Von einem „Paukenschlag“ und „wichtigen Meilenstein“ spricht die Verbraucherzentrale Sachsen: Diese hat nach einem längeren Rechtsstreit gegen die Sparkasse Leipzig ein Grundsatzurteil vor dem Bundesgerichtshof erwirkt, wonach Zinsanpassungen bei bestimmten Langzeitsparverträgen unwirksam seien. Tausende Anlegerinnen und Anleger hoffen nun auf beträchtliche Nachzahlungen.

Die in den Langzeitsparverträgen „Prämiensparen flexibel“ angewandten Klauseln zur Zinsanpassung sind unwirksam. Es müssen ein langfristiger Zinssatz und ein relativer Zinsabstand zur Anwendung kommen, zudem beginnt eine Verjährung erst mit Vertragsende. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch (Az. XI ZR 234/20).

„Gutsherrenart“ unzulässig: Zinsen müssen nachvollziehbar sein

Was sich zunächst kompliziert anhört, könnte für tausende von Sparerinnen und Sparern finanzielle Folgen haben – im positiven Sinne. Viele von ihnen hatten in den 1990er oder 2000er Jahren jeden Monat einen Geldbetrag zurückgelegt – zur Altersvorsorge, zum langfristigen Vermögensaufbau oder für ihre Kinder.

In der Realität nahmen die Sparkassen für die Verträge „Prämiensparen flexibel“ dann aber oft „Zinsanpassungen“ vor, die nur per Aushang kommuniziert wurden – und freilich nicht immer zugunsten der Kundschaft ausfielen. Möglich machten dies spezielle Vertragsklauseln.

Diese „Gutsherrenart“, von der ein Richter sprach, stoppte nun der BGH in Karlsruhe. Für die Sparerinnen und Sparer müsse ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit gegeben sein. Dies kann – so auch ein Kern des Rechtsstreits – durch eine regelmäßige Neuberechnung der Zinsen erreicht werden.

Wurde zum Beispiel ein Sparvertrag mit einem Zinssatz von 3 % vereinbart, während der marktübliche Wert 4 % betrug, ergibt sich ein Verhältnis von 75 %. Dies muss dann über die Vertragslaufzeit beibehalten werden. Ändert sich der Marktzins, folgt automatisch auch die Anpassung des Vertragszinses.

Im Gegensatz zu einer solch fairen Praxis herrschten in den Verträgen aber oft schwer durchschaubare Passagen, was die Zinsberechnung anbetraf – zum Vorteil von Geldinstituten.

Sparer brauchen weiter viel Geduld

Der BGH fügt sich mit seiner Entscheidung in eine Reihe verbraucherfreundlicher Urteile ein, die Gerichte schon in den vergangenen Jahren gefällt hatten. Gegen die Leipziger Sparkasse hatten sich im aktuellen Verfahren etwa 1.300 Betroffene mit Verträgen aus den Jahren 1994 bis 2006 per Musterfeststellungsklage zusammengeschlossen – einem relativ neuen Instrument im deutschen Rechtssystem, das die Klärung grundsätzlicher Streitfragen für Verbraucher erleichtern soll.

Entsprechend dürfte das Urteil nun weitreichende Folgen über Leipzig hinaus mit sich bringen und tausende Verträge betroffen sein. Dennoch ist erst einmal weiter viel Geduld gefragt: Denn die Neuberechnung von Zinsen wurde in die Verantwortung des Oberlandesgerichts (OLG) in Dresden verwiesen, das dazu ein Gutachten heranziehen wird. Laut Verbraucherzentrale Sachsen muss mit einer weiteren Wartezeit von mindestens einem Jahr gerechnet werden.

Saftige Nachforderungen möglich – Leipziger Sparkasse reagiert verhalten

Lohnen könnte sich das lange Geduldsspiel unterm Strich dennoch: Denn laut Berechnungen der Verbraucherzentrale könnten im Schnitt Nachforderungen von 3.100 Euro pro Vertrag fällig werden – und im Zweifel droht sonst eine Flut von Individualklagen vor Gericht.

Die Leipziger Sparkasse reagierte auf die Niederlage vor Gericht verhalten und dämpfte zugleich mögliche Erwartungen. Das Urteil schaffe ein Stück Rechtssicherheit, sei aber noch keine abschließende Klärung von Ansprüchen und führe im Einzelfall nicht zwingend zu einer Auszahlung.

Leipzigs Sparkassen-Sprecher Johannes Friedemann betonte zudem, dass die Zinsen und Prämien aus den betroffenen Verträgen vorteilhaft für die Kundschaft waren, weil sie jahrelang über dem Marktniveau lagen. Zudem sei ein flexibler Zugriff auf das Geld möglich gewesen.

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