Eigentlich gab es gar keinen Grund zu einer Debatte, als am 15. Mai – endlich – die Vorlage des Wirtschaftsdezernats zur (neuen) Clusterstrategie der Stadt zur Abstimmung kam. Leipzig hatte zwar schon eine. Aber die war schon vor fünf Jahren deutlich veraltet, als die Linksfraktion den Antrag stellte, die Clusterstrategie zu evaluieren. Das hat gedauert. Ziemlich lange, wie Linke-Stadträtin Olga Naumov betonte. Die so recht nicht verstand, warum sich auch Grünen-Stadträtin Paula Piechotta zu Wort gemeldet hatte.
Aber der war wichtig, den oft genug vergessenen Zusammenhang zwischen einer guten wirtschaftlichen Entwicklung und der Zustimmung der Bürger zur Demokratie zu betonen. Gerade an einer funktionierenden Wirtschaft und dem damit verfügbaren Wohlstand messen viele Wählerinnen und Wähler das Funktionieren von Demokratie. Das ist zwar sehr eng gedacht. Aber ganz offensichtlich reagieren viele Menschen genau so – und verändern damit gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten auch die Wahlergebnisse.
Leipzig hat jetzt ziemlich genau 20 Jahre einer erfolgreichen Wirtschaftsentwicklung hinter sich, die mit sinkenden Arbeitslosenzahlen, wachsender Beschäftigung und wachsenden Steuereinnahmen einhergingen. Aber die Steuereinnahmekraft Leipzigs liegt noch immer weit unter der von vergleichbaren westdeutschen Städten wie Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart, ist pro Kopf nicht einmal halb so hoch.
Das verengt die finanziellen Spielräume der Stadt gewaltig. Weshalb das Wirtschaftsdezernat in seiner Vorlage auch betont: „Um sich die jährlichen Gemeinwohlausgaben von >2,4 Milliarden EUR weiterhin leisten zu können, braucht Leipzig mehr wirtschaftliche Aktivität. Derzeit erwirtschaftet die Stadt Leipzig ca. 43 Prozent der Gemeinwohlausgaben aus Steuern und örtlichen Aufwandssteuern. Aus den gemeindlichen Anteilen an Gewerbesteuer, Einkommenssteuer und Umsatzsteuer hat Leipzig 2023 ca. 890 Mio. EUR eingenommen.
Das Ziel der Wirtschaftsförderung ist daher, die Steuereinnahmen von Unternehmen und Beschäftigten für den städtischen Haushalt langfristig zu steigern.
Ziel ist, ein Wachstum um 50 % gegenüber 2023 bis zum Jahr 2035 für die Summe der gemeindlichen Anteile aus Gewerbesteuer, Einkommenssteuer und Umsatzsteuer, von 890 Mio. EUR auf 1.300 Mio. EUR, davon allein Wachstum der Gewerbesteuereinnahmen auf 900 Mio. EUR p. a. (also ca. 3 % p. a.).
Daher muss die Stadt ihre Wettbewerbsfähigkeit noch entschlossener stärken.“
Denn was passiert, wenn diese finanziellen Spielräume fehlen, zeigen die aktuellen, harten Diskussionen um den Leipziger Haushalt für die Jahr 2025/2026. Aber wirtschaftliches Wachstum gibt es nur, wenn jene Branchen gezielt gefördert werden, die in den nächsten Jahren tatsächlich zusätzliches Wachstum und damit auch neue, gut bezahlte Arbeitsplätze versprechen.
„Die Clusteranalyse zeigt, dass eine Fokussierung der Wirtschaftsförderung auf wachstumsrelevante Branchen positiv zu Beschäftigung und Wertschöpfung in Leipzig beigetragen hat. Cluster haben sich unterschiedlich entwickelt. Und auch in der Zukunft sind deren Chancen verschieden. Bedarf und Einwirkungsmöglichkeiten unterscheiden sich stark“, schreibt das Wirtschaftsdezernat dazu.
„In den Clustern Biotechnologie und Gesundheitswesen, Energie und Umwelttechnik sowie in der IT findet Forschung und Entwicklung hier statt, z.T. in Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen und zum anderen treiben auch die Unternehmen Innovationen voran und kooperieren.
Andere Cluster entwickelten sich ebenso positiv und prägen allein dank ihrer Größe und Wirtschaftskraft die Stadt, z.B. Automotive und Tourismus. Weitere sind wichtige Dienstleister und bilden ein AlleinstellungsÂmerkmal, mit denen sich der Wirtschaftsstandort Leipzig von anderen abhebt, wie über die Medien- und Kreativwirtschaft und Logistik.“
Drei Innovationscluster
Dass die Clusterstrategie jetzt drei Innovationscluster benennt, auf die in den nächsten Jahren ein besonderes Augenmerk gelegt werden soll, begrüßten Paula Piechotta und Olga Naumov besonders. Das sind konkret die Digitalwirtschaft, Life Sciences und Green Tech. Alle drei Cluster, in denen man in der Regel eine gute Ausbildung braucht. Was die Bildungspolitik in den Fokus rückt, die in Sachsen auch nach Jahren der Diskussion ein Problem ist.
Noch immer bleiben viel zu viele junge Menschen auf ihrem Bildungsweg stecken. Sie sind diejenigen, die dann in eher unqualifizierten und prekären Jobs landen und die ersten sind, die in der Konjunkturflaute entweder gekündigt werden oder gar nicht erst eingestellt.
Das ist ein Problem, um das sich Leipzig dringend kümmern müsse, betonte Olga Naumov. Über 13 Mitarbeiter des Wirtschaftsdezernats kümmern sich direkt um die Clusterförderung. Und speziell in die drei Innovationscluster sollen in den nächsten beiden Jahren 1,4 bzw. 1,6 Millionen Euro zur direkten Förderung investiert werden.
Und tatsächlich gab es über das von Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke vorgelegte Papier überhaupt keinen Dissens. Im Gegenteil. Schon im Fachausschuss gab es ein einhelliges „ja“ zum Papier. Weshalb sich Ausschussvorsitzender Andreas Geisler, Stadtrat der SPD, darüber wunderte, dass es überhaupt noch Redebeiträge gab. Aber manchmal müssen Dinge auch öffentlich noch einmal gesagt werden. Gerade bei einem Thema, das für gewöhnlich nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wird.
Am Ende stimmten 60 Stadträtinnen und Stadträte der Vorlage zu. Niemand stimmte dagegen. Jetzt kann man schauen, ob Leipzigs neue Förderstrategie funktioniert und neues Wachstum gerade in den Innovationsbranchen auslösen kann.
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