Die eigentlich anstehende erste Ratsversammlung des neue Stadtrates am 28. August fällt zwar aus. Durch die notwendig gewordene erneute Wahlfeststellung kann der neue Stadtrat erst im September zusammentreten. Aber dann wird wahrscheinlich die Vorlage zum neuen „Forstwirtschaftsplan 2019/2020“ anstehen. Ein Baumfäll-Plan für einen Auenwald, der eigentlich aus Naturschutzgründen nicht zerstört werden darf. Der NuKLA e. V. schreibt auch diesmal wieder an alle Ratsfraktionen.

Das hat er auch beim letzten Mal getan, was dazu führte, dass selbst der Leiter der Abteilung Stadtforsten begann, politisch aktiv zu werden und die Fraktionen anzutelefonieren, damit sie ja dem von ihm vorgelegten Forstwirtschaftsplan zustimmten. Was die Ratsversammlung dann auch mehrheitlich tat. Was dann die Klage von NuKLA und Grüne Liga zur Folge hatte, die beide davon ausgehen, dass der hohe europäische Schutzstatus für das Leipziger Auensystem solche großflächigen Baumfällungen geradezu verbietet.

Dass das Leipziger Verwaltungsgericht dem möglicherweise nicht zustimmen würden, vermuteten sie schon. Gerade in Umweltfragen tun sich die regionalen Gerichte schwer, eine eigene Expertise aufzubauen und Ämtern die gesetzlichen Grenzen aufzuzeigen. Die es gibt. Doch dazu müssen sich Umweltverbände in der Regel durch die Instanzen klagen. Und das dauert. Einen abschließenden Bescheid zur Leipziger Klage hat NuKLA noch immer nicht.

Und damit auch nicht die Leipziger Stadtverwaltung, die alles tut, um ihre massiven Baumfällungen im FFH-Gebiet als rechtens und gesetzkonform zu begründen, auch wenn die Waldbewirtschaftung mit Femeln und Mittelwald eindeutig wirtschaftlich motivierte Eingriffe in ein noch immer artenreiches Ökosystem sind, die eigentlich zu unterlassen sind, weil sie die Bedingungen für das Lebensraumsystem Auenwald massiv verschlechtern.

Aber um das zu sehen, muss man sich von der Interpretation lösen, die Leipziger Stadtforsten könnten den Artenreichtum vermehren und den Auenwald „verbessern“, indem sie den Wald großflächig auflichten und dort anstelle Dutzender alter Stark- und Biotopbäume junge Einheits-Setzlinge pflanzen. Setzlinge, die gerade in den beiden Trockensommern 2018/2019 reihenweise eingingen, weil diese Auflichtungen nicht nur viel zu trocken sind, sondern sich auch viel zu sehr aufheizen.

Wälder sind komplexe Pflanzensysteme, in denen die Funktion jeder Pflanze, jedes Bakteriums und jedes Insekts aufeinander abgestimmt sind. Bäume passen sich an ihre Standorte an, entwickeln Resistenzen und Resilienzen. Es entstehen komplexe Waldsysteme, die gerade durch diese gegenseitigen Abhängigkeiten stabil sind und auch schweren Wetterphänomen besser widerstehen als die Plantagenwälder der heutigen Forstwirtschaft.

Leipzig wäre also gut beraten, diese gewachsenen Strukturen des Auenwaldes nicht zu zerstören und auch kein „Waldumbau“-Programm zu forcieren, bei dem wieder auf künstliche Weise ein Wunschwald aufgebaut werden soll, in dem der Mensch bestimmt, was wachsen darf und was nicht. Denn kostbar sind nicht die jungen Wälder, in denen dann irgendwie „die Mischung“ stimmt, sondern die alten Wälder, geprägt von artenreichen 200, 300 Jahre alten Starkbäumen.

Beim letzten Mal fuhr auch die LVZ eine Kampagne gegen den Vorstoß von Grüner Liga und NuKLA, meinte die massiven Baumfällungen gar als Rettung des Auenwaldes verkaufen zu müssen. Motto: „Gar nichts tun ist auch keine Lösung.“ Was auf die Stadtratsfraktionen dann auch so wirkte. Sie übernahmen wieder den alten Glauben daran, es seien die Förster, die erst einen gesunden Wald bauen müssten. Ein Glaube, der so nicht nur in Leipzig herrscht.

