Bislang fahren in Leutzsch die Buslinien 67 und 63, um die Bewohner/-innen zur Straßenbahn in der Georg-Schwarz-Straße zu bringen. Doch so richtig will das System nicht funktionieren, nachdem die Busse schon die Straßenbahnverbindung zum Straßenbahnhof Leutzsch ersetzt hatten. Am 8. Dezember beschloss die Ratsversammlung nun, dass Leutzsch stattdessen für drei Jahre ein Flexa-Pilotprojekt bekommt.

„Trotz der Bedienungshäufigkeit ist die Buslinie offensichtlich nicht attraktiv genug, um mehr Menschen zur Nutzung des ÖPNV zu bringen. Die Buslinie 67 verknüpft ausschließlich am Rathaus Leutzsch und das nur zur Straßenbahnlinie 7. Andere Linien, wie die Buslinien 80, 130 und 131 oder die S-Bahn können nur über einen zweiten Umstieg erreicht werden“, geht die Vorlage aus dem Planungsdezernat auf die gegenwärtigen Zustände in Leutzsch ein, die auch von den Bewohnern des Ortsteils als unzureichend empfunden werden.Das Busangebot hat zu viele Löcher – räumlich und zeitlich. Und es ist auch nicht flexibel genug. „Der Einzelhandel im Umfeld der Straßenbahnhaltestelle ‚Pfingstweide‘ wird nicht direkt erreicht. Im Angesicht des gebotenen 20-Minuten-Takts der 67 fällt die Wahl mitunter oft für den Fußweg, da die meisten erschlossenen Bereiche der 67 innerhalb eines Kilometers um die Straßenbahn liegen. Andererseits liegt das Einkommensniveau im hinteren Bediengebiet über dem städtischen Mittel, was sich auch in einer hohen Verfügbarkeit des eigenen Autos und entsprechend hohem Parkdruck äußert. In dieser Konkurrenzsituation erscheint der heutige Takt wiederum unattraktiv.“

Flexa neu in Leutzsch und Südwest

Und da haben natürlich auch die Leutzscher nach Probstheida und Lindenthal geschaut, wo sich das Flexa-Angebot schon bewährt hat.

„Mit der Angebotsausweitung Flexa wird die Bedienzeit wesentlich ausgedehnt (von 4:30 Uhr bis 1 Uhr an allen Tagen) und es können neben dem Verknüpfungspunkt zur Straßenbahn am Rathaus Leutzsch weitere Umstiegspunkte direkt erreicht werden, insbesondere der S-Bahnhof Leutzsch“, stellt die Vorlage aus dem Planungsdezernat fest.

„In Planung ist zudem eine Verknüpfung mit den Buslinien 130 und 131 an der Merseburger Straße/Schomburgkstraße mit weiteren Flexa-Haltepunkten entlang der Rückmarsdorfer Straße. Die Anfahrt des Verknüpfungspunkts S-Bf. Leutzsch muss noch verkehrsorganisatorisch geklärt werden.“

Aber das Projekt ist – nach den Diskussionen um den Nahverkehrsplan 2019 – schon ziemlich weit durchgeplant.

Neben Leutzsch wird es übrigens parallel auch noch ein weiteres Flexa-Gebiet in Südwest geben. Und das mit Fahrzeugen, die auch für nicht so mobile Menschen das Mitfahren erleichtern.

„Seit Anfang 2021 kommen barrierearme Fahrzeuge (London Cabs) zum Einsatz, die neben der Möglichkeit der Rollstuhlbeförderung weitere Vorzüge für mobilitätseingeschränkte Personen wie zum Beispiel einen erleichterten Einstieg ermöglichen. Für seh- und höreingeschränkte Menschen bieten die Fahrzeuge besondere Vorzüge, wie zum Beispiel eine Lautsprecheranlage, eine induktive Höranlage und eine kontrastreiche Gestaltung des Innenraums. Diese Fahrzeuge sind Plug-in-Hybride mit einer rein elektrischen Reichweite von 110 km, emittieren 19 g CO2/km (WLTP) und entsprechen der Euro 6-Abgasnorm. Bereits heute wird 100 % Ökostrom in diese Fahrzeuge gespeist“, kann man in der Vorlage der Stadt lesen.

