Beim Ziel sind sich alle einig – zumindest fast alle demokratischen Fraktionen im Leipziger Stadtrat: Leipzig muss klimaneutral werden. Möglichst schnell. Möglichst so, dass alle mitgenommen werden. Und so, dass es überhaupt bezahlbar ist. Denn eines wurde in der Stadtratsdebatte zum Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP) 2030 am Donnerstag, 13. Oktober, im Stadtrat deutlich: Am Geld scheitert so manches. Aber es geht um mehr.

Und so wurde eigentlich – in Pro und Kontra – um die Frage gerungen: Was kann Leipzig aus dem EKSP mit seinen 83 Maßnahmen und den am Ende 13 Änderungsanträgen überhaupt umsetzen bis 2030?

Was übersteigt eigentlich die Möglichkeiten der Stadt, was ja gerade Andreas Schultz als Redner für die CDU-Fraktion in Bezug auf die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ansprach: Reicht das Geld überhaupt, um die dicksten Bausteine auch umzusetzen?

Und die Mobilitätswende ist dabei einer der größten Bausteine, den die Stadt umsetzen kann. Radverkehr ist dagegen ein Pillepalle-Thema – in finanzieller Hinsicht. Auch wenn die AfD-Stadträtin Sylvia Deubel meinte, daraus eine witzige Anekdote stricken zu können. Richtig teuer aber wird nun einmal ein Ausbau des Straßenbahnnetzes. Und wenn die Informationen von Schultz stimmen, sind die LVB da längst an ihrer Belastungsgrenze.

Was ja nur zeigt, wie sehr Kommunen wie Leipzig in Deutschland unterfinanziert sind, wenn ihnen das Geld zum Ausbau des ÖPNV derart fehlt.

Linke-Stadtrat Michael Neuhaus wirbt im Stadtrat für die Änderungsanträge von Linken, Grünen und SPD. Foto: Jan Kaefer

Und das in einer Situation, in der die ganze Stadt nicht nur klimaneutral werden muss, auch wenn darauf in den Reden zum EKSP am Donnerstag, 13. Oktober, immer wieder herumgeritten wurde. Genau auf der Frage, ob sie die Klimaneutralität bis 2030 schafft, oder – wie Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal betonte – erst 2040.

Und das auch nur eventuell, weil es dazu massive Unterstützung von Bund und Land braucht. Da kann man sich über das Ziel, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen oder nur 1,75 Grad, streiten. Das entscheidet tatsächlich nicht Leipzig allein, wie FDP-Stadtrat Sven Morlok neckisch anmerkte. Auch wenn seine Idee, das in Leipzig einzusetzende Geld einfach in die Partnerstadt Addis Abeba zu transferieren, damit dort Klimaschutz finanziert wird, eher eine Spaßidee war.

Denn natürlich bewirkt das Geld in Leipzig mehr. Der CO₂-Fußabdruck von Leipzigs Partnerstadt ist deutlich geringer als der der Leipziger.

Wer denkt an die Geringverdiener?

Und es geht eben auch um Klimaresilienz. Deswegen geht es nicht nur um Energie- und Mobilitätswende, sondern auch um die Frage, wie man in Leipzig Bäume, Parks und Grünanlagen erhält oder ausweitet, ob man Dächer begrünt und Stadtplätze schafft. Es stimmt schon, wie Schultz anmerkte, dass sich der EKSP auch mit anderen Plänen der Stadt überschneidet und deshalb aussieht wie ein überladener Esel.

Aber so langsam dürfte sich herumsprechen, dass Klima- und Umweltschutz sich mit so gut wie allen Stadtplanungen überschneiden. Und deswegen ist der EKSP, wie Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek erklärte, auch ein „Zukunftssicherungsprogramm“, in dem es darum geht, dass auch die Kinder und Enkel in Leipzig noch leben können.

Weshalb Michael Neuhaus für die Linksfraktion auch betonte, was so oft vergessen wird: Klimaschutz ist eine soziale Frage. Und es braucht besondere Förderprogramme, die gerade der ärmeren Bevölkerung Teilhabe an Klimaschutz ermöglichen – zum Beispiel durch eine geförderte Fassadendämmung.

