Leipzig wächst. Über 110.000 Einwohner sind in den letzten 20 Jahren dazugekommen. Sie alle drehen den Wasserhahn auf, bedienen die Spülung der Toilette, duschen sich, kochen sich Kaffee. 110.000 Kubikmeter Abwasser spülen deshalb täglich Richtung Klärwerk Rosental. Eine Menge, für die das Klärwerk eigentlich nicht ausgelegt ist. Weshalb die Planer um Werksleiter Daniel Jentzsch seit zehn Jahren an Plänen arbeiten, wie die Kapazität des Klärwerks deutlich erhöht werden kann. Eine Millioneninvestition, für die es am Montag, 19. Mai, den symbolischen Spatenstich gab.

Es soll das größte und wichtigste Investitionsvorhaben in der Unternehmensgeschichte der Kommunalen Wasserwerke Leipzig werden: In den kommenden sieben Jahren realisiert das Unternehmen im laufenden Betrieb Erweiterungen in der biologischen Reinigungsstufe sowie den kompletten Neubau der mechanischen Reinigung im Klärwerk Rosental.

Schon vor zehn Jahren haben die ersten Planungen begonnen, sagte der Technische Geschäftsführer der Wasserwerke, Dr. Ulrich Meyer zum Festempfang im großen Zelt, das mit Gästen für dieses Ereignis gut gefüllt war. „Wir setzen auch in Zukunft auf den historisch bewährten Standort im Rosental. Das seit über 130 Jahren erprobte Areal und neueste technische Innovationen ermöglichen es uns, die dringend benötigten Erweiterungsanlagen innerhalb des bestehenden Klärwerksgeländes zu bauen.“

Die Bauarbeiten auf dem Gelände des Klärwerks Rosental haben begonnen. Foto: Ralf Julke
Die Bauarbeiten auf dem Gelände des Klärwerks Rosental haben begonnen. Foto: Ralf Julke

Schon 1894 entstand an dieser sensiblen Stelle im Leipziger Rosental dicht am Zusammenfluss von Weißer Elster und Parthe das erste Klärwerk – damals noch mit simplen Absetzbecken ausgestattet. Als Daniel Jentzsch seine Laufbahn im Klärwerk begann, dessen Leiter er heute ist, war das Werk noch nach DDR-Standard ausgestattet und genügte schon lange nicht mehr den Erfordernissen.

Weshalb schon in den vergangenen Jahren immer wieder Teile der Anlagen erneuert und modernisiert werden mussten. Aber das hat Grenzen. Das war auch schon vor zehn Jahren klar. Denn bei allen technische Tricks genügte das Klärwerk bestenfalls den Ansprüchen von 550.000 angeschlossenen Nutzern. Tatsächlich aber fließen heute die Abwässer von 850.000 Einwohnern der Leipziger Region ins Rosental.

Weshalb sich die Planer auch Gedanken über andere Standorte machten. Aber kein Standort bot so optimale Bedingungen wie der am Rosental, auch wenn der Platz dort schlicht durch die Zäune zum Landschaftsschutzgebiet begrenzt ist. Jede Kapazitätserweiterung muss innerhalb dieses Geländes passieren.

Durch die technische Aufrüstung in den vergangenen Jahren, die Jentzsch leicht ironisch als „legales Doping“ bezeichnet, konnte die Leistungsfähigkeit des Klärwerks inzwischen rechnerisch auf 710.000 Nutzer erweitert werden. Aber mit diesen kleine „Doping“-Maßnahmen ist die Grenze erreicht. Jetzt muss wirklich spürbar in die Kapazität investiert werden.

Platz sparen durch doppelstöckiges Bauen

Den Auftakt machen zunächst die Arbeiten im Bereich der sogenannten biologischen Reinigung. Auf der Freifläche, auf der am Montag auch der Spatenstich erfolgte, entsteht ein neues Belebungsbecken, in dem Mikroorganismen organische Bestandteile des Abwassers abbauen und zersetzen. Mit dem Becken erhöht sich die Behandlungskapazität des Klärwerks um 30 Prozent. Und weil man Platz sparen muss, wird hier erstmals aufgestockt. Das gibt es, so Ulrich Meyer, nicht in vielen Klärwerken zu sehen.

 Innovativ: Auf das Belebungsbecken wird die neue Nachklärung oben aufgesetzt. Foto: Leipzig Gruppe
Innovativ: Auf das Belebungsbecken wird die neue Nachklärung oben aufgesetzt. Foto: Leipzig Gruppe

Platzsparend wird eine identisch große Nachklärung auf das Belebungsbecken aufgesetzt. Dort trennen sich feste Bestandteile vom gereinigten Wasser, welches anschließend in die Luppe und damit in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgeführt werden kann.

„Die Rucksacklösung ist technisch anspruchsvoll und clever zugleich, weil wir wertvolle Fläche sparen und dennoch die Leistung deutlich erhöhen. Und: Wir denken weiter. Schon heute schaffen wir die strukturellen Voraussetzungen für eine mögliche vierte Reinigungsstufe – etwa zur Entfernung von Spurenstoffen“, sagt Meyer. Ein in der Vergangenheit heiß diskutiertes Thema: Wie bekommt man etwa Arzneimittel und Mikroplastik aus den Abwässern heraus? Die doppelstöckige Reinigungsanlage soll 2028 fertig sein.

Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung lobte am Montag Planung, technische Kompetenz und vorausschauende Investitionen. „Der Ausbau des Klärwerks Rosental ist ein starkes Bekenntnis zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Und es ist gleichzeitig eine Investition in Leipzigs wirtschaftliche Zukunft. Denn ohne leistungsfähige Infrastruktur keine Neuansiedlungen, keine Wachstumsimpulse, keine stabile Entwicklung. Wer heute investiert, sichert die Grundlagen für morgen – für Gewerbe, Industrie und ein urbanes Leben auf hohem Niveau“, betonte er.

