Viele Menschen reden davon, dass das Elektroauto, eventuell sogar das autonom fahrende, die Verkehrsprobleme in den Städten lösen könnte. Das wäre die Antriebswende, die zugegebenermaßen ein Teil der Lösung ist, aber es ist noch keine Mobilitätswende. Aber malen wir uns mal eine Fiktion zur Antriebswende aus: Leipzig 2040*.

Seit einem Jahr sind Benzin- und Dieselautos in Leipzig verboten, die Straßen werden von autonomen Elektroautos (AEA) dominiert. Am Morgen eines sommerlichen Werktages, gegen 04.00 Uhr, stehen in ehemals wild zugeparkten Straßen diese AEAs mit 20 cm Abstand zueinander wie an einer Schnur aufgereiht – ein schönes, ordentliches Bild.

Dieses ändert sich, als gegen 5.30 Uhr die Autos leise schnurrend erwachen, autonom ausparken und sich auf die Suche nach ihrem Besitzer begeben. Da der Parkraum knapp ist, löst sich der morgendliche autonome Stau gegen 07.00 Uhr auf, als jedes Auto seinen Besitzer gefunden hat.

Dieser steigt mit einem Coffee-To-Go und Smartphone ein und beginnt seine Fahrt zur Arbeitsstelle. Der allmorgendliche Stau auf dem Weg dahin ist nicht so schlimm, denn seit er sich nicht mehr mit dem Fahrzeug beschäftigen muss, loggt er sich schon mal ins Firmennetzwerk ein und beginnt mit der Arbeit. Am Arbeitsplatz angekommen, steigt der Besitzer des AEA aus und dieses begibt sich leise surrend auf die Suche nach einem Parkplatz für den Tag.

Weiteres führe ich dazu nicht aus.

Wie viele Autos verträgt die Stadt?

Das kann ich selbstverständlich nicht genau beziffern, es sind aber viel weniger als die vorhandenen, zumindest in Leipzig.

Ein Gedankenexperiment dazu: Ein großer Teil der vorhandenen Autos wird nicht täglich genutzt. Ob es nun das Auto des Rentners ist, der nur noch zweimal in der Woche zum Einkaufen fährt, der Zweitwagen, welcher nur sporadisch genutzt wird oder der selten bewegte Privatwagen (etwa weil der Halter für den täglichen Gebrauch einen Dienstwagen hat). Die Aufzählung ist unvollständig.

Laut der Website der Stadt Leipzig waren im Jahr 2021 genau 271.218 Kraftfahrzeuge, darunter 234.324 PKW, in Leipzig zugelassen. Davon wiederum waren 206.179 privat zugelassene Pkw, das bedeutet je ein privat zugelassener PKW auf drei Einwohner der Stadt – Kinder und nicht oder nicht mehr Auto fahrende Menschen inbegriffen. Interessant wäre hier auch die Betrachtung des Verhältnisses von Führerscheinen der in Leipzig wohnenden Menschen und der Anzahl privat zugelassener PKW.

Dazu habe ich aber keine verwertbaren Daten gefunden.

Obwohl es rein personell wahrscheinlich nicht möglich ist, stellen wir uns vor, dass an Tag X alle Privat-PKW zur gleichen Zeit auf Leipzigs Straßen unterwegs wären. Das Resultat wäre wohl der Verkehrskollaps.

Hier ist, verkehrstechnisch betrachtet, die Antriebsart völlig egal.

Flächenverbrauch für das Auto

2017 war ein PKW durchschnittlich 1,80 m breit (ohne Spiegel) und 4,40 m lang. Seitdem haben sich die Durchschnittsmaße erhöht, aber ich nehme nur diese Zahl. Nehmen wir die realistische Breite, also mit Spiegel, von 2,00 m, dann kommen wir durchschnittlich auf eine Fläche von 8,80 m² pro PKW.

Das macht für alle in Leipzig zugelassenen Privat-PKW eine Fläche von 1.814.375 m² oder 1,8 km², also etwas mehr als die Fläche von Leipzig-Plagwitz.

