Zum Verständnis sei gesagt, nicht die Stadtwerke Leipzig pokern, sondern Bestandskundinnen und Bestandskunden müssten dies tun. Aufgrund der Preissteigerungen auf den Energiemärkten wurden Anfang 2023 die Preise für Bestandskunden massiv erhöht. So weit, so begründet. So stieg der Arbeitspreis für Strom, im Tarif L-strom.bestpreis von 23,14 ct/kWh auf mehr als das doppelte, also auf 51,17 ct/kwh. Der Grundpreis kletterte um 12,71 €/Jahr, auf 167,65 €/Jahr.

Der ebenfalls von den Stadtwerken Leipzig angebotene Onlinetarif „L-Strom.pur“ hat bei gleichem Verbrauch einen Arbeitspreis von 31,08 ct/kWh und einen Grundpreis von 157,68 €/Jahr.

Dieser Tarif wird Bestandskunden der Stadtwerke Leipzig nicht aktiv angeboten, teilweise auch nicht als Wechseloption im Kundencenter.

Eine Anfrage an den OBM

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellte dazu im März 2023 eine Anfrage an den OBM, mit dem Titel „Wann senken die Stadtwerke ihre Preise für Bestandskund/-innen?“.

Der Fokus der Anfrage lag zwar auf dem Gaspreis, beinhaltete aber auch die Strompreise. Wichtig dabei ist der erste Absatz:

„Vor einigen Tagen äußerte sich der Unternehmenssprecher der Stadtwerke, Frank Viereckl, zu der Frage, ob regionale Energieversorger angesichts sinkender Großhandelspreise im weiteren Jahresverlauf Senkungen ihrer Tarife an die Endkund/-innen weitergeben können. Er sehe dazu aktuell aufgrund der langfristigen Einkaufspolitik keine Möglichkeit und kündigte an, dass eine Preissenkung selbstverständlich weitergegeben würde, sollte sich dafür der Spielraum ergeben.“

Die Antwort auf die Anfrage steht nicht im frei zugänglichen Ratsinformationssystem, sie wurde nicht öffentlich behandelt.

Genug Grund für eine eigene Anfrage.

Informationen für Bestandskunden

Wir fragten: „Es wurde ein Schreiben an die Bestandskunden, zum weiteren Verlauf bzgl. der Energiepreisbremse, angekündigt. Wann erhalten die Bestandskunden dieses Schreiben?“

Die Antwort: „Seit Anfang April verschicken die Leipziger Stadtwerke die Abschlags-Informationsschreiben nach und nach an ihre Kundinnen und Kunden. Für Brillant- und Pur-Kunden sowie Kunden in der Grundversorgung sind die Aussendungen weitestgehend abgeschlossen. Die restlichen Tarife sind in Umsetzung – mit Ziel Fertigstellung 31. Mai 2023. Wichtig: Jeder Anspruchsberechtigte erhält seine Entlastung für die komplette Zeit in voller Höhe. Kunden müssen nichts weiter tun.“

Fazit: Kunden im Tarif L-Strom.Pur, deren Preis unter der Grenze von 40 ct/kWh liegt, wurden bereits über die Auswirkungen der Energiepreisbremse informiert. Wer einen Tarif hat, dessen Preis darüber liegt, muss warten.

Tarifwechsel

Wir fragten: „Für Bestandskunden (z.b. bestpreis) ist ein Wechsel zum Pur-Tarif möglich, eine Preissenkung jedoch nicht. Das ließe den Schluss zu, dass die SWL ihre Bestandskunden in den neuen Onlinetarif bringen will. Ist das der Fall?“

Die Antwort: „Das Angebot unserer digitalen PUR-Tarife orientiert sich am aktuellen Marktgeschehen und wird laufend aktualisiert. Durch einen Wechsel in den aktuellen Onlinetarif können unsere Bestandskunden direkt partizipieren. Damit wächst natürlich die Menge an Kunden in den rein digitalen PUR-Tarifen stetig an.“

Fazit: Ob der Onlinetarif gepusht werden soll, geht aus der Antwort nicht hervor.

Preissenkung wann?

Wir fragten: „Eine Preissenkung für die ‚alten‘ Bestandstarife ist, lt. Information auf der Website, wegen langfristiger Liefervereinbarungen nicht möglich. Welche Zeiträume betrifft dies und wie unterscheiden sich die Lieferverträge für die Altverträge und die Pur-Verträge?“

Die Antwort: „Für unsere Kundinnen und Kunden beschaffen wir notwendige Energiemengen langfristig, diese mussten wir auch letztes Jahr in der Hochpreisphase erwerben. Unsere Kunden haben daher im letzten Jahr auch von stabilen Preisen profitiert. Diese Kosten der Beschaffung im letzten Jahr wirken sich aber noch auf die Preise der aktuellen Energielieferverträge aus.

Dementsprechend können auch Kostensenkungen nur zeitverzögert weitergegeben werden. Zum 1. Januar 2023 haben Kunden in der Grundversorgung, in Bestpreis- und Alttarifen eine Preisinformation erhalten, diese gilt aufgrund der erfolgten Beschaffung und vorliegender Kosten i. d. R. für 1 Jahr (ausgenommen sind Steuern, Abgaben und Umlagen, deren Veränderung können auch unterjährig weitergegeben werden).

Kunden in PUR-Tarifen erhalten nach Auslaufen ihrer jeweiligen Preisstabilität eine Anpassung der Preise.“

Fazit: Etwas kompliziert ausgedrückt heißt das: „Die Bestandskunden in den Bestpreis- und Alttarifen“ zahlen die hohen Preise bis zum Jahresende 2023, es sei denn, dass sich Steuern, Abgaben oder Umlagen ändern. Nur diese können sich preissenkend oder -erhöhend bis dahin auswirken.

Kunden, die in den Pur-Tarif wechseln, haben für ein Jahr Vertragslaufzeit die Preisstabilität für den vereinbarten Preis.

Was folgt daraus?

Zuerst ist es schwer nachvollziehbar, warum die Antwort auf die Anfrage an den Oberbürgermeister nicht öffentlich ist. Eine eventuelle Ausnahme wäre die Frage Nr. 6, die sich auf Firmeninterna bezieht. Wir dürfen schließlich davon ausgehen, dass die Antworten auf die Anfrage und auf unsere Fragen übereinstimmen.

Ein Wechsel in den Pur-Tarif lohnt sich wahrscheinlich, ist aber besonders für ältere und nicht internetaffine Menschen eventuell schwierig. Es ist ein reiner Onlinetarif, ohne Internet geht da nichts. Problematisch ist auch, dass oft der Pur-Tarif nicht im Kundencenter als Wechseloption angezeigt wird.

Dann muss man von der Seite einen „Bildschirmabgriff“ (andere sagen Screenshot) machen und seinen Wechselwunsch mit diesem per Mail an den Kundenservice schicken. Wie es dann weitergeht, ist noch nicht bekannt.

Wer das nicht kann, muss warten, bis die Energiepreisgrenze greift und eventuell ab nächstem Jahr die Preise sinken.

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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