Abwasserbelastung reduzieren

Nach dem Startschuss in diesem Jahr folgt dann 2026 der Auftakt im Bereich der mechanischen Abwasserbehandlung. Dort werden parallel zur ersten Ausbaustufe ein Hebewerk, Rechenhaus, Sandfänge und Vorklärung komplett neu gebaut. Mit den Arbeiten reagieren die Wasserwerke nicht nur auf den durch höhere Einwohnerzahlen und Ansiedlungen gestiegenen Bedarf der Abwasserbehandlung. Auch behördliche und gesetzliche Anforderungen an die Reinigungsleistung und den Gewässerschutz können somit weiterhin erfüllt werden.

 Der Ausbau der Klärwerks erfolgt in zwei Baubschnitten: Die Erweiterung der Biologie (blau) startet im Mai 2025; der Neubau der Mechanik (gelb) folgt zeitversetzt im Frühjahr 2026. Die Arbeiten dauern insgesamt bis voraussichtlich 2032. Foto: Leipziger Gruppe
Der Ausbau des Klärwerks erfolgt in zwei Bauabschnitten: Die Erweiterung der Biologie (blau) startet im Mai 2025; der Neubau der Mechanik (gelb) folgt zeitversetzt im Frühjahr 2026. Die Arbeiten dauern insgesamt bis voraussichtlich 2032. Foto: Leipziger Gruppe

„Nur im Zusammenspiel von technischer Infrastruktur und naturbasierten Lösungen können wir die großen Herausforderungen der Zukunft meistern. Und dieses Zusammenspiel denken wir in Leipzig längst mit – von der Blau-Grünen Infrastruktur über Regenwassermanagement bis hin zu nachhaltiger Stadtplanung. Der Ausbau des Klärwerks ist ein sichtbares Signal dafür, wie ernst wir diese Aufgabe nehmen“, lässt sich Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal zitieren, der dem Spatenstich aus gesundheitlichen Gründen fernbleiben musste.

Er ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Wasserwerke Leipzig, die schon in den letzten Jahren nicht unerheblich in ihre Leipziger Wasser- und Abwasserstrukturen investiert haben. Der zukunftsfeste Ausbau des Klärwerks Rosental ergänze Leipzigs Bestrebungen hin zur Schwammstadt, bei der Regenwasser künftig noch stärker als Ressource genutzt, gespeichert, versickert oder verdunstet werden soll, so Rosenthal. „Wenn Regenwasser dezentral zurückgehalten wird, entlastet das nicht nur das Kanalnetz – es reduziert auch die Zahl der Mischwasserentlastungen bei Starkregenereignissen.

So gelangt weniger Schmutzfracht in unsere Flüsse und Auen. Und: Weniger Zufluss bedeutet auch weniger Belastung für die Kläranlage selbst – sie kann effizienter arbeiten und damit eine noch höhere Reinigungsleistung erzielen.“

Allein 2024, so Ulrich Meyer, haben die Wasserwerke 110 Millionen Euro investiert – auch in das über 100 Jahre alte Kanalnetz, das eine zentrale Rolle spielt beim Thema Schwammstadt. Denn je mehr Regenwasser bei Starkregen im Kanalnetz zurückgehalten werden kann, um so weniger kommt es im Klärwerk Rosental zu Überlastungen und damit zur Abgabe von ungereinigtem Mischwasser in die Neue Luppe.

Weshalb auch die Kanalabteilung der Wasserwerke darauf wartet, dass jetzt die neuen Anlagen im Klärwerk gebaut werden und eine wichtige Fläche auf dem Werksgelände frei wird. Dort soll dann ein neues Regenwasserüberlaufbecken entstehen, das bei Starkregen dann den Puffer für die Regenwassermengen übernehmen soll.

Mit den jetzt begonnenen zwei Ausbaustufen soll die Klärwerkskapazität bis 2032 um 30 Prozent erhöht werden, sodass dann die sichere Entsorgung für 870.000 Menschen in Leipzig und Umgebung gewährleistet ist. Und die steigenden ökologischen Anforderungen, die auch die EU definiert, erfüllt werden können, betont Ulrich Meyer. Gebaut wird übrigens im laufenden Klärwerksbetrieb – eine echte Herausforderung für die 30 Mitarbeiter im Klärwerk, so Daniel Jentzsch.

Aber die Erneuerung erstreckt sich auch auf Stromnetz und letztlich Energie- und Wartungskosten. Einen Teil des Stroms will man mit der eigenen Biogasanlage erzeugen.

Einen Blick hinter die Kulissen werfen

Informationen zum Ausbau des Klärwerks Rosental gibt es im Internet unter www.L.de/rosental.

Jetzt schon vormerken: Vor Ort stellen die Wasserwerke den Klärwerksausbau zum diesjährigen Tag der offenen Tür am 30. August auch für Jedermann vor. Details dazu gibt es rechtzeitig unter www.L.de/veranstaltungen, kündigen die KWL an.

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Bei aller Euphrorie der Neuplanung der Wasserwerke für das Klärwerk Rosenthal, was ich vermisse ist die Planung für den Einsatz von Wärmepumpen um die Restwärme aus dem Abwasser für ein Nahwärmenetz zu nutzen – in der Berichterstattung leider Fehlanzeige. Sollen die Wasserwerke eine derartige Innovation einfach vergessen habe? Oder gibt das Budget von 240 Mill. € die Kosten für Wärmepumpen nicht mehr her?

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