Im Oktober 2022 erhielt Leipzig ein neues Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP 2030) und ein dazugehöriges Umsetzungsprogramm. Doch während im EKSP auf unzähligen Seiten über die Emissionen verschiedener Energieträger referiert, über die Herausforderungen der einzelnen Sektoren berichtet und CO₂-Budgets berechnet werden, vermisst die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat die soziale Ebene des Klimawandels gänzlich. Sie fordert einen Umweltgerechtigkeitsatlas.

„Weder die ungleiche Verteilung der Emissionen noch die unterschiedliche Betroffenheit von deren Folgen finden im EKSP Beachtung“, erklärt Michael Neuhaus, Sprecher für Umwelt der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat.

„Die soziale Frage wird konsequent ausgeklammert. Nirgends steht, dass in Deutschland die reichsten zehn Prozent genauso viel CO₂ in die Luft blasen, wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Nirgends steht, dass gerade diese Menschen besonders viel Geld für Energie ausgeben, weil sie sich beispielsweise einen energieeffizienten Kühlschrank gar nicht erst leisten können. Nirgends steht, dass gerade diese Menschen von bezahlbarer Energie und bezahlbarer Mobilität am meisten profitieren würden.“

Statista hat 2022 einmal die völlig unterschiedlichen CO₂-Aufkommen nach Einkommensgruppen gestaffelt in eine Grafik gefasst, die man hier finden kann.

Während die reichsten 1 Prozent im Schnitt auf 48 Tonnen CO₂ im Jahr kommen und die nächsten neun Prozent noch auf 12 Tonnen, sind es bei den mittleren 40 Prozent nur 4 Tonnen, bei den ärmsten 50 Prozent nur 1 Tonne. Das sind freilich die weltweiten Werte. In Deutschland verschiebt sich das Gefüge. Denn mit einem durchschnittlichen Ausstoß von 11,2 Tonnen je Kopf gehören die Deutschen zu den 10 Prozent, die am meisten CO₂ ausstoßen.

Wer denkt an die Geringverdiener?

Und während die Gutverdienenden die verfügbaren fossilen Energiequellen ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen und auf ihre Emissionen gar nicht achten, kommen die ärmeren Einkommensgruppen schon deshalb auf niedrigere Werte, weil sie sich teure (Flug-)Reisen, hohe Konsumausgaben oder einen großen Maschinenpark im Haushalt gar nicht leisten können. Sie leben auch auf weniger Wohnfläche und sind oft zu sparsamer Mobilität gezwungen.

Doch sie können sich – anders als die Gutverdiener – mehrheitlich auch nicht schützen, wenn Klimaextreme die Stadt belasten. Oft leben sie auch noch in eng bebauten Quartieren ohne Grün, weitab von beliebten Grüngürteln und Frischluftschneisen.

„In Berlin wurde bereits ein Umweltgerechtigkeitsatlas erstellt, welcher umweltrelevante Informationen über Schadstoffbelastung, Lärm u. v. m. mit Informationen über die soziale Lage auf einer kleinräumigen, lebensweltlichen Planungsebene zusammenbringt. Dadurch wird es möglich, Klima- und Umweltschutz zuerst dort umzusetzen, wo die Menschen am stärksten unter Klimawandel und Umweltzerstörung leiden“, sagt Michael Neuhaus.

Mit einem Antrag fordert die Linksfraktion jetzt, einen solchen Atlas auch für Leipzig zu erarbeiten.
„Es wäre eine Kehrtwende – weg von einer Politik, in der Umweltschutz für Menschen mit geringem Einkommen vor allem mehr Verzicht und weniger Teilhabe bedeutet“, sagt Neuhaus. „Wir müssen zeigen, dass Klimaschutz gerade denjenigen hilft, die kein prallgefülltes Konto haben. Denn gute Klimapolitik ist gute Sozialpolitik!“

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