Seit Mittwoch, 29. April, gelten die Regeln der novellierten StVO, die auch das Radfahren in Deutschland etwas sicherer machen sollen. Eine „Street Love Story“, wie sie das Bundesverkehrsministerium beschwört, wird es wohl eher nicht, eher ein Stück Weg hin zu etwas mehr Rücksicht und Sicherheit für Radfahrerinnen und Radfahrer. Für Leipzigs Radverkehrsbeauftragten Dr. Christoph Waack war es trotzdem ein wichtiger Tag.

„Ich begrüße die Novellierung der Straßenverkehrsordnung, die in vielerlei Hinsicht neue Regelungen schafft und insbesondere der Sicherheit des Fuß- und Radverkehrs dient“, betonte er am Mittwoch, wies aber auch darauf hin, dass von einem sicheren Radverkehr in Leipzig noch keine Rede sein kann.

Denn der aktuelle „Verkehrsbericht 2019“ der Polizeidirektion Leipzig hatte zuletzt bei der Gesamtzahl der Unfälle mit Radfahrerbeteiligung nur einen leichten Rückgang verzeichnet – von 1.286 im Jahr 2018 auf 1.221. Fünf Radfahrer kamen 2019 ums Leben, 125 wurden schwer verletzt.

Und dabei liegt Leipzig im Sachsenvergleich sogar noch recht gut. Selbst in der Landeshauptstadt gibt es mehr Radfahrerunfälle mit entsprechenden Personenschaden.

Verkehrsunfälle mit Radfahrerbeteiligung in Leipzig nach Jahren. Achtung: Die Säulen sind nicht proportional, sondern bei 1.000 abgeschnitten. Grafik: Polizeidirektion Leipzig
Verkehrsunfälle mit Radfahrerbeteiligung in Leipzig nach Jahren. Achtung: Die Säulen sind nicht proportional, sondern bei 1.000 abgeschnitten. Grafik: Polizeidirektion Leipzig

Zu den Ergebnissen einer Kleinen Anfrage „Sicherheit im Straßenverkehr im Freistaat Sachsen“ an die Bundesregierung und zur in Kraft getretenen neuen Straßenverkehrsordnung erklärt Stephan Kühn, Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion und sächsischer Bundestagsabgeordneter: „In Sachsen ist die Zahl der Verkehrsunfälle in den fünf letzten Jahren kaum zurückgegangen. Bei den bei Unfällen verletzten Personen ist leider auch kein Trend nach unten zu erkennen. Trauriger Spitzenreiter bei tödlichen Unfällen ist der Landkreis Nordsachsen. Gemessen an der Einwohnerzahl ereignen sich in Chemnitz die meisten Verkehrsunfälle. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl waren in Dresden die meisten Verletzten zu beklagen. In den beiden größten sächsischen Städten verunglücken auch die meisten Radfahrenden.“

Die jetzt in Kraft getretene Änderung der Straßenverkehrsordnung schafft freilich auch aus Sicht von Stephan Kühn die Voraussetzung für mehr Sicherheit für Radfahrende. Denn viele Unfälle passieren auch deshalb, weil die Radverkehrsanlagen wichtigen Grundanforderungen nicht genügen oder auch gar nicht existieren. Wenn die Situationen im Straßenverkehr sogar noch unübersichtlich werden, wird es schnell brandgefährlich.

„Das Unfallgeschehen in Sachsen zeigt, dass die Verkehrsplanung die Bedürfnisse von Fahrradfahrern in Vergangenheit oft nicht ausreichend im Blick hatte. Die Anzahl der verunglückten Fahrradfahrenden ist in den letzten Jahren gestiegen“, zieht Stephan Kühn Bilanz.

„Ich fordere die Straßenverkehrsbehörden auf, zügig die neuen Regeln umzusetzen und insbesondere an Kreuzungen sowie an Engstellen Radfahren sicherer zu machen und analog der Tempo 30 Zonen nun auch Fahrradzonen einzurichten. Die geänderte StVO sieht zur Verbesserung der Verkehrssicherheit eine Ausweitung des Parkverbots vor Kreuzungen und Einmündungsbereichen vor. Die Straßenverkehrsbehörden können an Engstellen ein Überholverbot von Fahrrädern anordnen.“

Verletzte Radfahrer/-innen und die Art ihre Beteiligung an Verkehrsunfällen 2019 in Leipzig. Grafik: Polizeidirektion Leipzig
Verletzte Radfahrer/-innen und die Art ihrer Beteiligung an Verkehrsunfällen 2019 in Leipzig. Grafik: Polizeidirektion Leipzig

Für Sachsen insgesamt gilt, so Kühn: „Unverändert ist das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit die häufigste Unfallursache in Sachsen. Mit der StVO-Novelle wurde reagiert: Bei geringeren Geschwindigkeitsverstößen als bisher wird nunmehr ein Monat Fahrverbot verhängt. Dies gilt innerorts bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h. Mehr Sicherheit wird es aber nur geben, wenn die Einhaltung der Verkehrsregeln auch besser kontrolliert wird. Die Kontrolltätigkeit, auch mit stationärer Überwachung, muss im Interesse der Verkehrssicherheit ausgeweitet werden.“

Im Gebiet der sächsischen Großstädte sind freilich andere Ursachen Hintergrund gerade für die Unfälle mit Personenschaden – allen voran „Nichtbeachten der Vorfahrt“ und „Fehler beim Abbiegen“.

Einen Fehler kann hingegen die Polizei nicht erfassen: Welchen Anteil schlecht gebaute Radverkehrsanlagen an den einzelnen Unfällen haben – von falschen Bemessungen über fehlende Straßeneinsicht bis hin zu gefährlicher und kaputter Pflasterung, all den Dingen, die gerade unsichere Menschen vom Radfahren abhalten.

Und dazu kommt, so Kühn: „Bei mehr als jedem fünften tödlichen Unfall war ein Lkw beteiligt. Dass durch die StVO-Novelle künftig für rechtsabbiegende Lkw innerorts Schrittgeschwindigkeit gilt, ist ein erster Schritt. Der zweite Schritt muss nunmehr der verpflichtende Einbau von Abbiegeassistenten sein. Die öffentliche Hand muss dabei Vorreiter sein und ihre Lkws nachrüsten und bei Neuanschaffungen Fahrzeuge mit dem Abbiege-Assistenten erwerben.“

Interessiert sich Sachsens Verkehrsminister nicht für gefährliche Orte für Radfahrer?

Interessiert sich Sachsens Verkehrsminister nicht für gefährliche Orte für Radfahrer?

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