste Freefloating-Angebot in Leipzig. Diese Autos können zwar genauso genutzt werden wie die bisherigen geteilten Fahrzeuge – aber man nutzt sie dort, wo man sie findet, und stellt sie auch irgendwo im Straßenraum der Innenstadt wieder ab. Logisch, dass sich manch Einwohner die Frage stellt: Gibt es da nicht noch mehr Stellplatzprobleme?

In der Einwohneranfrage, die das Planungsdezernat jetzt beantwortet hat, klingt das dann so: „Ich bitte daher im Rahmen meiner Anfrage um Auskunft – hilfsweise unter Berufung auf die Informationsfreiheitssatzung der Stadt Leipzig – zu folgenden Punkten:

– dass die Stadt Leipzig im Rahmen einer rechtlichen Überprüfung bzw. Neubewertung unter Anlegung o. g. Ausführungen das Konzept des „freefloating“ überprüft, im Speziellen auf Vorliegen einer Sondernutzung und
– dass die Stadt Leipzig im Rahmen einer effektiven Parkraumbewirtschaftung das generelle Konzept aus kommunal-strategischer Sicht (neu)bewertet. Es erscheint nicht bewiesen, dass ein derartiges, zusätzliches Angebot zur Entlastung des öffentlichen Verkehrsraums führt, eher das Gegenteil wird der Fall sein. Evidente Daten scheinen nicht vorzuliegen. Allenfalls wäre das Konzept schonend einzuführen und nicht wie geplant mit 750 Genehmigungen auszustatten, sondern im Rahmen einer Evaluierungsphase testweise ein Zehntel davon unter Messung der Auslastung mit wie geplanten Ausnahmegenehmigungen auszustatten
– dass die Stadt Leipzig überprüft, ob es nicht zu einem nicht vertretbaren, wettbewerbsverzerrenden Effekt führt, wenn das freefloating-Konzept günstigere Konditionen erhält als bspw. dem Konzept vergleichbaren Leihwagen (hier am Beispiel des günstigeren Parkens)
– dass die Stadt Leipzig überprüft, ob nicht ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vorliegt, wenn ein gleicher Sachverhalt – hier das kostenpflichtige Parken mittels Kfz – unterschiedlich gehandhabt wird, indem die CarSharing-Nutzer weniger zahlen als andere.“

Einwohner können schon sehr fachversiert klingen, wenn sie ihre Anfragen schreiben. Aber die Vermutungen, die hier so selbstgewiss klingen, treffen nicht zu, betont das Planungsdezernat.

Denn die Stadt hatte zwar die Absicht, für die neu aufkommenden Freefloating-Angebote einen Rahmen zu setzen – aber man wollte das wohl eher wieder ganz offen gestalten und womöglich ein, zwei neue Anbieter von außen in die Stadt holen. Ein Moment, in dem sich die Mobility Center GmbH herausgefordert sah, denn an dem Konzept hatte man schon seit ein paar Jahren gefeilt. Mit dem Vorstoß hatte die Stadt Handlungsdruck erzeugt. Deswegen kamen die CityFlitzer dann im Februar recht flott und unverhofft auf die Straße.

Trotzdem erwartet sich auch das Planungsdezernat davon einen positiven Effekt.

„Mit der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt und auf Leipzig.de wurde im Dezember 2017 seitens der Stadt über den Start des Pilotprojektes ‚Flexibles Carsharing‘ informiert, nachdem am 18. Oktober 2017 die Vorlage Nr. VI-DS-04166 (Regelungen zur Einrichtung von flexiblem Carsharing in Leipzig) vom Stadtrat beschlossen wurde. Dazu sollen mit den Carsharing-Anbietern, die alle notwendigen Voraussetzungen erfüllen, individuelle öffentlich-rechtliche Verträge zur Parkbevorrechtigung auf bewirtschafteten Flächen der Stadt abgeschlossen werden“, erläutert das Dezernat jetzt die jüngere Vorgeschichte, mit der die Stadt das Angebot erst so richtig zur Umsetzung drängte.

Aber was will die Stadt da eigentlich regeln?

„Im Gegensatz zum stationsgebundenen Carsharing ist beim stationsunabhängigen (freefloating) Carsharing keine Vorhaltung von festen Stellplätzen für Carsharing-Fahrzeuge und keine damit verbundene Beschilderung und Markierung dieser Stellplätze sowie keine Sondernutzungsregelung erforderlich. Das Prinzip des stationsunabhängigen (freefloating) Carsharing besteht darin, dass die Fahrzeuge auf allen öffentlich verfügbaren Stellplätzen innerhalb eines Geschäftsgebietes des jeweiligen Anbieters unter Beachtung und entsprechend der Regelungen der StVO abgestellt werden dürfen und können“, stellt das Dezernat fest. Und sicher werden im ersten Schritt die neuen Fahrzeuge zusätzlich im Straßenraum stehen.

