Es scheint fast schon wieder Geschichte zu sein: 2018 fieberten die Leipziger mit beim Kampf der Mitarbeiter von Halberg Guss gegen die Schließung ihres Werkes, das beim großen Zoff zwischen dem Autobauer VW und seinem Zulieferer Prevent zwischen die Mahlsteine geraten war. Dabei beliefert das Werk nicht nur den Autobauer. Die Produktion läuft bis heute. Die Kunden sind dem Werk treu, auch wenn das Insolvenzverfahren jetzt in die heiße Phase kommt. Denn jetzt ist ein Investor gefragt, der es wirklich ernst meint.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gusswerke Leipzig GmbH ist wie geplant zum 1. Januar 2020 eröffnet worden. Das Amtsgericht Leipzig bestellte den Rechtsanwalt Rüdiger Bauch von Schultze & Braun zum Insolvenzverwalter. Zuvor war Bauch vorläufiger Insolvenzverwalter.

Der Geschäftsbetrieb läuft auch nach Eröffnung des Verfahrens stabil und ohne Einschränkungen, so wie bereits in den Wochen nach dem Insolvenzantrag des Automobilzulieferers im Oktober 2019, stellt Rüdiger Bauch fest: „Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter stehen trotz aller Schwierigkeiten aus der Vergangenheit zu dem Unternehmen und unterstützen die Sanierung mit Kräften. Wir arbeiten zusammen mit Hochdruck daran, eine klare Zukunftsperspektive für die Gusswerke zu entwickeln.“

Bauch startete noch im Dezember eine zielgerichtete Suche nach möglichen Investoren für den Hersteller von Großgussteilen für LKW und Arbeitsmaschinen. Das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers spreche derzeit weltweit potentielle Übernehmer für die Gusswerke an.

„Ich verspreche mir von diesem Prozess, dass wir innerhalb der kommenden Wochen mit Interessenten eine Übernahme möglichst rasch endverhandeln und mit den Gläubigern abstimmen können. Ich wünsche mir für die Mitarbeiter und Geschäftspartner, dass wir schon bald konkrete Aussagen darüber treffen können, wie es mit den Gusswerken auf einem möglichst stabilen Fundament in die Zukunft gehen kann. Dafür stehen wir in engem Austausch mit allen Beteiligten“, sagt Bauch.

In enger Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Axel Matthei analysiert Bauch derzeit das Unternehmen und setzt interne Sanierungsmaßnahmen um. Die Fehler des Managements der vormaligen Gesellschaft, die zu einem wochenlangen Streik auch mit Folgen für die Kunden geführt haben, haben bei den Gusswerken Leipzig Spuren hinterlassen, bestätigt Bauch. „Der Umsatz des Unternehmens ist deutlich zurückgegangen. Das müssen wir im Zuge der Sanierung nun auffangen und die Gusswerke entsprechend anpassen.“

Daher seien Unternehmensführung und Insolvenzverwalter in Absprache mit dem Betriebsrat gezwungen, knapp 100 Beschäftigten zu kündigen. Die Kündigungen betreffen alle Bereiche des Unternehmens.

„Sie tun uns sehr weh, denn wir verlieren wertvolle Mitarbeiter, die wir gerne gehalten hätten. Aber diese Maßnahme ist unumgänglich, um das Unternehmen und die verbleibenden rund 400 Arbeitsplätze stabilisieren und sichern zu können. Gleichzeitig wollen wir den Betroffenen den Übergang so erträglich machen, wie es uns in dieser Situation möglich ist“, sagt Bauch. Mit dem Betriebsrat verständigten sich Geschäftsführung und Insolvenzverwalter daher auf einen Interessensausgleich und einen Sozialplan.

Mit großem Bedauern nimmt entsprechend die IG Metall Leipzig die Kündigung von rund 100 Beschäftigten der Gusswerke Leipzig durch die Unternehmensführung und dem Insolvenzverwalter Rüdiger Bauch zur Kenntnis.

„Das tut uns sehr weh. Schließlich haben wir gemeinsam 49 Tage im Sommer 2018 gestreikt und seitdem ununterbrochen für den Fortbestand des Unternehmens gekämpft, das bereits zum 1. März 2019 vor dem Aus stand“, erinnert sich Bernd Kruppa, erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig.

Trotz intensiver Bemühungen ist es den Beteiligten in den vergangenen Monaten freilich nicht gelungen, die Finanzierung einer Qualifizierungsgesellschaft sicherzustellen, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Wichtige Kunden hätten dennoch ihre Zusagen über die Beteiligung an den Restrukturierungskosten des Unternehmens nicht aufrechterhalten.

Nach Abschluss eines Interessenausgleiches und Sozialplanes durch Betriebsrat, Geschäftsführung und Insolvenzverwalter will sich die IG Metall Leipzig in Kooperation mit der Arbeitsagentur auf die rasche und angemessene Vermittlung jener Beschäftigten konzentrieren, die nicht in das Rentenalter übergehen können.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum 1. Januar 2020 sieht die IG Metall freilich gute Chancen für die langfristige Sicherung des Unternehmens. Die derzeitige wirtschaftliche Lage sei stabil. Kunden und Lieferanten hielten zu den Gusswerken.

„Auch der Gesprächsstand mit möglichen Investoren zur Übernahme der Traditionsgießerei stimmt zuversichtlich“, so Kruppa weiter. IG Metall und Betriebsrat wollen die notwendigen Sanierungsmaßnahmen weiterhin begleiten und an der Entwicklung von Zukunftsperspektiven des Standortes mitarbeiten.

Streik bei Neue Halberg Guss gegen Prevent und VW: David gegen zweimal Goliath + Video

Streik bei Neue Halberg Guss gegen Prevent und VW: David gegen zweimal Goliath + Video

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. November 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 400 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar