Das Sachsenpokal-Halbfinale des Bischofswerdaer FV gegen den 1. FC Lok hat Fragen zur Sicherheit in Fußballstadien aufgeworfen. Etwa 120 Personen war es vor dem Spiel gelungen, unkontrolliert in den Gästebereich der Leipziger zu gelangen. Die Polizei musste gegen Spielende die Präsenz im Stadioninnenraum verstärken, um Personen am Platzsturm zu hindern. Fans berichten von unbekannten Gesichtern, die zugedröhnt beim Elfmeterschießen den Aufstand proben wollten – in einem Stadion, das in Leipzig sicherlich keine Abnahme gefunden hätte.

Der Wesenitz-Sportpark in Bischofswerda ist ein gutes Stadion – einst für die DDR-Oberliga gewesen. Heutigen Sicherheitsanforderungen entspricht es nicht mehr, schon gar nicht für ein Spiel mit großem Fanandrang. Das wurde allen Beteiligten am Sonntagnachmittag beim Sachsenpokal-Halbfinale des Gastgebers Bischofswerdaer FV gegen den 1. FC Lok Leipzig klar.

Im Stadion gibt es keine festinstallierten Sicherheitszäune, die Treppen und Borten stehen schief und sind unterschiedlich hoch, der Handlauf rund ums Spielfeld ist eine schöne Zierde – mehr nicht. Da waren die Trainerbänke, die aus zwei Festzelten und mehreren Gartenstühlen bestanden (mit Sitzkissen) noch eine lustige Randerscheinung.

Die Verhältnisse im Gästebereich waren hingegen weniger spaßig. Ein Anstellen an der Kasse war nicht notwendig, denn es war auch möglich, einen Zaun einzutreten und so den Sicherheitscheck zu umgehen.

An den Trainerbänken fehlte eigentlich nur noch die Lichterkette. Foto: Marko Hofmann
An den Trainerbänken fehlte eigentlich nur noch die Lichterkette. Foto: Marko Hofmann

Eine Entwicklung mit Ansage

Das taten vor Spielbeginn zirka 120 Personen, die so unkontrolliert und ohne Bezahlung in den Gästeblock gelangen konnten. Dieser war mit einem doppelten Bauzaun gesichert. „Der kippte uns Spielern allerdings schon entgegen, als nur drei Fans mit uns abklatschen wollten“, berichtet ein Lok-Spieler, der nicht genannt werden möchte und nachsetzte: „Ich hätte als Polizei hier nie anpfeifen lassen.“

Schon vor Spielbeginn ereiferten sich Mitglieder des Lok-Vorstands ob der Zustände im Stadion. „Beim 1. FC Lok muss immer alles piekfein sein und es wird immer auf die Einhaltung der Sächsischen Versammlungsordnung gedrungen. Hier ist auch Sachsen, hier gilt die Verordnung auch, aber ich sehe einiges, was in Probstheida nie durchgegangen wäre.“ Neben den genannten Missständen waren insbesondere die teils zu niedrigen Geländer und die steile Gästetribüne ohne Treppengeländer gemeint.

„Wenn da jemand ins Schlingern gekommen wäre, der wäre bis unten durchgerutscht“, so eine Vereinsordnerin. Noch vor dem Spiel hielten Sicherheitsfirma und Polizei eine informelle Konferenz ab, in der über das weitere Vorgehen diskutiert wurde. Was tun mit den 120 Fans, die da nun im Gästeblock sind und von denen niemand weiß, was sie vor- und vor allem mithaben. „Ich werde keine Leute in den Block schicken. Wir werden uns zwanzig Minuten vor Spielende vor dem Block aufbauen und unsere Präsenz verstärken“, so der Einsatzleiter der Polizei. „Wenn Sie als Ordner nichts mehr machen können, müssen Sie die Zuschauer aufs Spielfeld rennen lassen.“

Ruhe vor dem Sturm: Der bauzaungesicherte Gästeblock erwartet seine Besucher. Foto: Marko Hofmann
Ruhe vor dem Sturm: Der bauzaungesicherte Gästeblock erwartet seine Besucher. Foto: Marko Hofmann

„Wir sind Lokfans und ihr nicht“

Als Mitte der zweiten Halbzeit plötzlich ein Teil des Doppelsicherheitszaunes fehlte, schritt die Polizei noch rechtzeitig ein, trieb die am restlichen Zaun rüttelnden Personen, die auch Teile des Caterings zweckentfremdet hatten, mit Pfefferspray zurück und bezog Stellung. Die rund 2.000 Lok-Fans jubelten beim Pfefferspray-Einsatz und skandierten: „Wir sind Lok-Fans und ihr nicht!“