Das gilt natürlich nur bei abstandsloser Aufstellung, beim Parken mit nur 30 cm zum Vordermann entspricht dieser Flächenbedarf etwa 1,9 km², natürlich nur für den theoretischen Fall, alle Fahrzeuge stünden in einer Reihe mit gleichem Abstand. Das wiederum entspricht etwa der Fläche von Leipzig-Plagwitz plus dem Zentrum innerhalb des Promenadenrings.

Im Fahrbetrieb, mit einem Seitenabstand von nur 1 m nach rechts und links und einem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug von 10 m (das ist eigentlich für beide Maße zu wenig), erhöht sich die Fläche auf ca. 12 km², also etwa die Fläche des gesamten Stadtbezirks Leipzig-Mitte.

Die gesamte Verkehrsfläche von Leipzig hat eine Größe von 36,01 km², wobei man beachten muss, dass Fahrwege, Rastplätze, Märkte und Fußgängerzonen sowie Bahnhofsgebäude und Flughafenterminals einbezogen werden. Vor allem handelt es sich um für Verkehrszwecke versiegelte Bodenflächen, aber auch um Verkehrsbegleitgrün. [IÖR-Monitor]

In allen Fällen kommen noch die gewerblich zugelassenen PKW, Transporter, LKW, Busse und die Straßenbahn dazu, auch die rund 80.000 Pendler dürfen nicht vergessen werden.

Wir brauchen zu viel Fläche für Autos, das sollte jeder verstehen.

Was tun?

Jedenfalls ist die ungebremste weitere Auto-Mobilisierung keine Lösung, egal mit welcher Antriebsart.

Lassen wir die Diskussion um Fahrradnutzung, diese Mobilitätsart ist auf jeden Fall äußerst positiv zu bewerten, aus dem Spiel, dann bleiben nur der Ausbau des ÖPNV und die Erweiterung von Car-Sharing-Angeboten als wichtige Alternativen. Dazu ein anderes Mal.

Fakt ist jedenfalls, wir können uns die Masse an Autos nicht leisten.

* aus einem Text des Autors vom 17.07.2016 im Blog

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Es gibt 3 Kommentare

Sehr gute Analyse – Danke dafür.
Der Kernpunkt ist, wir brauchen eine MOBILITÄTSwende. Die Antriebswende wird zwar immer von Indurstrie und auch von Politik als Heilsbringer propagiert, bringt aber unterm Strich nix. Übrigens: autonomes FAhren haben wir schon – – – heißt Straßenbahn !!!

> Dieses ändert sich, als gegen 5.30 Uhr die Autos leise schnurrend erwachen, autonom ausparken und sich auf die Suche nach ihrem Besitzer begeben.

Das ist der Knackpunkt: Der Besitz eines Autos ist, insbesondere in Großstädten, zu hinterfragen. Solange sich jeder Haushalt 1-2 eigene Autos leistet wird der Umstieg nur eine Antriebswende sein. Es geht eben, wie der Kommentar richtig wiedergibt, nicht nur um den lokalen Emmisionsausstoß, sondern auch um den Flächenbedarf des fahrenden und des ruhenden MIVs. Mit autonom fahrenden Elektroautos oder -kleinbussen wären ja auch andere Mobilitätsformen denkbar. Zum Beispiel ein ÖINV (öffentlicher Individualnahverkehr), wo man sich vielleicht über eine App ein Fahrzeug bestellt und zu einem individuellen oder nicht durch ÖPNV angebundenen Ziel fahren lässt. Und vielleicht noch 1-2 Mitfahrer mit nimmt. Quasi eine Mischung aus Flexa und Taxi. Die Frage wird sein wie man diese Dienste organisatorisch und preislich organisiert.

Sie führen interessante Flächenvergleiche und erklären Ihre Rechnungen.
Nur den “Fakt” im letzten Satz, also besser gesagt dieses persönliche Fazit, wie ist das untermauert? Durch die Rechnung “Summe aller Elemente A,B,C,… = Plagwitz+Innenstadt”?

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