„In dem geplanten dreijährigen Pilotbetrieb in den beiden Räumen Leutzsch und Südwest mit den Ortsteilen Knautkleeberg, Knauthain, Knautnaundorf, Hartmannsdorf sowie Rehbach sollen wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt werden, um Ableitungen zu treffen, in welchen Gebieten und zu welchen Zeiten der Angebotstausch von einem Linienangebot auf ein On-Demand-Angebot verkehrlich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Ziel ist es, mehr Menschen die Teilhabe am ÖPNV zu ermöglichen, eine bessere räumliche und zeitliche Verfügbarkeit des ÖPNV (mehr Verbindungen, kurze Wege zur Haltestelle, individuell) anzubieten und verantwortungsvoll mit den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln umzugehen.“

Zwei Wünsche der SPD-Fraktion

Aus Sicht der SPD-Faktion ging das freilich noch nicht weit genug. Denn die bisherigen beiden Flexa-Pilotprojekte haben ja auch gezeigt, wo es auch bei Flexa immer wieder noch Notwendigkeiten zum Nachjustieren gibt.

Deshalb beantragte die SPD-Fraktion: „Der Oberbürgermeister wird in Zusammenarbeit mit der LVB beauftragt zu prüfen, ob der vollflexible Flächenverkehr in Leutzsch in der gesamten Bedienzeit, also auch während der Frühschülerspitze, angeboten werden kann. Der Schülerverkehr ist dabei selbstverständlich sicherzustellen.“

Dass die SPD-Fraktion diesen Punkt für notwendig hielt, hat mit diesem Ansatz der Verwaltung zum Schülerverkehr zu tun:

„In Leutzsch soll in der Frühschülerspitze (ca. 7–8 Uhr) ein Linienverkehr mit einzelnen Fahrten die heutige Buslinie 67 ersetzen. Zunächst ist hier geplant, im Ringverkehr in eine Richtung mit zwei Flexafahrzeugen im Verband im 10-Minuten-Takt die Relation Rathaus Leutzsch – Philipp-Reis-Straße (Verknüpfung S-Bf. Leutzsch) – Otto-Schmiedt-Straße – Rathaus Leutzsch zu bedienen.

Ein vollflexibler Flächenverkehr wird zu dieser Zeit ausgesetzt, um ausreichende Kapazitäten für den Schülerverkehr schnell verfügbar zu haben. Schüler auf dem Weg in die Schule sollen so einen fahrplangebundenen ÖPNV erhalten. Entsprechend der außerhalb der Frühspitze sehr geringen Nachfrage soll Flexa am restlichen Tag als vollflexibler Flächenverkehr mit Buchung angeboten werden.“

Und die SPD-Fraktion beantragte eine Erweiterung des Bediengebietes bis hinüber nach Lindenau: „Weiterhin soll geprüft werden, ob das Flexa-Bediengebiet bei positiver Resonanz und wirtschaftlicher Darstellbarkeit ausgedehnt werden kann, insbesondere in das Quartier südlich der H.-Driesch-Straße.“

Da hätte man durchaus diskutieren können. Aber Oberbürgermeister Burkhard Jung übernahm den SPD-Antrag kurzerhand mit in die Verwaltungsvorlage.

Auftakt soll im 2. Quartal 2022 sein

Denn nicht ohne Grund ist das Flexa-System für Leutzsch erst einmal als dreijähriges Pilotprojekt geplant. Was eben bedeutet, dass die Leutzscher das Angebot selbst mitgestalten können, sodass es möglichst genau auf die tatsächlichen Bedürfnisse in Leutzsch angepasst wird.

