Eigentlich wรคre es nur ein logischer Schritt gewesen, gleich im Sommer, als die Energiepreise durch die Decke gingen, auch rigoros ein paar autofreie Sonntage auf dem Leipziger Innenstadtring anzuordnen. So wie das in der รlkrise 1973 auf westdeutschen Autobahnen ganz selbstverstรคndlich passiert ist. Aber den Mut hatte auch Leipzigs Stadtverwaltung nicht. Und findet ihn auch nicht zu einer Petition von Greenpeace Leipzig.
Auch wenn das Verkehrsdezernat die Petition nicht ablehnt, sondern einen Alternativvorschlag schreibt. Aber der zeigt schon die ganze amtlich gewordene Vorsicht, die in den vergangenen Jahren Einzug gehalten hat, seit die Folgen des Klimawandels auch die Stรคdte erreichen und ernsthaft รผber eine Mobilitรคtswende diskutiert wird.
Solange nur diskutiert wird, ist alles gut. Aber wenn es dann tatsรคchlich um konkrete Umsetzung von Schritten geht, die den fossilen Autoverkehr einschrรคnken, merkt man selbst in den Stellungnahmen der Stadt, wie intern sรคmtliche Alarmglocken angegangen sind: Nur niemanden erschrecken.
Lieber Schrittchen fรผr Schrittchen und die Autofahrer ganz vorsichtig daran gewรถhnen, dass sie vielleicht ein bisschen Straรenraum hergeben sollen.
Obwohl die Energiepreiskrise von 2022 die Dimensionen der รlkrise von 1973 deutlich รผberschreitet.
Autofreie Sonntage auf dem Innenstadtring hรคtten eine hohe symbolische Bedeutung. Doch dass sich Leipzigs Verwaltung damit schwertut, wurde ja schon in der Diskussion um die Europรคische Mobilitรคtswoche deutlich, in die auch ein autofreier Sonntag integriert war.
Einer.
Und in dem Rahmen mรถchte Leipzigs Verwaltung auch den Wunsch von Greenpeace Leipzig unterbringen.
Zivilgesellschaft, gehโ du voran
โAusschlaggebend fรผr den Erfolg eines temporรคren, autofreien Promenadenrings ist das Engagement der Zivilgesellschaft, d. h. von Vereinen, Verbรคnden und einzelnen Bรผrger/-innen. Diese Kreativitรคt und Vielfalt kann die Stadtverwaltung nicht planenโ, erklรคrt das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) in der Stellungnahme der Verwaltung.
โAufgabe der Stadtverwaltung ist vielmehr das Begleiten und Ermรถglichen von konkreten Projektideen. Die Umsetzung des Beschlusses zur Neukonzipierung der Europรคischen Mobilitรคtswoche ab 2023 wird darauf hinarbeiten, die bestehenden Kooperation zu verstetigen und fรผr verkehrsplanerische und ordnungsrechtliche Sachverhalte zu sensibilisieren.โ
Ohne den zusรคtzlichen Einsatz von Vereinen und Initiativen geht das also nicht?
Nein, meint die Verwaltung. Auรerdem sei das Absperren des Rings teuer und aufwendig: โEine regelmรครige, mehrfache Wiederholung von autofreien Tagen auf dem Ring in einem Jahr, bedarf einer Verstetigung der Organisation u. a. hinsichtlich der kosten- und abstimmungsintensiven Sperrung des Rings und kann gegenwรคrtig bereits kapazitรคr nicht geleistet werden.โ
Also will man das doch lieber erst einmal im Kleinen und ganz vorsichtig angehen in der nรคchsten Europรคischen Mobilitรคtswoche (EMW):
โIm Rahmen der Umsetzung der EMW ab 2023 wird gezielt darauf abgestellt, wie autofreie Sonntage z. B. auf dem Promenadenring, aber auch wie in der Petition gefordert in anderen Stadtteilen, mehrmals im Jahr, d.h. auch auรerhalb der europรคischen Mobilitรคtswoche durchgefรผhrt werden kรถnnen.
Die Beteiligung der nicht-stรคdtischen Akteure wird dabei ebenso betrachtet, wie die gezielte Erstellung von Absperrkonzepten, Verkehrszeichenplรคnen etc., die ohne konkreten Bezug zu einer bestimmten Veranstaltung wiederholt fรผr Sperrungen des Rings bzw. von Teilflรคchen Verwendung finden kรถnnen. Entsprechend der Ergebnisse wird das Berichtswesen im Jahr 2024 Empfehlungen fรผr hรคufiger durchgefรผhrte autofreie Tage z. B. auf dem Promenadenring geben.โ
Warten auf das Stadtraumkonzept
2023 also als eine Art Test und dann ab 2024 etwas mehr Freiheit wagen?