Die Fronten waren sowieso klar zwischen den drei Fraktionen von Linken, Grünen und SPD, denen die – durchaus gelobten – Maßnahmen im vorgelegten EKSP 2030 noch nicht weit genug gingen, und den Fraktionen von CDU und Freibeutern, denen dann die meisten Änderungsanträge zu weit gingen.

Von der AfD-Fraktion ganz zu schweigen, die in Person von Sylvia Deubel gleich mal wieder die zentrale Rolle des Menschen an der Klimaerwärmung infrage stellte. Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek hatte ihr ja schon vorher mangelnde Physik-Kenntnisse attestiert.

Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek. Foto: Jan Kaefer

Und daran wird sich bei der AfD wohl auch nichts mehr ändern.

Viel spannender war die Frage, ob die Fraktionen von Grünen, Linken und SPD ihre Änderungsanträge durchbringen würden, die nicht nur punktuell deutlich über die Vorlage des Umweltbürgermeisters hinausgingen, sondern auch mehr Finanzbedarf für den Doppelhaushalt 2023/2024 bedeuten. Denn Klimaschutz kostet nun einmal Geld.

Klimaschutz braucht endlich umgesetzte Projekte

Dabei hatten Bürgermeister Rosenthal und OBM Jung schon den größten Teil der Änderungsanträge übernommen, sodass sie Teil der Verwaltungsvorlage wurden. Lediglich fünf von 13 Änderungsanträgen blieben noch übrig, die dann einzeln abgestimmt werden mussten. Wer sie sucht, findet sie unter demselben Link wie die Vorlage der Verwaltung. Denn sie gehören jetzt allesamt dazu.

Denn an diesem 13. Oktober machten die drei Fraktionen, denen der 2019 erklärte Klimanotstand von Leipzig wirklich ernst ist, richtig Druck und verschafften jedem einzelnen Antrag eine Mehrheit.

Wobei angemerkt werden muss, dass auch Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal sämtliche Änderungsanträge positiv gewertet hatte. Die verbliebenen habe die Verwaltung aber vor allem aus finanziellen Gründen nicht übernommen.

Da war es dann auch eher noch Politik, dass CDU-Stadtrat Frank Tornau nach der ersten Abstimmungsrunde zu den Änderungsanträgen erklärte, dass die CDU-Fraktion nun auch der Verwaltungsvorlage nicht mehr zustimmen könne. Und auch die Enthaltung der Freibeuter, die Sven Morlok ankündigte, fiel nicht ins Gewicht.

Auch die Verwaltungsvorlage bekam mit 36:17 Stimmen bei drei Enthaltungen die nötige Mehrheit, sodass Leipzig jetzt wieder ein beschlossenes Energie- und Klimaschutzprogramm hat – mit konkreten Maßnahmen, die zumindest für die nächsten zwei Jahre in einem Maßnahmenprogramm auch klar benannt sind.

Und die Frage wurde mit „ja“ beantwortet, ob eine Stadt wie Leipzig in seine Klimaneutralität investieren muss oder das lieber anderen überlässt. Ja, sie muss. Denn was jetzt nicht auf den Weg gebracht wird, fehlt. Egal, ob 2030 oder 2040.

Denn wenn es eine Lehre gibt aus den großen Plänen von Stadtwerken und LVB, dann ist es die, dass die Umsetzungszeiträume elend lang sind. Und die positive Wirkung fürs Stadtklima noch viel später eintrifft. Eigentlich sollten alle gelernt haben, dass Leipzig eher ein schwerfälliger Tanker ist, den man nur mühsam zum Umsteuern bringt.

Und es ist letztlich auch egal, ob die Verwaltung in ihrer eigenen Vorlage Zweifel daran hat, ob sie alles umsetzen kann. Denn dass die richtig großen Projekte alle noch mal zum Beschluss in den Stadtrat kommen, wissen ebenfalls alle. Und dass es ein mühsames Ringen ist, bei Bund und Land die nötigen Gelder dafür zu bekommen, wissen auch alle.

Aber deswegen gleich den Mut sinken zu lassen und gar nicht loszulegen, kann es auch nicht sein. Dann passiert nämlich erst recht nichts.

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