Zwei Versuche war es ja wert, nun – nach immerhin 25 Jahren – mal rauszubekommen, mit welchen Summen eigentlich 1993 der Neubau der LVZ-Druckerei in Stahmeln gefördert wurde. Eigentlich müsste ja so etwas zur Transparenz einer Demokratie gehören. Denn es sind ja Steuergelder, die da ausgereicht werden, um Unternehmen beim Neustart zu helfen. Aber es ist genau der Punkt, an dem unsere Gesellschaft sich in Nebelgrau auflöst. Immer noch.

Dass der Neubau der LVZ-Druckerei mit staatlicher Unterstützung möglich wurde, ist nicht strittig. Das 350 Millionen D-Mark teure Gebäude war, als es 1993 unter großem Pomp eröffnet wurde, die größte Zeitungsdruckerei der Neuen Bundesländer.

Aber die erste Anfrage der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat lief ins Leere. Auf die Frage „Welche städtischen Mittel sind seit 1993 in Investitionen und Technik der LVZ-Druckerei geflossen?“ antwortete das Leipziger Wirtschaftsdezernat am 28. November kurz und knapp: „Es sind keine städtischen Mittel geflossen.“

Im Sächsischen Landtag hat die Abgeordnete der Linksfraktion Juliane Nagel die entsprechenden Fragen gestellt.

Doch Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) lehnte eine Antwort auf ihre Anfrage ab: „Einer Beantwortung stehen Rechte Dritter im Sinne des Artikel 51 Absatz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen entgegen.“

In besagtem Absatz der Verfassung heißt es: „Die Staatsregierung kann die Beantwortung von Fragen ablehnen, wenn diese den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berühren oder einer Beantwortung gesetzliche Regelungen, Rechte Dritter oder überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegenstehen.“

Die Rechte Dritter wären jetzt die der Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft. Aber das sah die EU schon lange anders. In der EU sieht man das ganze Themenfeld Beihilfe anders. Denn es gibt keinen objektiven Grund, warum Regierungen ihre finanziellen Beihilfen für Unternehmen verschleiern sollten. Wenn sie rechtmäßig handeln, können sie diese Beihilfen begründen. Dann können sie auch offenlegen, warum sie welches Unternehmen finanziell unterstützt haben. Und für 1993 hat das zumindest eine Basis: Damals ging es ja tatsächlich um die wirtschaftliche Stabilisierung des Ostens. Da zählte jeder Arbeitsplatz.

Aber Martin Dulig sieht keinen Anlass, die Europäische Transparenzrichtlinie auch auf diesen Fall anzuwenden. Aus Sicht der sächsischen Staatsregierung bleibt jede Förderung vor Inkrafttreten dieser Richtlinie weiterhin unter Verschluss.

Duligs Antwort: „Die Staatsregierung lehnt die detaillierte schriftliche Beantwortung der Frage über gewährte Zuschüsse bis 31. Dezember 2006 nach Art. 51 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung ab. Die Beantwortung ließe Rückschlüsse auf die Förderung konkreter Unternehmen zu. Detaillierte Angaben zu Förderungen an einzelne Unternehmen fallen unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis.

Die Offenbarung des Erhalts von Fördermitteln und damit von Informationen über die finanzielle Situation des Unternehmens beziehen sich auf dessen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und könnten wettbewerbliche Nachteile erbringen. Für Unternehmen besteht damit ein sachlich begründetes Geheimhaltungsinteresse, das durch Rechtsnormen (§ 203 Abs. 2 StGB und § 30 Verwaltungsverfahrensgesetz) vor unbefugter Offenbarung geschützt wird.“

Es ist genau die Art Begründung, die die EU-Kommission nicht mehr akzeptiert hat. Öffentliche Förderung hat nichts mit schützenswerten Betriebsgeheimnissen zu tun, sondern gehört gerade aus öffentlichem Interesse auch in die Öffentlichkeit. Ist die Förderung eines Unternehmens im öffentlichen Interesse, dann sollten Regierungen gut begründen können, warum die Förderung in welcher Höhe erfolgte.

Was Dulig durchaus weiß. Denn er betont: „Durch Inkrafttreten der Europäischen Transparenzrichtlinie sind die Mitgliedsstaaten erst seit 1. Januar 2007 berechtigt, über die Verwendung der Mittel Auskunft zu erteilen. Das o. g. Unternehmen hat seither weder Fördermittel beantragt noch erhalten.“

Wohin aber kommen Regierungen, die offenlegen müssen, welche Unternehmen sie mit welchen Geldern gefördert haben? Gefährden sie den Wirtschaftsstandort? Mit gewisser Wahrscheinlichkeit eben nicht. Im Gegenteil. Sie werden dazu gebracht, über ihre Förderpolitik transparent zu berichten und zu begründen, was sie aus welchen nachvollziehbaren Gründen gefördert haben.

Das zwingt zu einer nicht nur transparenten, sondern auch durchdachten Wirtschaftspolitik. Und es nimmt die Entscheider über die Geldzuwendungen in die Pflicht. Es zwingt zu mehr Augenmaß, gerade dann, wenn eine Förderung sichtlich nicht mit gesellschaftlichen Gründen erklärt werden kann. Und es beseitigt das Dunkelfeld für Vermutungen, die natürlich anwachsen, wenn die Modalitäten und Höhen von Fördergeldvergaben in einem Land wie Sachsen nicht offengelegt werden.

