Im Grunde gab es die ersten Zeichen eines Richtungswechsels bereits am Rande der gestrigen Stadtratssitzung. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hatte in einem Redebeitrag am 15. März 2023 bereits Mut zur Hoffnung gemacht, was die Zukunft des „Galeria Kaufhof“-Standortes in Leipzig betrifft. Heute nun schob Ver.di eine echte Erfolgsmeldung nach: „Schließung von Galeria Karstadt Kaufhof Leipzig abgewendet“, meldet die Gewerkschaft. Ein Satz noch ohne Fundament.

„Ich bin (…) mit dem Kaufhof-Vorstand im Gespräch“, so der Leipziger OBM am gestrigen Mittwoch und seinem „gewissen Optimismus, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist“. Auch der Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke (CDU) habe sich bereits in Gespräche begeben, sei in „intensiven Gesprächen mit dem Vorstand“ des Unternehmens, welche aufgrund der „nicht genau durchschaubaren Eigentümer-Struktur“ nicht einfach seien.

Genau mit dieser Struktur und den dahinter lauernden Risiken auch für die Zukunft hatte sich die LZ gestern befasst. Was die Nachrichten des heutigen Tages zwar nicht minder positiv, so doch für die weitere Zukunft noch nicht wirklich glücklich machen können.

Zuerst einmal hatte heute der ver.di Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen allen Grund zur Freude, für die immerhin 170 betroffenen Mitarbeiter am Standort Leipzig zumindest aktuell Entwarnung geben zu können. „Unsere Gespräche mit der Stadt Leipzig und mit Verantwortlichen aus der Landes- und Bundespolitik haben erheblich zu diesem Erfolg beigetragen“, so ver.di Landesfachbereichsleiter Torsten Furgol.

Neben Leipzig seien auch die Filialen in Bayreuth, Erlangen, Oldenburg und Rostock nunmehr wieder „von der Schließungsliste genommen“ worden. Damit erhöht sich der Bestand an zu erhaltenden „Galeria Karstadt Kaufhof“ (GKK)-Filialen der „Signa-Gruppe“ um den österreichischen Investor René Benko auf 82 von 129. Und damit auch die Zahl der Standorte, wo echte Zukunftspläne und entsprechende Investitionen hermüssen.

Denn die Mahnung auch vonseiten Ver.di benennt eines der eigentlichen Probleme, die dazu führten, dass das offenbar mit Rendite laufende Haus am Neumarkt 1 überhaupt auf diese Liste kam. „Nun muss es darum gehen, dass das Management endlich ein tragfähiges zukunftsorientiertes Warenhauskonzept auf den Tisch legt“, so Ver.di in einer Pressemitteilung weiter.

Der Umbauplan für Berlin und andere Standorte liegt jedoch für die Gläubigerversammlung am 27. März 2023 bereits auf dem Tisch: Luxussanierungen, Themenkaufhäuser als Attraktionen an sich oder/und eine Fokussierung des Angebotes weg vom allgemeinen Warenhaus hin zum Spezialanbieter in Warengruppen wie „Bekleidung, Schönheitspflege und Wohn-Accessoires“ (T-Online).

Genauere Informationen jedoch, was nun mit dem, für Warenhauszeitalter als Neubau zu bezeichnenden Gebäude in der Leipziger Innenstadt werden soll, liegen noch nicht vor. Überhaupt ist es schon eher als sehr dubios einzuschätzen, wenn ein Milliardengebilde wie „Galeria Karstadt Kaufhof“ (GKK) erst mit einer heftigen Streichliste auftritt, um diese gefühlt binnen Stunden mal eben wieder umzuwerfen.

Oder um es mit den Worten von Ver.di-Gewerkschafter Torsten Furgol zu sagen: „Es kann nicht sein, dass die Kolleginnen und Kollegen alle Jahre wieder um ihre Arbeitsplätze bangen müssen“, Zukunfts- und Planungssicherheit gehörten „zu guter und erfolgreicher Unternehmenspolitik“.

