Unsere Landwirtschaft muss sich ändern und unser Verhältnis zur Landwirtschaft auch. Aber das tut es nur, wenn wir wissen, woher all das kommt, wovon wir uns ernähren. Und dazu entstehen immer neue Projekte, die auch jede Menge Unterstützung brauchen. So wie das Projekt KoLa Leipzig, das nahe Taucha entsteht. KoLa steht für Kooperative Landwirtschaft. Auf 32 Hektar Land vor den Toren Leipzigs in der Stadt Taucha wollen mehrere Engagierte zeigen, dass man gemeinsam viel besser ackern kann.

„Auf dem Land wollen wir ab Herbst 2020 biologisches Obst und Gemüse für bis zu 5.000 Menschen anbauen“, erzählt Eva Köhler, selbst ausgebildete Diplom-Agraringenieurin. „Gemeinsames Eigentum am Betrieb ist für uns zentral, daher haben wir uns als Rechtsform für die Genossenschaft entschieden. Das heißt, dann ist jedes Mitglied der Genossenschaft auch MiteigentümerIn am entstehenden KoLa Leipzig Hof, den Maschinen, den Blühstreifen, den Gewächshäusern, den Grabegabeln und den Apfelbäumchen.“

Aber so ein Projekt braucht eben viele Unterstützer, die dann zu Genossenschafts-Mitgliedern werden. „Ein gewaltiges Projekt also, welches weit über unsere bisherigen Erfahrungen aus anderen, bestehenden solidarischen Landwirtschaften hinausgeht“, sagt Eva Köhler. Deswegen haben die Initiatoren jetzt auch eine Umfrage gestartet, mit der sie herausfinden möchten, „wie das Ganze aussehen muss, damit wir möglichst viele Menschen erreichen. Konkret: Welches Angebot braucht ihr, damit ihr Lust bekommt bei uns mitzumachen?“

Die Umfrage haben wir unter dem Text verlinkt.

Wer aber sind die Initiatoren?

Neben Eva Köhler, die 2017 ihren Dipl.-Ing. für ökologische Landwirtschaft erwarb und seit Herbst 2018 im solidarischen Gemüsebaubetrieb „Rote Beete“ in Taucha angestellt ist, ist das auch der Gärtnermeister Jan-Felix Thon, der 2011 den solidarischen Gemüsebaubetrieb „Rote Beete“ in Taucha gründete. Dazu kommen noch Niels Horstrup, aufgewachsen auf dem väterlichen Gemüsebaubetrieb und ausgebildeter Gemüsegärtner mit Spezialisierung in Landtechnik, der ebenfalls schon bei der Roten Beete eG mitmacht, und Hanno Böhle, angehender MSc International Area Studies mit besonderem Interesse für Genossenschaften in der sozial-ökologischen Transformation. 2018 setzten sie sich zusammen, um das Projekt KoLa auf die Beine zu stellen.

Es ist also schon eine Menge Erfahrung da, eben insbesondere aus dem 2011 von Jan-Felix Thon gegründeten solidarischen Gemüsebaubetrieb Rote Beete in Taucha.

Die Rote Beete ist eine sogenannte „Solawi“ – dies ist die Kurzform für solidarische Landwirtschaft. Solidarische Landwirtschaft heißt: Landwirtschaftliche Produkte werden nicht für den freien Markt angebaut, sondern für einen festen Mitgliederstamm. Die Mitglieder zahlen Monatsbeiträge und helfen immer wieder auf dem Acker. Dafür bekommen sie im Austausch gesundes Gemüse direkt aus dem lokalen Umfeld von Leipzig.

Das Konzept funktioniert sehr gut, bestätigt Eva Köhler. Es gibt eine Warteliste für neue Mitglieder und die Teilhabenden sind begeistert.

Im Mai 2018 machte deshalb Bernd Klauer, ein Mitglied des Tauchaer Kirchenvorstandes, Jan-Felix Thon ein überraschendes Angebot: Und zwar fragte er, ob Jan-Felix 32 Hektar Land von der Kirche pachten möchte. 32 Hektar sind sehr viel Land. Zum Vergleich: Die Rote Beete bewirtschaftet gerade etwa 6 Hektar. Mit 32 Hektar ließen sich bis zu 5.000 Menschen mit frischem, ökologischem Obst und Gemüse versorgen.

„32 Hektar direkt bei Leipzig waren natürlich ein traumhaftes Angebot“, sagt Eva Köhler. „Nach Rücksprache mit dem Gärtner/-Innen Team der Roten Beete lehnten wir das Angebot dennoch zunächst ab. Das schien allen im Team eine Nummer zu groß und auch Jan-Felix war froh, nach dem Aufbau der Roten Beete erstmal wieder in ruhigeren Gewässer fahren zu können. Wir versuchten andere Menschen zu finden, welche sich der Fläche annehmen würden, haben niemanden gefunden und uns am Ende doch entschieden, das Angebot anzunehmen. Wir, das sind nun Jan-Felix Thon und Eva Köhler, welche sich als GärtnerInnen bei der Roten Beete kennenlernten. Wir wollen auf dieser Fläche einen neuen solidarisch wirtschaftenden Betrieb in größerer Dimension aufbauen. Dem Klimawandel, der Wasserknappheit im globalen Süden und dem hiesigen Artensterben etwas entgegensetzen und eine lokale, unabhängige Grundversorgung für Leipzig stärken! Der konkrete Entschluss hierzu kam übrigens im Gewächshaus beim gemeinsamen Tomaten hochbinden … Mittlerweile ist unser Team gewachsen auf insgesamt vier feste Personen und weitere enge, sehr engagierte und kompetente Unterstützer/-innen.“

Und was soll bis Herbst 2020 geschehen?

