In der aktuellen LEIPZIGER ZEITUNG findet sich eine Geschichte „Weihnachtsgrüße von Unister“, in welcher neben jeder Menge Rückschlüsse auf das Geschäftsgebahren des verstorbenen Geschäftsführers Thomas Wagner auch ein wohl einzigartiger Vorgang beschrieben wird. Bis Weihnachten wird der Insolvenzverwalter von Unister, Dr. Lucas Flöther, von ehemaligen Geschäftspartnern des Leipziger Internet-Reise-Unternehmens eine ganze Menge Geld zurückverlangen. Doch, wie kann so etwas geschehen? Fragen an die Fachanwältin Sabine Fuhrmann von der Leipziger Kanzlei Spirit Legal.

Bis zu 100 Millionen könnte Flöther auf diesem Weg von ehemaligen Unister-Geschäftspartnern zurückholen, die Möglichkeit bietet ihm das deutsche Insolvenzrecht. Hierin ist festgelegt, dass niemand benachteiligt werden darf, der noch Geld von Unister erhalten müsste.

Sehr geehrte Frau Fuhrmann, dennoch: wie kann es passieren, dass ein Insolvenzverwalter Geld zurückfordert, welches man mal von Unister erhalten hat?

Der Insolvenzverwalter vertritt die Interessen aller Gläubiger des Insolvenzschuldners – also hier von Unister. Deshalb ist es seine Aufgabe, soviel Masse (also Geld, d. Red.) wie möglich zusammenzubringen. Neben dem noch vorhandenen Vermögen von Unister und Verkäufen von Firmenteilen prüft er deshalb, welche Zahlungen und andere Vermögensverfügungen des Schuldners rückgängig zu machen sind, ficht diese an und fordert den Gläubiger zur Rückzahlung auf.

Können Sie ein Beispiel nennen, welches verdeutlicht, wie die ehemaligen Geschäftspartner von Unister in eine solche Lage geraten konnten?

Der Schuldner zahlt – wenn auch schleppend – die Rechnungen seines größten Materiallieferanten. Bei einem Telefonat erklärt der Schuldner dem Lieferanten, dass er jeden frei verfügbaren Euro erhält, damit er keinen Lieferstopp verhängt. Notfalls müssten dann halt andere Gläubiger länger warten, das sei dem Schuldner dann egal… In einem solchen Fall sind die Voraussetzungen für eine vorsätzliche Benachteiligung erfüllt.

Das alles scheint ja bei Unister nun zu geschehen, da Insolvenzanwalt Lucas Flöther nach unseren Informationen davon ausgeht, dass Unister seit Ende 2014, spätestens seit Anfang 2015 „faktisch insolvent“ war. Es sollen gesamt 100 Millionen Euro zurückgefordert werden ua. von Google, TV-Stationen bis hin zu Reiner Calmund – was macht die Sache so besonders?

Wenn zwischen dem tatsächlichen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und dem Insolvenzantrag mehrere Monate oder sogar Jahre vergehen, dann können durchaus gewaltige Summen zusammenkommen, die der Insolvenzverwalter bei den Gläubigern im Wege der Insolvenzanfechtung zurückfordert. Aus den hier zurückgeforderten Summen lässt sich durchaus ableiten, dass ein mehr als stattliches Budget für Online Marketing ausgegeben wurde.

Das Titelblatt der Novemberausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG. Screen PDF
Das Titelblatt der Novemberausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG. Screen PDF

Kann es nicht auch sein, dass der Insolvenzverwalter „zu viel“ oder „zu wenig“ zurückfordert, also selbst nicht rechtmäßig handelt?

Verletzt der Insolvenzverwalter seine Pflichten, so haftet er dafür persönlich und muss den Beteiligten entstandene Schäden ersetzen, so sagt es § 60 Abs. 1 InsO. Damit steckt der Insolvenzverwalter durchaus in einer Zwickmühle. Ficht er nicht an, fehlen der Masse Vermögenswerte, von denen alle Gläubiger gleichsam profitieren würden.

Für diesen Quotenschaden muss der Insolvenzverwalter gegenüber den Gläubigern persönlich aufkommen. Macht er jedoch im Rahmen der Anfechtung von Gläubigern Rückzahlungsansprüche geltend, ohne dass diese bestehen und entsteht dem Gläubiger dabei ein Schaden, dann muss der Insolvenzverwalter auch hierfür persönlich einstehen.

Nun ist es dennoch schwierig zu „wissen“, dass der Geschäftspartner eigentlich insolvent ist?

Ob der Gläubiger schon vor dem Insolvenzantrag wusste oder davon ausgehen musste, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wird vom Insolvenzverwalter für jeden Gläubiger gesondert geprüft, z. B. anhand von Vereinbarungen und Korrespondenz: Zahlungserinnerungen, Stundungsvereinbarung, Umstellung auf Vorkasse etc. sind dabei gewichtige Indizien, an denen sich der Insolvenzverwalter orientiert.

Dabei ist also nicht einmal eine, sagen wir mal „positive Kenntnis“ des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit erforderlich?

Nach § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

Dabei wird diese Kenntnis des Zahlungsempfängers vermutet, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung andere Gläubiger benachteiligte.

Vielen Dank für die Ausführungen.

Die ganze Geschichte findet sich in der aktuellen LEIPZIGER ZEITUNG, welche seit 24. November 2017 hier in Leipzig (neben Presseshops & am Bhf.) zu kaufen ist. Oder hier zu abonnieren.

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