Bei einer Ratsversammlung Mitte Oktober wurde beschlossen, dass die Stadt Leipzig prüft, ob auf dem Innenstadtring ein Radfahrstreifen entstehen kann. Seit 27. April werden die ersten grünen Abschnitte nun mit Glättkellen und Spachteln auf dem Dittrich- und Martin-Luther-Ring aufgetragen. Zur Färbung mit dem sogenannten „Verkehrsgrün“ wird Reibeplastik verwendet.

In der Regel sind Fahrradwege nur an Konfliktstellen, wie etwa in Kreuzungsbereichen, eingefärbt. Hier weist eine rote Markierung auf die Gefahrenstelle hin. Die Komplementärfarbe Grün soll nun zu mehr Sicherheit und einem besseren Miteinander aller Verkehrsteilnehmer/-innen führen. Erste Ergebnisse aus einem Modellversuch in Berlin bestätigen dies.

„Die grüne Einfärbung macht den Radweg sicherer. Das zeigen Vorher-Nachher-Untersuchungen aus Berlin zu Radwegen, die dort grün markiert wurden“, erklärt Tino Supplies, verkehrspolitischer Sprecher des Ökolöwen. „So ist das Blockieren der Radwege durch Autos um 40 Prozent zurückgegangen. Das Sicherheitsgefühl der Radfahrenden nimmt zu. Der Anteil von Gehwegradler/-innen nimmt ab.“

Beim jetzigen Vorhaben wird der Dittrichring von zwei Spuren für Kraftfahrtzeuge auf eine reduziert. Bis Christi Himmelfahrt, 26. Mai, sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Mit dem Vorhaben setzt Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen um. Laut diesem soll erstmals seit 1975 der City-Ring wieder für Radfahrer/-innen nutzbar gemacht werden.

Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?

Doch auch wenn der 700 Meter lange Streifen zwischen Runder Ecke und Neuem Rathaus eine Zone der Sicherheit schafft, sorgt er kurz vor der Kreuzung Dittrich-/Martin-Luther-Ring für einige Gefahrensituationen. Kurz vor der Kreuzung endet der Fahrradstreifen nämlich abrupt und ohne Vorwarnung – und lässt Radfahrer/-innen oft verzweifelt zurück. Wenn sich Auto und Fahrrad auf einmal wieder die Straße teilen müssen, weichen die Radler/-innen dann doch lieber über den Grünstreifen auf den Gehweg aus, der für Fahrräder freigegeben ist. 

„Die Fußwege gehören aber den Fußgänger/-innen und das ist auch richtig so“, so Supplies vom Ökolöwen. Der Radfahrstreifen gehe der Initiative noch nicht weit genug. „Wir fordern weitere Radfahrstreifen auf dem Promenadenring. Auch in den benachbarten Hauptstraßen, wie beispielsweise in der Harkortstraße, muss gleich weiter markiert werden. Die Leipziger Radweglücken müssen schnell geschlossen werden.“

Auf Anfrage, warum der Radweg abrupt ende, teilt das Verkehrs- und Tiefbauamt der Stadt Leipzig mit: „Dies ist notwendig, da ansonsten die Leistungsfähigkeit für den Kfz-Verkehr zu gering wäre und dieser im Rückstau die Querungsstellen für alle anderen Verkehrsteilnehmer zustellen würde.“

In den kommenden Wochen werde dann die gegenüberliegende Seite vom Neuen Rathaus bis zur Runden Ecke mit einem Radfahrstreifen versehen: „Hier wird es nur vor dem Knoten Thomaskirchhof ein Stück Mischverkehr geben, um die Leistungsfähigkeit im notwendigen Umfang zu erhalten.“

Ob diese plötzlich auftretenden „Stücke Mischverkehr“ nicht zu noch mehr Gefahrensituationen führen, scheint zweifelhaft. „Der Radverkehr ist nicht gezwungen, hier im Mischverkehr mitzufahren“, so die Antwort der Stadt. 

„Einseitig ideologisch motivierte Behinderung des Autoverkehrs“

Bei der Leipziger CDU stößt das Vorhaben auf breites Unverständnis. Mit der parallel zum Dittrichring verlaufenden Fahrradstraße sei schon längst eine Alternative für Radfahrer/-innen gegeben: „Es geht bei dem Radweg auf dem Ring nicht Verkehrssicherheit, sondern es ist eine einseitig ideologisch motivierte Behinderung des Autoverkehrs. Diese Verengung auf eine Fahrspur verursacht Stau und mehr Emissionen und ist das Gegenteil von mehr Sicherheit im Verkehr.“ 

Pkw-Fahrten auf dem Leipziger Ring. Quelle: Stadt Leipzig
Pkw-Fahrten auf dem Leipziger Ring 2020/21. 25.800 Pkw auf dem Dittrichring. Quelle: Stadt Leipzig

„Die aktuell längeren Rückstaus auf dem Dittrichring stehen zum einen auch mit den Einschränkungen durch die Markierungsarbeiten und der durch eine Gleisbaumaßnahme bedingten Sperrung der Käthe-Kollwitz-Straße im Zusammenhang“, erklärt das Verkehrs- und Tiefbauamt hierzu. (Hier alle Straßenbelegungen mit Pkw laut Stadt Leipzig 2020/21 / PDF)

Generell müsse man die Verkehrsraumgestaltung aus vielen Perspektiven betrachten, heißt es weiter: „Grundsätzlich gilt, dass entsprechend einem Gerichtsurteil der Radverkehr auf bestimmten Teilen des Innenstadtrings zuzulassen ist und dies wiederum sichere Radverkehrsanlagen erfordert. Dies ist unabhängig davon, ob bzw. dass auch andere Routen durch die Innenstadt zur Verfügung stehen.“

Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Leipzig, zweifelt die Validität des Gerichtsurteils an: „Sowohl auf dem Dittrich- als auch auf dem Martin-Luther-Ring fahren täglich zwischen 30.000 und 40.000 Fahrzeuge. Zur Bewältigung solcher Verkehrsmengen empfehlen die Richtlinien zur Anlage von Stadtstraßen die Vorhaltung von vier Fahrstreifen.“

Das Urteil ignoriere diese Richtlinien. 

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Wenn die Leipziger CDU von “Fahrspuren” spricht, obwohl es sich um Fahrstreifen handelt, kann es um die Expertise nicht besonders gut gestellt sein. Und eine parallele Fahrradstraße gibt es auch nicht, nur Einzelbereiche, unterbrochen von Passagen mit Schrittgeschwindigkeit. In der IHK scheint man da schon ein Stückchen weiter zu sein, unterschlägt aber, dass die Richtlinien hier mit der ERA 2010 konkurrieren, welche in diesem Belastungsbereich eindeutig eine Trennung (vulgo Radfahrstreifen) fordern. Zumal Richtlinien eben Richtlinien sind, entscheidend ist das rechtskräftige Urteil.
Radfahrende wurden Jahrzehnte widerrechtlich vom Ring ferngehalten, zudem Alternativrouten extrem unattraktiv gestaltet. Statt sich über viele Jahre illegale Ruhe zu freuen, wird Stimmung gegen die aktuelle Rechtslage gemacht. Und wer sich aus dem Auto heraus über “überflüssige” Radwege ärgert, hat bereits den halben Weg der Erkenntnis zurückgelegt.

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