„Momentan arbeiten Jan-Felix Thon und Eva Köhler Vollzeit an dem Projekt, wir entwickeln das Betriebskonzept, akquirieren erste Gelder, beginnen mit der Öffentlichkeitsarbeit und suchen weitere UnterstützerInnen für die Gründungsphase. Im August 2019 wollen wir die Genossenschaft gründen – da uns gemeinsames Eigentum am Betrieb wichtig ist“, betont Eva Köhler. „Im Herbst 2019 ist eine erste kleinere Crowd-Funding-Kampagne geplant, zur Finanzierung des Bauantrags und weiterer Öffentlichkeitsarbeit. Im Frühjahr 2020 folgt dann eine groß angelegte Crowd-Invest-Kampagne in Leipzig, darüber sollen Direktkredite zum Aufbau der Hofstelle eingeworben werden. Im Herbst 2020 können wir auf das Land, ab dann möchten wir mit dem Aufbau der Richthalle, des Gewächshauses, dem Pflanzen von Hecken und dem Einsäen von Gründüngung beginnen.“

Und auch die üblichen Fristen müssen mitbedacht werden. Für den Gemüsebau beträgt die Umstellungszeit auf ökologische Bewirtschaftung 24 Monate.

„Ab dem Frühjahr 2022 können wir das Gemüse ökologisch zertifiziert vermarkten“, sagt Eva Köhler. „Für uns als Gemüse-Genossenschaft ist dies jedoch weniger relevant, da wir unsere Produkte nicht über den freien Markt vertreiben. Die Mitglieder können zudem vor Ort persönlich an den Produktionsprozessen teilhaben. Dieser direkte Kontakt erhöht natürlich enorm unsere Glaubwürdigkeit gegenüber den Konsument/-innen. Dafür benötigen wir jedoch ausreichend Mitglieder, die Lust haben, Teil von der Ernährungswende zu sein!“

Und welchen Einfluss werden die Mitglieder haben?

„KoLa Leipzig wird als Rechtsform eine Genossenschaft sein. Schon allein dadurch wird es einmal im Jahr eine Generalversammlung geben. Diese werden wir wahrscheinlich, sobald der Hof steht, mit dem Ernte-Dank-Fest kombinieren. Mitarbeit wird nicht verpflichtend sein, vielmehr möchten wir immer wieder spannende Ackereinsätze kombiniert mit Workshops oder Lagerfeuer initiieren“, gibt Eva Köhler einen Ausblick auf eine Landwirtschaft zum Mit-Erleben. „In zusätzlichen AGs zu speziellen Themen wie zum Beispiel ‚Naturschutz‘ können besonders Engagierte dann direkter an der Hofgestaltung teilhaben.“

Und schon jetzt hilft dabei Zuspruch von außen.

„Auf diese Ideen haben uns tatsächlich jetzt schon potentielle Mitglieder gebracht, nachdem wir hierzu einen Genossenschaftsworkshop im April 2019 organisiert haben“, so die KoLa-Sprecherin. „Wir hätten sonst wahrscheinlich an der verpflichtenden Mitarbeit festgehalten. Die Möglichkeiten der Technik und Digitalisierung wollen wir ebenso einbeziehen. Wir planen daher eine App zur Vereinfachung der Ernteverteilung, der Kommunikation und zur Erstellung von Umfragen. Beispielsweise könnten wir dann recht schnell ermitteln, ob die Mitglieder im Sommer lieber mehr Auberginen oder lieber mehr Tomaten haben wollen. Weitere Details zum Partizipationskonzept werden wir im Rahmen einer von der EU geförderten Projektmanagement-Stelle ab Herbst 2019 ausarbeiten.“

Aber gehört zu so einem großen Stück Acker nicht auch ein Bauernhof?

„Nein, es steht kein alter Bauernhof dahinter. Es ist sehr schwierig mittlerweile, in der Umgebung von großen Städten beides, Höfe UND Land zusammen vorzufinden“, so Eva Köhler. „Die Idee, einen Hof komplett neu aufzubauen, ist tatsächlich auch das ungewöhnlichste an unserem Projekt. Ob dies tatsächlich funktionieren kann, wissen wir noch nicht. Falls es funktioniert, wäre dies ein erstes deutschlandweites (wenn nicht sogar europaweites) Referenzprojekt mit Strahlkraft. Es steht noch viel Arbeit bevor, aber wir denken, die Zeit ist dafür reif.“

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