Ein bisschen Weihnachten: Wie die LVZ-Druckerei-Belegschaft den Madsack-Verlag zum Einlenken bewegte

Ein bisschen Weihnachten: Wie die LVZ-Druckerei-Belegschaft den Madsack-Verlag zum Einlenken bewegte

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Die Anfragen, verbunden mit den Jahreszahlen, sind etwas verwirrend.

1990 entstanden die Leipziger Druck & Buchbinderei GmbH i.A. aus der Druckerei und die Leipziger Volkszeitung GmbH i.A. aus dem Verlag, durch die Treuhandanstalt.
Als neuer Eigentümer die Zeitungsdruckerei Leipzig GmbH & Co. KG (ZDL), zunächst mit einer Kommanditeinlage von 100.000 DM.
Nach endgültigem Vertrag mit der Treuhand und kartellrechtlicher Zustimmung,
wurden die Einlagen am 2.8.1991 durch die beiden Gesellschafter Axel Springer und Madsack auf je 5.000.000 DM erhöht,
am 18.2.1992 erfolgte eine weitere Erhöhung auf jeweils 20.000.000 DM also insgesamt eine Einlage von 40.000.000 DM und der Name des Unternehmens wurde in Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & Co. KG(LVDG) geändert.
(Die Axel Springer Anteile wurden Anfang 2009 von Madsack gekauft.)

Die Frage nach der Förderung seit 1990 betrifft ja dann wohl auch die Treuhand-Akten.
Der Umsatz betrug Ende 1991 bereits 199,5 Mio. DM, wohl 16 Mio. DM mehr als die Treuhand erwartet hatte.
[lt. Geschäftsbericht Madsack 1991 in Steffen Reichert:Transformationsprozesse. der Umbau der LVZ.LIT Verlag Münster 2002, S.221 (*)]

“Um aber vor allem die drucktechnische Qualität des Hauptproduktes LVZ endlich zu verbessern, musste langfristig eine moderne Druckerei errichtet werden. Mit einem Investitionsvolumen von ca. 315 Millionen DM wurden in Leipzig-Stahmeln zwischen September 1991 und der offiziellen Einweihung am 4. Mai 1993 die Voraussetzungen für die LVZ geschaffen, um sich als Erstanbieter im Markt zu behaupten. Drei 48-seitige und zwei 64-seitige Offset-Zeitungsrotationsmaschinen und eine weitestgehend automatisierte Packerei waren für den Druck von LVZ, Dresdner Neuesten Nachrichten und mehreren Ausgaben der Ostausgabe von »Bild« sowie »Bild am Sonntag« geplant und wurden auch eingebaut.”
[Steffen Reichert:Transformationsprozesse. der Umbau der LVZ.LIT Verlag Münster 2002, S.222]

Also, die LVDG gibt es erst seit 1992 und die Frage “ab 1993” schließt den Stahmelner Neubau aus..

“Seit 1999 arbeitet die Redaktion der LVZ in einem neuen Gebäude am Leipziger Peterssteinweg 19. Es entstand für etwa 50 Millionen D-Mark durch eine vollständige Sanierung des in der Nachkriegszeit gebauten Druckerei- und Verlagsgebäudes.”
wäre dann die nächste Investition lt. Wikipedia zur LVZ.

Und die Druckmaschinen wurden 2006 durch neue ersetzt:
“Im Jahr 2006 wurden die [5] alten Druckmaschinen des Typs Colorman 35 verkauft und eine neue Rotation mit [2] Maschinen des Typs KBA Commander der Firma Koenig & Bauer AG Würzburg eingerichtet. Mit dieser 30 Millionen Euro teuren Investition wurde eine durchgehend farbige Vierbuchproduktion möglich.”
ebenfalls lt. Wikipedia zur LVZ.

Also, scheint die Anfrage um eine eventuelle Förderung der 30 Millionen Euro zu gehen?

In Sachsen-Anhalt gab es Anfang 2017 eine neue Druckmaschine für die MZ Druckereigesellschaft mbH der DuMont Mediengruppe. Hier ist dann auch ausführlich erläutert, wozu man die neue Technik braucht:
https://www.mz-web.de/wirtschaft/impuls-fuer-die-zukunft-mitteldeutsche-zeitung-nimmt-neue-drucktechnik-in-betrieb-25566300

Aber nicht, ob da was gefördert wurde..

Interessant ist auch der Stellenabbau:
“Die am Jahresende 1990 insgesamt 990 angestellten Mitarbeiter von Redaktion, Verlag und Druckhaus wurden nicht nur weiterbeschäftigt, das Leipziger Verlagshaus stellte zusätzliche Arbeitnehmer ein: Ende 1991 standen 1.122 Mitarbeiter aus Redaktion, Verlag und Technik bei dem Unternehmen in Lohn und Brot.”
[Steffen Reichert:Transformationsprozesse. der Umbau der LVZ.LIT Verlag Münster 2002, S.221]

*)Google-Vorschau:
https://books.google.de/books?id=NHy7IrgHMdEC&pg=PA221&lpg=PA221&dq=Druckerei+der+Leipziger+Volkszeitung+1992

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