Eigentlich ist es eine Katastrophe, was die Verbraucherzentrale Sachsen jetzt im Kampf gegen dubiose Schlüsseldienste vor Gericht erlebt hat. Aber es ist symptomatisch: Wenn es um illegale Geschäftspraktiken geht, sind deutsche Gerichte zahnlos, oft machtlos. Ganze Branchen leiden darunter. Und die Betroffenen, die dann auf einmal 1.500 Euro für eine Türöffnung blechen müssen, erst recht.

Das Thema hat die Medien schon mehrfach beschäftigt. Denn wenn man dummerweise vor der eigenen verschlossenen Haustür steht, aber den Schlüssel verloren hat oder der gar noch in der Wohnung liegt, ist man in einer Lage, in der man dringend Hilfe braucht. Meist sucht man dann mit dem Smartphone im Internet hektisch nach dem nächst verfügbaren Schlüsseldienst, ruft an, vereinbart einen Termin – und ist schon reingefallen. Denn einige dubiose Anbieter suggerieren zwar Wohnortnähe, aber die Nähe ist getürkt. Oft steckt hinter dem beauftragen Dienst nicht einmal ein seriös angemeldetes Unternehmen.

Was für ein Dschungel da lauert, hatten auch die Leipziger Verbraucherschützer nicht wirklich gewusst, als sie mit Betroffenen gemeinsam den Weg vor Gericht gingen, um diese Abzockerpraxis mit völlig überhöhten Tarifen zu unterbinden.

Denn das ist jetzt das erste Ergebnis aus dem Versuch, der dubiosen Masche auf den Grund zu kommen – man begegnete undurchsichtigen Geschäftsstrukturen und Postadressen, die ins Leere laufen.

Das klingt nach vielen Hürden, die aus dem Weg zu räumen sind? Stimmt, stellt die Verbraucherzentrale fest.

Seit einem Jahr kämpft die Verbraucherzentrale Sachsen an sächsischen Amtsgerichten gegen unseriöse Schlüsseldienste für das Recht der Verbraucher. Insgesamt acht Verfahren haben die Verbraucherschützer angestrengt, um Schlüsseldienst-Abzockern das Handwerk zu legen. Das Resultat ist ernüchternd: Lange Bearbeitungszeiten an den Gerichten und gescheiterte Zwangsvollstreckungen. Dennoch fiebern die Verbraucherschützer dem Ausgang der restlichen Urteile entgegen.

„Immerhin bei einer der Betroffenen, die mit uns klagen, war die Zwangsvollstreckung auf Anhieb erfolgreich und die Dame erhielt knapp 500 Euro zurück. Das zeigt, dass sich der Kampf lohnen kann“, erklärt die Rechtsexpertin Stefanie Siegert von der Verbraucherzentrale Sachsen, die die Verfahren führt und die nun weiß, wie viel Durchhaltevermögen Betroffene aufbringen müssen, um endlich ihr Geld zurückzubekommen.

Mehrere hundert Betroffene wandten sich wegen horrender Schlüsseldienstkosten seit mehreren Jahren an die Verbraucherschützer. Wurde der Betrag einmal an der Haustür bezahlt, war das Geld in der Regel weg. Auf außergerichtliche Schreiben reagierten die Anbieter nicht. Die Verbraucherzentrale Sachsen hatte daraufhin mehrere Individualklageverfahren gegen die unseriöse Schlüsseldienstindustrie angestrengt, um Rechtssicherheit für Verbraucher zu schaffen und die Ortsüblichkeit der Preise festzuzurren.

Doch das Problem bestand nicht darin, ein Urteil im Sinne der Verbraucher zu erstreiten.

„Angefangen bei der Ermittlung ladungsfähiger Anschriften, um überhaupt eine Klage einreichen zu können, bis hin zur Zwangsvollstreckung, die oft an der vermeintlichen Vermögenslosigkeit des Schuldners scheitert – das Problem besteht darin, das Urteil auch vollstrecken zu können“, erklärt Siegert.

Da die Beklagten den Verhandlungen fernblieben und nicht reagierten, sind zudem meist Versäumnisurteile ergangen. „Das heißt, dass das Gericht unsere Klage für schlüssig hält, aber ohne dass die Gegenseite bestreitet, keine Entscheidungsgründe erarbeitet werden können. Dazu, die Frage zu klären, ab wann Preise als Wucher gelten, konnte es also nie kommen“, resümiert Siegert.

Und da spricht sie ein Thema an, das auch in anderen Wirtschaftszweigen für Besorgnis sorgt. Denn dass unseriöse Anbieter oftmals leichtes Spiel haben, liegt auch an der Ressourcenknappheit von Justiz und Behörden. Die vielen Jahre des Sparens auch bei Gerichten, in denen sich die Vorgänge stapeln, zeigen Folgen. Und zwar gerade in der Bearbeitung von Fällen aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität, die oft viel Fachkenntnis brauchen und entsprechend umfangreich sind.

Da ist die Sparpolitik der diversen Länderregierungen gründlich in die Hose gegangen – denn die fehlende Rechtssicherheit schädigt die eigenen seriösen Unternehmen im Land, schafft aber den Tummelplatz für zwielichtige Anbieter aller Art, die selbst dann, wenn sie ertappt werden, kaum mit juristischen Folgen rechnen müssen.

„Es ist deswegen umso wichtiger, hier eng zusammenzuarbeiten, die Rechtsdurchsetzung zu stärken, seriöse regionale Anbieter zu unterstützen und auch politisch etwas zu bewegen“, schlussfolgert Siegert. Die Verbraucherzentrale Sachsen gründet deswegen derzeit eine Initiative mit ausgewählten Partnern, die derartigen Abzockmaschen langfristig Einhalt gebieten soll.

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Vermieter können ihre Mieter schützen vor solchen unseriösen Neppern.
In der Stadt, in der ich vorher lebte, hatte der Vermieter im Hauseingang vor den Aufzügen eine große Hinweistafel mit den Notrufnummern für den Fall der Fälle, unter anderem einem Schlüsseldienst. Den durfte auch ich einmal bemühen wegen Schusseligkeit. 68€ kostete es nach 18 Uhr. Aber das empfand ich als gerechtfertigt.
Wenn Vermieter sich mit der Firma einigen, also praktisch kostenlose Werbung und dafür saubere Preise dann ist das zu begrüßen

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