Er bestimmt auch die sächsische Waldpolitik, die in den beiden Trockensommern ihr für alle sichtbares Debakel erlebt hat, als erst die Orkane hektarweise die gepflanzten Plantagenwälder niedermähten, dann kamen Trockenheit und Borkenkäfer und der Waldminister geriet regelrecht in Aktionismus, obwohl er ein ganzes Aufgabenfeld all die Jahre schlicht ignoriert hat: Die eigentlich beschlossene Ausweisung von Prozesschutzflächen, auch von Waldgebieten, die endlich aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen werden, um sie ihrer natürlichen Entwicklung zu überlassen.

Ob die neu gewählten Stadträtinnen und Stadträte diesmal lesen, was der NuKLA ihnen in einem Offenen Brief schreibt? Oder lassen sie sich hinterher wieder breitschlagen, einem Fällplan zuzustimmen, mit dem wieder große Löcher in die gewachsenen Baumbestände geschlagen werden, die die Widerstandsfähigkeit des Leipziger Auenwaldes weiter mindern. Gerade in einer Zeit, wo auch die Wälder die Veränderungen des Klimas verkraften und ausgleichen müssen.

Der Offene Brief:

Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte!

Während die massiven Schäden in Wirtschaftswäldern gerade zu heftigem, leider wenig differenziertem Aktionismus führen, sieht der Forstwirtschaftsplan von Stadtforsten 2019/20 für Leipzigs Auwald erneut Mengen von insgesamt mehr als 11.000 Festmetern Holzeinschlag vor (Stammholz in 1 Kubikmeterwürfeln dicht an dicht vom Hauptbahnhof bis zum Pier 1), die nur erreicht werden können, wenn über 100 Jahre alte Stark- und Biotopbäume gefällt werden.

Die Harvestereinsätze sollen wieder auch in unter EU-Schutz stehenden Gebieten stattfinden und werden dort nicht nur flächig die bestehende naturnahe und damit relativ klimaveränderungsresistente Waldstruktur, sondern auch den Boden als Lebensraum und Wasserspeicher zerstören.

Bezogen auf den Rechtsstreit gegen die Forstwirtschaft der Stadt Leipzig in EU-Schutzgebieten befinden wir uns aktuell im Hauptsacheverfahren und vor der nächst höheren Instanz, dem Oberverwaltungsgericht in Bautzen. Ein dann von allen zu akzeptierendes Urteil erwarten wir erst vor dem EU-Gerichtshof.

In der Anlage 1 erhalten Sie die Stellungnahme von Prof. Dr. Gerken und Johannes Hansmann vom NuKLA Aueninstitut für Mitteldeutschland „Lebendige Flüsse“ zu den städtischen Plänen, denen Sie erneut zustimmen sollen – und sei es auch „nur“ fiskalisch: wieder 1,5 Mill. Euro, die an anderer Stelle dringend benötigt würden.

Außerdem geben wir Ihnen gern den Offenen Brief an Julia Klöckner (Anlage 2) sowie an Svenja Schulze (Anlage 3) zur Kenntnis, welche deutschlandweit anerkannte Wissenschaftler, Klimaschutzexperten und Naturschutzverbände (u. a. auch mehrfach von NABU Deutschland, wenngleich der hiesige NABU sowie NABU Sachsen fehlt) unterzeichnet haben mit der Bitte, auch diesen in Ihre Entscheidung zum FWP 2019/20 einzubeziehen.

Deutschlands bekanntester Förster Peter Wohlleben erklärte aktuell in der BILD die Situation: https://www.nukla.de/2019/08/7109/

Wir von NuKLA fordern einen sofortigen Stopp der Intensivforstwirtschaft im Leipziger Auwald, sei es durch Stadtforsten oder durch Sachsenforst, und die Entwicklung eines ökologisch verträglichen und zukunftszugewandten Pflegekonzeptes, der dieses Tafelsilber der sächsischen Waldkulisse auch für unsere Kinder und Enkel zu erhalten vermag.

Der Waldumbau im Auwald zerstört mehr, als er künstlich herstellen kann

Der Waldumbau im Auwald zerstört mehr, als er künstlich herstellen kann

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