Das ist bislang erst einmal nur die Stellungnahme der Verwaltung zur Petition von Greenpeace, die eigentlich noch viel weiter ging: โLangfristig soll der Autoverkehr auf dem Innenstadtring so weit reduziert werden, dass der Verkehrsraum zugunsten von Parkanlagen und shared-space-Lรถsungen umgestaltet werden kann.โ
Das betrifft dann das eigentlich geplante Innenstadtkonzept, das die Verwaltung lรคngst fertig haben wollte und das den Verkehr rund um den Promenadenring neu organisieren soll.
Aber das ist noch nicht ganz fertig, teilt das VTA mit: โEs ist als Maรnahme im Rahmenplan zur Umsetzung der Mobilitรคtsstrategie, im Arbeitsprogramm 2023 des Oberbรผrgermeisters und als Maรnahme IV.15 im EKSP 2030 enthalten. Das im bisherigen Prozess erarbeitete Positionspapier zur Umgestaltung des Promenadenrings und die weitere Bearbeitung werden aktuell fรผr eine Stadtratsvorlage aufbereitet.โ
Die Frage ist nur: Wann wird es wirklich Gestalt annehmen? Wenn man die Website der Stadt zum Stadtraumkonzept aufruft, sieht es fast schon aus, als sei es Wirklichkeit geworden. Erst recht in dem dreiminรผtigen Videoclip, der diese Zukunft beschreiben soll.
Nur ist vรถllig offen, wann mit dem Umbau des Innenstadtrings tatsรคchlich begonnen werden kann. Die Petition von Greenpeace Leipzig bekommt zumindest eine vorsichtige Zustimmung: โAus den Erfahrungen der folgenden Europรคischen Mobilitรคtswoche und nach Verstetigung werden ab 2024 Empfehlungen gegeben, wie autofreie Tage mit zunehmender Hรคufigkeit durchgefรผhrt werden kรถnnen.โ
Wie der Petitionsausschuss des Stadtrates sich positioniert, ist noch offen.
Wobei die Antwort eigentlich auch deutlich macht, dass autofreie Sonntage auf dem Ring nicht nur fรผr die Umweltvereine und Initiativen wichtig sind. Hier kรถnnte die Stadt ihre Bรผrger auch schon mitnehmen in die Visionen fรผr einen anderen Promenadenring, der tatsรคchlich so menschenfreundlich ist, wie im Videoclip beschrieben.
Empfohlen auf LZ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 4 Kommentare
@Michael Freitag: ein weiterer Schritt hin zur DDR, die hat auch alles per Verbote geregelt.
Herr Freitag, da wรคre ich bei Ihnen. Machen wir zusammen eine Petition oder legen Sie alleine vor?
Ich hรคtte dabei nur gern, dass die Wahrnehmung der Bevรถlkerung und der Medien die wรคre, dass es ein Vorschlag von Greenpeace oder der grรผnen Partei sei. Dann wรผrde man bei der nรคchsten Stadtratswahl tatsรคchlich auch voran kommen.
@Sebastian: eine der seltenen Zustimmungen meinerseits โ allerdings mit anderer Schlussfolgerung ๐ Weg vom weitgehend โsymbolischenโ Sonntag, hin zum autofreien Montag ab Stadtgrenze fรผr Privat-Pkw ;-). Das wรคre eine Maรnahme, die eine Wirkung hรคtte.
> Autofreie Sonntage auf dem Innenstadtring hรคtten eine hohe symbolische Bedeutung.
Und mehr eben auch nicht. Und deswegen lehne ich sie ab. Danke an die Verwaltung fรผr die Stellungnahme. Die bisherigen Mรถglichkeiten รผber โAktionstageโ genรผgen m.E. vรถllig, um mal alles Mรถgliche auszuprobieren.
โ
> So wie das in der รlkrise 1973 auf westdeutschen Autobahnen ganz selbstverstรคndlich passiert ist.
Mit Sicherheit kennen wir alle aus den Medien die Bilder, auf denen Leute zu Fuร, zu Rad, zu Pferd auf einem kurzen Abschnitt West-Autobahn zu sehen sind. Ist ja auch mal ganz lustig, dort laufen zu kรถnnen wo es sonst nicht geht, wenn man denn nah an der Autobahn wohnt. Aber ebenfalls mit Sicherheit war es eins nicht: Selbstverstรคndlich. Ich gehe mit groรer Wahrscheinlichkeit davon aus, dass es dazu immense Diskussionen in der Gesellschaft und der damaligen Koalition dazu gab.
Eine weitere Folge der damaligen รlkrise war รผbrigens der Plan รผber Dutzende neue Kernkraftwerke. Man braucht hier an dieser Stelle nicht versuchen den Eindruck zu erwecken, man wรคre frรผher mal weiter gewesen als heute.