Für den 16. März lud das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e. V. „Die Güterbahnen“ in Leipzig zum Pressegespräch ein, die LZ war dabei. „Die Güterbahnen“ sind Branchenvertreter für etwa 100 private, regionale und internationale Unternehmen mit Bezug zum Schienengüterverkehr. Somit vertreten sie selbstverständlich die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder. Das ist aber nicht negativ, da der Schienengüterverkehr eine große Rolle bei der Erreichung der Sektorenziele des Verkehrssektors spielt.

Anzumerken ist hier auch, dass die Mitglieder des Netzwerkes eben zu jenen Wirtschaftsakteuren gehören, die vermeintlich von der FDP vertreten werden. Darüber sollte sich auch der Bundesverkehrsminister Volker Wissing im Klaren sein. Gerade dieser und seine Verkehrspolitik werden vom Netzwerk stark kritisiert.

Was will das Netzwerk?

Dabei geht es um zwei entscheidende Punkte: zum Ersten die Verlagerung von mehr Güterverkehr auf die Schiene und zum Zweiten, im Gegensatz zur Verkehrsprognose 2051, ein weitaus höheres Wachstum des Schienengüterverkehrs bei entsprechender Verkehrspolitik.

Peter Westenberger verwies, wie schon in der Pressemitteilung „Wir können mehr, als Wissing uns zutraut“ darauf, dass „Die Güterbahnen“ ein Wachstum des Schienengüterverkehrs am Gesamtaufkommen, von 20 % auf 35 % bis 2035 für möglich halten, wenn der Bund seine Hausaufgaben bei Infrastruktur und Rahmenbedingungen macht.

Wissing dagegen prognostiziert einen Rückgang im Schienengüterverkehr um 17,3 %.

Peter Westenberger, NEE-Geschäftsführer. Foto: DIE GÜTERBAHNEN/NEE
Peter Westenberger, NEE-Geschäftsführer. Foto: „Die Güterbahnen“/NEE

Warum dieser Termin?

Vor allem war der Termin in Vorbereitung auf die in Kürze anstehende Hauptversammlung des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) e. V. angesetzt. Zudem hat die Deutsche Bahn die erste Planung für die Korridorsanierung (Generalsanierung) für „Streckenabschnitte mit besonders hoher Auslastung und besonders störanfälligen Infrastrukturanlagen“ angekündigt.

Der Bundesverkehrsminister hat dies bestätigt und „Die Güterbahnen“ haben einen Brief dazu an Volker Wissing geschrieben, in dem sie offene Fragen vortragen. Der Geschäftsführer des Netzwerkes, Peter Westenberger, machte diese Kritikpunkte nochmals deutlich.

Generalsanierung – Problemfall Umleiterstrecken

Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e.V. begrüßt in seinem Schreiben den Plan der Korridorsanierung, weist jedoch auf die ungeklärten Fragen hin. Für die jeweilige Generalsanierung sollen Hauptstrecken bis zu fünf Monate voll gesperrt werden. Der Verkehr, sowohl Personenfernverkehr als auch Güterverkehr, wird in diesem Zeitraum über sogenannte Umleiterstrecken geführt.

Das Problem: die Umleiterstrecken selbst sind einem schlechten Zustand und können aus Sicht des Netzwerkes den zusätzlichen Verkehr nicht ausreichend aufnehmen. Da der Personennahverkehr weitestgehend mit Bussen abgedeckt werden soll, ist dieser von der Leistungsfähigkeit der Schienenumleitungen weniger betroffen.

So fährt man als Bahnnutzer ab dem Sommer 2024 beispielsweise auf der Strecke Frankfurt/Main – Mannheim über zwei solche Umleiterstrecken. Der Bahnverkehr wird dann für fünf Monate Generalsanierung der so genannten Riedbahn über Frankfurt/Main-Mainz-Worms-Mannheim oder Frankfurt/Main-Darmstadt-Mannheim, umgeleitet.

Für die Nutzer des Schienennahverkehrs sollen Busse täglich bis zu 200 Zugverbindungen ersetzen.

Für den Güterverkehr jedoch fehlen konkrete Aussagen zum Abbau der baustellenbedingten Einschränkungen und des hohen Störgeschehens jenseits der zur Generalsanierung vorgesehenen Streckenabschnitte. Ob also die notwendigen Umleiterkapazitäten (für den Schienengüterverkehr) bereitgestellt werden können, ist nicht bekannt.

Auch die Beschleunigung von Maßnahmen, mit denen die Kapazität der Umleiterstrecken erhöht werden kann, z. B. vorgezogene Bedarfsplanmaßnahmen und Schließung von Elektrifizierungslücken, scheint nicht vorgesehen zu sein.

Weiterhin besteht die Unsicherheit, ob Gleisanschlüsse, z. B. von Industrieunternehmen, Werkstätten und Häfen, während der Bauzeit bedient werden können. Da viele davon mit Massengütern beliefert werden, ist ein Ersatz durch LKW unrealistisch.

Gegenüber der Vorlage im Sommer 2022 wurde die Anzahl der Abschnitte für die Generalsanierung von „2 bis 3“ jährlich auf „bis zu 8“ erhöht, was nach Ansicht des Netzwerkes, durch gleichzeitige Baumaßnahmen und Störungen außerhalb der Sanierungs-Korridore, zu großen Kapazitätseinschränkungen und Qualitätseinbrüchen führen kann.

Darüber hinaus gibt es weitere offene Fragen zu Stellwerks-, Leit- und Sicherungstechnik und auch zur Finanzierung der Gesamtmaßnahmen.

Ob also der Schienengüterverkehr, während der Generalsanierungen, störungsfrei laufen kann, ist derzeit ungewiss.

Infrastrukturdialog – Dezember 2022

Im Koalitionsvertrag der Ampel wurde festgeschrieben, dass ein „Dialogprozess mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden mit dem Ziel einer Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des geltenden Bundesverkehrswegeplans“ gestartet wird.

Der Auftakt war am 7. Dezember 2022, viele Teilnehmer beklagten, dass es ein Monolog des Bundesverkehrsministeriums, also die Vorstellung von Absichten, war. Ein gemeinsamer Entscheidungsfindungsprozess ist erst für die Planung 2040 vorgesehen. Diese erfolgt in der nächsten Legislaturperiode des Bundestages. Das ist definitiv zu spät.

Fazit

Es ist zu befürchten, dass der Schienengüterverkehr stark eingeschränkt wird. Die genannten Umleiterstrecken übernehmen schon jetzt viel Güterverkehr. Beim Beispiel Frankfurt/Main kommt der Hauptanteil des Güterverkehrs, der jetzt über die Riedbahn geführt wird, für die Schienenumleiter noch obenauf. Das führt zu Kapazitätsproblemen, die sich leicht zu Lieferschwierigkeiten und Engpässen aufschaukeln, wenn nicht zum Kollaps führen können.

2025 sollen dann die Strecken Hamburg–Berlin und Emmerich–Oberhausen saniert werden, wo dieselbe Problematik, wie perspektivisch auch in Sachsen ansteht.

Da „hoch belastete Streckenabschnitte“ generalsaniert werden sollen, rückt hier der „komplett zweigleisige Ausbau der Bahnstrecke Chemnitz-Leipzig“ in den Fokus. Ohne diese Ausbauten und belastbare Ersatzstrecken wird eine perspektivische Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene nicht zu schaffen sein. Und Volker Wissing durch Nichthandeln Recht behalten.

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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