Dass Leipzigs Stadtwerke jetzt versuchen, den Fertigstellungstermin für ihr neues Gaskraftwerk etwas „nach hinten raus“ zu verschieben und damit den Ausstiegstermin 2023 nicht mehr schaffen können, hat auch ganz pragmatische Gründe, wie Dr. Gerd Lippold, energie- und klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, feststellt. Es geht dabei auch um wichtige Fördermittel.

„Obwohl insbesondere die sächsische CDU im Interesse von LEAG und MIBRAG aus vollen Rohren gegen einen Leipziger Kohleausstieg geschossen hat, bleibt es dabei: Sachsens größte Stadt will und wird aus der Kohle aussteigen, und zwar so schnell wie möglich. Der Leipziger Ersatz für die bisher aus dem Braunkohlenkraftwerk Lippendorf bezogene Fernwärme wird gebaut. Vor allem dagegen hatte die sächsische CDU geschäumt“, macht Lippold noch einmal den großen Bogen auf. Völlig gegen alle klimapolitische Vernunft hat Sachsens Staatsregierung in den letzten Jahren immer Politik für die beiden Kohlekonzerne gemacht, hat gar behauptet, die Kohlekraftwerke könnten noch weit übers Jahr 2040 hinaus laufen.

Fürs Klima wäre das eine Katastrophe.

Dabei haben die Kommunen längst begriffen, dass sie sich nicht mehr von der Kohle abhängig machen dürfen. Reihenweise arbeiten sie auch in Sachsen daran, sich in dieser Frage autark zu machen.

In Leipzig passte das so gut zusammen, denn 2022 werden die jetzt gültigen Lieferverträge für Fernwärme aus dem Kraftwerksblock der LEAG in Lippendorf auslaufen. Aber es gab noch einen anderen Grund, 2023 als Ausstiegsjahr zu setzen.

„Die gesetzlichen Rahmenbedingungen schienen zunächst ein enges Zeitfenster für die optimale Förderung eines Gaskraftwerks mit Kraft-Wärme-Kopplung bis zum Jahresende 2022 zu setzen“, benennt Lippold diesen Grund. „Sie bleiben aber auf Bundesebene sehr wahrscheinlich länger günstig. Das ist notwendig, um die Empfehlungen der Kohlekommission zum Kohleausstieg auch mit den nötigen Ersatz- und Reservekapazitäten zu untersetzen. Somit kann diese Leipziger Investition in der erforderlichen Gründlichkeit geplant und umgesetzt werden, statt in großer Eile wegen Verschlechterung von Förderbedingungen übers Knie gebrochen zu werden.“

So ungefähr scheinen es auch die Planer der Stadtwerke Leipzig zu sehen.

„Nun kommt es darauf an, dafür zu sorgen, dass der 2023 auslaufende Fernwärme-Liefervertrag der letzte langfristige Liefervertrag mit der Braunkohle bleibt. Einen Folgevertrag mit langjähriger, fester Laufzeit darf es nicht mehr geben“, benennt Gerd Lippold das Problem, vor dem jetzt auch die Leipziger Stadtwerke stehen.

„Denn eine fortgesetzte Bindung der Stadt Leipzig an die Braunkohle im Süden von Leipzig ist nicht nur klimapolitisch problematisch, sondern auch eine sehr unsichere Option. Niemand kann heute sagen, wie lange die Betreiber des Kraftwerks Lippendorf bei steigenden CO2-Preisen im Geschäft bleiben. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer wird zwar nicht müde, immer wieder zu behaupten, der Betrieb der sächsischen Braunkohlekraftwerke sei mit dem Kompromiss der Kohlekommission bis zum 31.12.2038 gesichert. Doch das ist ein absurdes Zerrbild des Kompromisses.“

Denn 2038 soll nach diesem Kompromiss das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Alle anderen sollen schon vorher nach und nach den Betrieb aufgeben. Einen Zeitplan für diese Reihenfolge gibt es noch nicht.

„Tatsächlich hat die Kommission eben nicht beschlossen, die Kohleverstromung noch bis 2038 laufen zu lassen. Sie hat im Gegenteil empfohlen, die Kohleverstromung bis spätestens 2038 zu beenden. Es gibt keinerlei Bestandsgarantie und keinerlei garantiertes Geschäftsmodell für die Braunkohleverstromung bis dahin“, betont Lippold. „Die Zeiten von Politbüro-Entscheidungen sind vorbei. Politische Wunschvorstellungen aus der sächsischen Staatskanzlei interessieren am Strommarkt nicht. Die Kohleverstromung in der Bundesrepublik endet dann allerspätestens 2038, wenn sie nicht aus ökonomischen Gründen bereits viel früher endet.“

Und diese ökonomischen Gründe kommen nicht nur mit dem CO2-Preis auf den Tisch, sondern auch mit der Strompreisentwicklung an den Strombörsen, wo Strom aus Erneuerbaren Energien inzwischen preiswerter ist als der hochsubventionierte Strom aus Kohlekraftwerken. Wenn Kohlestrom aber nicht mehr verkäuflich ist, werden die Betreiber zwangsläufig ihre Kraftwerkskapazitäten reduzieren.

„Ein Kohlekraftwerk läuft dann und nur dann, wenn es hinsichtlich seiner Emissionen genehmigungsfähig ist und wenn es sich am Strommarkt wirtschaftlich rechnet. Die Genehmigungsfähigkeit von Lippendorf steht angesichts neuer europäischer Grenzwerte bereits in den nächsten zwei Jahren infrage, wenn nicht teuer nachgerüstet wird. Und hinter der Wirtschaftlichkeit steht ein noch größeres Fragezeichen, wenn spätestens in der zweiten Hälfte der 2020iger echte Knappheitspreise am CO2-Zertifikatemarkt erwartet werden“, benennt Lippold die simplen Kenngrößen, die über die Rentabilität des Kraftwerks entscheiden.

„Es kann also aus wirtschaftlichen Gründen sehr viel schneller mit der Braunkohle im Süden von Leipzig zu Ende gehen, als die Kohleunternehmen und ihre Unterstützer in der Politik heute behaupten. Es ist deshalb eine Frage der verantwortlichen Daseinsvorsorge in der Großstadt Leipzig, sich keinen Tag länger als unbedingt nötig an diese unsichere Wärmequelle zu binden. Dasselbe gilt für die Schaffung neuer Möglichkeiten der kommunalen Klärschlammentsorgung. Denn auch hier besteht heute über die Klärschlamm-Mitverbrennung im Kraftwerk Lippendorf eine Bindung an den klimapolitisch fragwürdigen und energiewirtschaftlich nicht mehr notwendigen Betrieb des Braunkohle-Großkraftwerks.“

Stadtwerke wollen mit der LEAG über eine Verlängerung der Lieferverträge aus Lippendorf verhandeln

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