Das steht so auch in der Vorlage:

„Als Lösung und Antwort auf die Anforderungen von Stadtrandlagen und spezifischen Quartieren, soll Flexa in beiden Gebieten flächendeckend und zunächst testweise anstatt des bestehenden, vergleichsweise schlecht nachgefragten Buslinienverkehrs eingeführt werden. Flexa erlaubt nicht nur eine flexiblere, individuellere Mobilität, sondern ist auch in der Ausgestaltung sehr viel flexibler als das Linienbusangebot. Deshalb will die LVB die Ausgestaltung mit den Menschen vor Ort entwickeln. Ein dichtes Netz an virtuellen Haltepunkten verkürzt den Zugang zum ÖPNV erheblich. Fahrten werden individuell gebucht. Eine Vorbestellfunktion soll angeboten werden.“

Und damit es nicht gleich zum Chaos kommt, soll Flexa 2022 schrittweise eingeführt werden: „Die Einführung dieser Verkehre erfolgt stufenweise, d. h. der vollflexible Flächenverkehr von Flexa wird aufgenommen, während der heutige Linienverkehr noch einige Zeit aufrechterhalten wird. Bürgerinnen und Bürger sollen Gelegenheit bekommen, Flexa kennenzulernen und zu nutzen.“

Dabei merkt die Vorlage auch an, dass in Leutzsch bislang Busse auch deshalb zum Einsatz kamen, weil sie nicht so viel kosteten. Flexa wird nicht ganz so preiswert zu haben sein: „Die Leistungsminderung der Linien 63 und 67 sind verhältnismäßig gering und stellen etwa ein Prozent der Gesamtleistung Bus dar. Demgegenüber stehen die Mehrleistungen Flexa und zusätzliche Leistungen im Rahmen der Taktverdichtungen der Linie 89, der Linie 14 und der Einrichtung der Linie 64 (Baumwollspinnerei).“

Wobei es noch eine Hürde gibt: „Die Ausschreibung dieser Verkehre findet momentan unter Vorbehalt der Zustimmung des Stadtrates zu dieser Vorlage und einer Genehmigungserteilung nach Personenbeförderungsgesetz durch das LASuV statt.“

Die Vorlage wurde von der Ratsversammlung am 8. Dezember einstimmig angenommen. Jetzt kann das Projekt von den LVB vorbereitet werden. „Die Umsetzung der beschriebenen Angebotsänderung wird im 2. Quartal 2022 angestrebt.“

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“Bislang fahren in Leutzsch die Buslinien 67 und 63 […]”

@L-IZ-Redaktion: Die Linie 63 fährt in Knauthain und Hartmannsdorf.

” ‘Trotz der Bedienungshäufigkeit ist die Buslinie offensichtlich nicht attraktiv genug, um mehr Menschen zur Nutzung des ÖPNV zu bringen. Die Buslinie 67 verknüpft ausschließlich am Rathaus Leutzsch und das nur zur Straßenbahnlinie 7. […] Der Einzelhandel im Umfeld der Straßenbahnhaltestelle ‚Pfingstweide‘ wird nicht direkt erreicht.’ ”

Das hätten Stadt und LVB auch ganz einfach erreichen können, wenn sie die 67 zur Ringlinie über die Philipp-Reis-Straße gemacht hätten, inklusive Anschluss an den S-Bahnhof Leutzsch. Quartiersbusse haben generell ein Problem mit der Auslastung. Wenn sie dann auch noch solche wichtigen Punkte auslassen, braucht man sich über das Ergebnis nicht zu wundern. Ironischerweise soll so ein Ringverkehr mit den Flexa-Fahrzeugen gefahren werden.

Das Problem mit den unattraktiven Wartezeiten und der Konkurrenz mit den kurzen Wegen zur Straßenbahn hat Flexa genauso. (‘Ist mir zu doof hier 9 Minuten zu warten um 4 Minuten zu fahren, ich laufe einfach.’) Flexa-Verbindungen KÖNNEN besser sein, aber auch schlechter.

“Aber das Projekt ist – nach den Diskussionen um den Nahverkehrsplan 2019 – schon ziemlich weit durchgeplant.”

Da habe ich meine Zweifel. Falls doch, wäre der barrierefreie Ausbau der Bushaltestellen Kietzstraße und Matthiesenstraße Geldverbrennung erster Güte.

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