Zukunft und Planung ohne Sicherheit

Genau da ist es noch immer dunkel für die weiteren fünf Standorte, welche nun – aufgeschreckt durch Schließungspläne – im Zentrum des Interesses stehen. Lautet die Antwort „weiter so“, ist auch die Herunternahme von der Liste nur ein weiteres Aussitzen und das Karussell dreht sich über kurz oder lang an den gleichen Punkt zurück.

Das Prinzip Hoffnung in Zeiten des Corona-bedingt noch stärker gewordenen Onlinehandels erklärte heute Sören Pellmann (MdB, Stadtrat, Die Linke) nach seiner Erleichterung über die Entscheidung so: „Selbstverständlich lebt dieses Kaufhaus vom Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden, die sicherlich die Chance ergreifen und wieder öfter in die Innenstadt gehen, statt am Smartphone recht unpersönlich zu bestellen“.

Davon abgesehen, dass es aktuell nach LZ-Informationen im Leipziger Galeria Kaufhof keine Smartphones zu kaufen gibt, ist die Frage angesichts der neuerlichen Unternehmensvolte von „GKK“ nach 2020 eher: Was, wenn nicht? Kommen dann vielleicht solche neuen Konzepte, wie Pop-Up-Stores für zeitlich begrenzte Präsentationen lokaler Unternehmen, gestützt durch feste Markenabteilungen und Eventangebote?

Denn irgendwo am Horizont droht zudem das angelsächsische Konzept von Verkäufer/-innen-freien Läden mit Selbstbedienungskassen oder/und automatischer Zahlung via Smartphone beim Verlassen des Ladens und also radikal vernichteten Arbeitsplätzen für die Gewinnspanne im stationären Handel.

Fragen zu Veränderungen, die sich bei einem optisch überaus gut besuchten Kaufhaus in Premiumlage und mit einer gewissen Monopolstellung im Zentrum einer Tourismushochburg wie Leipzig ja durchaus stellen, da selbst das nicht mehr davor zu schützen scheint, von einer Schließung betroffen zu sein. Was auch für den Leipziger SPD-Bundestagsabgeordneten Holger Mann laut seinem Tweet zum Thema noch immer wenig erklärlich bei gleichzeitiger Erleichterung ist.

Auch die Rolle des Eigentümers der Immobilie ist damit nicht geklärt. Noch mag sich die „RFR-Holding“ erneut mit dem durch „Signa“ gezahlten Mietzins doch noch einmal einverstanden erklärt haben. Oder es gab diese Fragestellung nur als Schutzbehauptung der GKK-Sanierer angesichts des schnellen Umentscheidens nach dem öffentlichen Druck. Der Mangel an Steuerbarkeit für die Zukunft bleibt also, Herr im Haus ist der Eigentümer, nicht der Mieter.

Warum sich jedoch rein kapitalgetriebene Immobilien-Anleger wie die New Yorker auf eine Miete einlassen sollen, wenn sie mit anderen Konzepten zukünftig mehr erwirtschaften können, ist offen. Auch und vor allem in der Frage der zukünftigen Arbeitsplätze.

Für den Moment richten sich damit alle Blicke auch aus Leipzig nun nach Essen.

Da entscheidet sich im nächsten Schritt am 27. März 2023 die Zukunft der insolventen „Galeria Karstadt Kaufhof“ auf der Gläubigerversammlung. Interessant bis dahin ist sicherlich auch, ob einige partielle Kaufangebote wie das, laut T-Online, der „Modekette Aachener“ für einzelne Häuser Bestand haben und den Gläubigern den Zukunftsplan der angeschlagenen Warenhauskette versüßen.

Danach kann die Debatte Fahrt aufnehmen, ob die Rettung nicht nur des Leipziger Warenhauses auf einem Fundament steht oder nicht.

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