Ein Teil der Rowdys sollen ehemalige Mitglieder der einst vom Verfassungsschutz beobachteten „Scenario Lok Leipzig“ gewesen sein, teilweise mit Stadionverbot beim 1. FC Lok belegt. Der Rest war unbekannter Herkunft und vor allem eines: sturzbetrunken. „Die wollten zum Elfmeterschießen den Platz stürmen, daran sieht man doch, dass die mit Lok und Fußball nichts am Hut haben“, echauffierte sich Lok-Präsident Jens Kesseler nach dem sportlichen 5:3-Sieg der Probstheidaer. Ein Fan berichtete: „Die haben die ganze Zeit nicht aufs Spiel geschaut, die wollten nur ihre Hooligan-Meisterschaften durchziehen.“

Letztlich verhinderte die Polizei Schlimmeres, musste quasi ausbügeln, was bei konsequenter Umsetzung der Sicherheitsrichtlinien wohl nicht passiert wäre – oder bei einer Verlegung ins erprobte Plache-Stadion. Lok hatte eben dies dem Bischofswerdaer FV mehrmals angeboten.

Die Oberliga-Nostalgie im Wesenitz-Sportpark dürfte heutigen Sicherheitsanforderungen wohl kaum gerecht werden. Foto: Marko Hofmann
Die Oberliga-Nostalgie im Wesenitz-Sportpark dürfte heutigen Sicherheitsanforderungen wohl kaum gerecht werden. Foto: Marko Hofmann

Lösungssuche

„Wir organisieren jede zweite Woche Spiele mit 2.000 oder 3.000 Zuschauern. Für uns ist das Routine“, so der Geschäftsführer der Spielbetriebs-GmbH, Martin Mieth, der für Lok an den Sicherheitsberatungen teilnimmt. Bischofswerda lehnte mehrere Offerten ab, Lok war dabei sogar bereit gewesen, für den Heimrechttausch auch Geld zu bezahlen.

Bischofswerdas Präsident Jürgen Neumann verfiel nach Spielende in einen wohlfeilen Vorschlag, man solle solche Vereine wie Lok verbieten. Von Jens Kesseler um echte Lösungsvorschläge gebeten, hatte er allerdings keine Antwort parat. Zusätzlich kurios wurde die Szenerie dadurch, dass Bischofswerdaer Zuschauer die Vorgänge mit ihren Telefonen filmten, auch das Abbrennen von Bengalos zu Spielbeginn. Weit nach Spielende machten sich noch zwei betrunkene Heimfans Richtung Gästeblock auf, rüttelten am Zaun, spuckten in den Gästeblock. Die Polizei nahm beide in Gewahrsam.

Im Gegensatz zum Spielabbruch in Erfurt vor fast zwei Jahren, machten die Beamten insgesamt wenig Tamtam und sicherten so zumindest das Spiel ab. Offizielle Statistiken zu Verletzungen sind bisher nicht veröffentlicht: Direkt nach dem Spiel war von sieben verletzten Beamten und mehreren verletzten Zuschauern im Lok-Bereich die Rede.

Und eine offene Frage, die nicht zum ersten Mal bleibt: Wie soll sich ein Fußballverein vor solchen Vorkommnissen auswärts schützen? Einen Teil der Antworten haben zumindest die Fans mit ihrer offensiven Distanzierung bereits während des Spiels geliefert.

Update 27. März 2017

Am Morgen des 27. März 2017 berichtete nun der MDR weitere Details zu den Vorgängen bereits vor dem Spiel. So sei es am 26. März bereits vor der Pokalpartie „zu schweren Ausschreitungen gekommen. Nach Angaben der Polizei wurden dabei sieben Menschen verletzt, darunter zwei Polizisten und zwei Ordner. Den Angaben zufolge haben Leipzig-Fans den Gästeeingang gestürmt.“

Dabei sei ein Bierstand zerschlagen worden und mehrere Scheiben gingen zu Bruch, Polizeibeamte wären von den Randalierern mit Flaschen und Kisten angegriffen worden. „Auf einen Polizisten sei mit einer Eisenstange eingeschlagen worden.“, so der MDR. Von gerade einmal neun Personen wurden die Personalien aufgenommen, 15 Strafanzeigen wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und Abbrennens von Pyrotechnik seien nun aktenkundig.

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Keine Kommentare bisher

Hm. War ab ca. 13:20 am/im Stadion. Da schien alles ruhig zu sein… Das Auseinandernehmen des Bierstandes und das Bewerfen der Polizisten mit Kästen daraus und einem Rohr vom kaputten Bauzaun war erst kurz vor Ende des Spieles…
Dass das Stadion nicht höchsten Sicherheitsanforderungen genügt, war unübersehbar. Aber sollte es nicht eigentlich möglich sein, ein Fußballspiel zu besuchen, ohne dass die Stadien zu Hochsicherhetstrakten umgebaut werden müssen…?

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