„Obwohl zum Start eines freefloating-Angebotes unbestritten zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt werden, erwartet die Stadt mittelfristig auch bei freefloating-Carsharing einen Entlastungseffekt durch das Ersetzen derzeit vorhandener privater PKW. Ob und in welcher Größenordnung dieses stattfindet, ist auch bundesweit noch Gegenstand von Untersuchungen. Der in Leipzig gefasste Beschluss ist auch vor diesem Hintergrund ein vorerst zeitbegrenztes Pilotprojekt (5 Jahre) mit zwei Evaluierungen. Zudem ist die Gesamtzahl der möglichen Fahrzeuge auf 750 und die einzelner Anbieter zunächst auf 250, nach drei Jahren auf 500 beschränkt. Somit wird auch die gemessen an gut 250.000 in Leipzig gemeldeten Kfz geringe zusätzliche Zahl von 750 Fahrzeugen nur erreicht, soweit mehrere Anbieter ein solches Angebot einrichten wollen.“

Aber das ist mehr Wunsch als Regelungsmittel.

Denn: „Seitens der Stadt bestehen beim freefloating-Carsharing andererseits überhaupt nur Steuerungsmöglichkeiten, wenn mit den Carsharinganbietern entsprechende Vereinbarungen getroffen werden. Dazu wurden mit o. g. Vorlage bestimmte Rahmenbedingungen festgelegt. Um insbesondere der durchaus relevanten Gefahr zu begegnen, dass sensible Wohnbereiche durch CS-Fahrzeuge zusätzlich belastet werden, sind dabei auch bestimmte Regularien und Beschränkungen zum Beispiel für die Innenstadt und Bewohnerparkbereiche getroffen worden.“

Klingt nach Steuerungsmöglichkeit. Ist aber eher keine. Denn die Stadt zielt damit auf Anbieter, die es noch gar nicht gibt in der Stadt.

Und der eine, den es gibt, sah gar keine Notwendigkeit, sich jetzt von der Stadt regulieren zu lassen.

Denn: „Ein allgemeiner Sondernutzungstatbestand für freefloating-Carsharingfahrzeuge, wie Sie ihn vermuten, scheidet dagegen bereits aus zwei Gründen aus: zum einen ist eine Sondernutzung an einen definierten Ort gebunden, mithin dem Gegenteil des freefloating-Carsharings, in dem die Fahrzeuge wie andere Kfz an jedem zulässigen Stellplatz, ggf. gegen Parkgebühr, geparkt werden können. Zum anderen ist mit dem Carsharing-Gesetz des Bundes die rechtliche Grundlage der Bevorrechtigung von sowohl stationsbasierten als auch freefloating-Carsharingfahrzeugen geschaffen worden. Dabei ist auch der ‚Werbeeffekt‘ vom Gesetzgeber eingeschlossen, denn Carsharingfahrzeuge sind danach ‚mit einer deutlich sichtbaren Kennzeichnung als Carsharingfahrzeug (zu) versehen.‘“

Was beim Cityflitzer-Angebot durch die Mobility Center GmbH ja der Fall ist. Nur passiert das völlig unabhängig von der Stadt.

„Unabhängig vom Pilotprojekt der Stadt und den damit verbundenen vertraglichen Regelungen zwischen dem Carsharinganbieter und der Stadt, startete die Mobility Center GmbH, welche unter der Marke teilAuto ebenso stationsbasiertes Carsharing anbietet, mit ihrem freefloating-Angebot ‚Cityflitzer‘“, kann das Planungsdezernat deshalb nur feststellen. „Ohne Vereinbarung mit der Stadt bedeutet in diesem Fall, dass es einerseits keine Einflussnahmemöglichkeiten der Stadt auf das Angebot eines privatwirtschaftlichen Unternehmens gibt. Andererseits werden dem Carsharinganbieter seitens der Stadt aber auch keine (von diesem pauschal vergütete) Parkbevorrechtigungen für seine freefloating-Fahrzeuge erteilt. Seine Carsharingfahrzeuge nehmen daher ohne Einschränkung am Straßenverkehr und damit auch am Ruhenden Verkehr nach den Regeln der StVO teil. Jeder Nutzer muss sich demzufolge auch an die üblichen Parkregularien halten und die einzelfallbezogenen Parkgebühren entrichten. Reine Bewohnerparkbereiche sind dagegen grundsätzlich für das Parken und Abstellen von Carsharing-Fahrzeugen zu den für Bewohner reservierten Zeiten ausgeschlossen.“

Was nicht bedeutet, dass die Stadt und Mobility Center GmbH nicht doch noch unter einen Hut kommen. Denn bislang haben beide Seiten meist gut miteinander kooperiert.

Die Hoffnung der Stadt also: „Zielstellung der Stadt ist es jedoch, auch mit der Mobility Center GmbH eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur Parkbevorrechtigung im Rahmen des Pilotprojektes abzuschließen.“

Dann könnte es im Stadtgebiet auch besondere Stellplätze für die CityFlitzer geben.

Zurück in die Zukunft oder doch lieber endlich drüber reden? – Die neue LZ Nr. 53 ist da

Die neue Leipziger Zeitung Nr. 53 beschäftigt sich mit Kulturkämpfen, alten Revolutionen und den Mühen der täglichen Zukunft

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar