Am Samstag präsentierte der beitragsfinanzierte Mitteldeutsche Rundfunk einen Bericht über die angeblich schlechte Finanzlage beim 1. FC Lok Leipzig. MDR-Recherchen sollen belegen, dass der Klub am finanziellen Tropf eines Steuerberaters hängt. Ex-Manager Ziegenbalg bejubelt öffentlich, er hätte kaltgestellt werden müssen, weil er anderen im Verein zu gefährlich wurde. Nicht das erste Mal, dass der MDR auf Quote, statt auf Verstand geht. Eine Geschichte über alte Seilschaften und einfaches Medienmachen im 21. Jahrhundert.

Es ist Sonntagabend als beim Redakteur dieses Artikels das Telefon kurz aufleuchtet. Wolf-Rüdiger Ziegenbalg meldet sich per Whatsapp. Ziegenbalg? Der Ex-Manager des 1. FC Lok wollte im Mai bei einem Anruf nichts Näheres zu seiner Situation sagen, speicherte aber die Telefonnummer. Seitdem ruhte der Kontakt, bis Ziegenbalg den Link einer Leipziger „Mitmach-Zeitung“ offenbar an mehrere Kontakte versendet. In dem Artikel werden Vorwürfe gegen den 1. FC Lok erhoben. Warum diese Kontaktaufnahme nach fast sechs Monaten Funkstille und im Prinzip keinem Kontakt?

Ein Blick in das Internetforum des 1. FC Lok gibt Aufschluss. Dort schreibt der mittlerweile 70-Jährige Ziegenbalg unter dem Kürzel WRZ regelmäßig, wettert gegen das aktuelle Lok-Präsidium und hebt seine Arbeit hervor. In einem TV-Beitrag des Mitteldeutschen Rundfunks vom Samstag trat er selbst vor die Kamera und erhob schwere Vorwürfe. Es gäbe Zahlungsschwierigkeiten und Mittel würden anders verwendet als gedacht.

Belegen sollen dies neben den Aussagen Ziegenbalgs noch interne Dokumente, die nur einem kleinen internen Kreis zugänglich sind und vermutlich von ihm selbst stammen. Vor seiner Zeit waren keine Interna an die Öffentlichkeit gelangt, der Personenkreis hat sich bis auf WRZ nicht verändert.

Pikanterweise meldete sich der MDR kurz nach dem Ausscheiden. Das sogenannte Rechercheteam des Senders sandte einen Fragenkatalog an den Verein, der nur mit Interna des Vereins möglich war und andererseits auch hanebüchene Behauptungen enthielt. So soll der Fanshop aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten beim Ausrüster keine Ware mehr erhalten. Eine Behauptung, die sich durch eine Ortsbegehung leicht zurückweisen ließe.

Lok wollte sich gegenüber dem MDR zunächst nicht äußern, verwies darauf, dass man wie immer erst auf der Mitgliederversammlung offiziell über Zahlen spreche. Bei einer erneuten Kontaktaufnahme vor wenigen Wochen wiederholte sich das Spiel. Man verabredete sich zu einem Gespräch in der anstehenden Woche. Ohne das Gespräch abzuwarten, brachte der MDR nun seinen Beitrag als Aufmacher für seine Sendung „Sport im Osten“ und vertraute dem Ex-Präsidenten von Dynamo Dresden und auf teils zehn Monate alte Dokumente.

Quasi als Alleinstellungsmerkmal des Klubs wird hervorgehoben, dass Lok von Sponsor ETL abhängig sei. Welche Vereine sind nicht von einem einzelnen oder einigen wenigen Sponsoren abhängig? In Leipzig gibt es mindestens einen weiteren Verein. Dass die Umstellung auf den Profispielbetrieb nur durch ETL möglich war, wie im Beitrag behauptet, ist auch keine Neuigkeit. Wozu also ein Beitrag von fast sechs Minuten Länge?

Der im Unfrieden von Lok geschiedene Ex-Manager hatte nach seiner Demission vermutlich noch eine Rechnung offen. Ziegenbalg hatte dem Verein nicht einen, sondern mehrere Investoren versprochen, die beim Stadionneubau helfen sollten. Als nichts passierte und vor allem WRZ dabei war, die guten Kontakte zur Stadt und zu Sponsoren zu ruinieren, zog der Verein die Reißleine.

Lok Leipzig stellte schon am Samstag in einer Pressemitteilung klar, dass der Verein keine finanziellen Probleme habe, sondern sogar ein kleines Plus erwirtschaftet habe. Näheres wolle man zur Mitgliederversammlung am 23. November verkünden.

Die Folgen der Berichterstattung sind für den Verein enorm. Die Vereinsvertreter sind alle neben ihren eigentlichen Berufen als Geschäftsmann, Gastwirt, Werbekaufmann oder Projektmanager ehrenamtlich für Lok tätig. Der vom MDR verkündete Schuldensumpf ließ die Drähte glühen. Fans und Sponsoren waren beunruhigt, mussten besänftigt werden.

Und das binnen zwei Wochen zum zweiten Mal wegen einer Berichterstattung, die offenbar nicht journalistischen Sorgfaltspflichten entspricht. Schon über die angebliche Skandierung von „Sieg Heil!“ bei einem Fanlied des 1. FC Lok berichtete der MDR, wohl wissend, dass es vor dem Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits ein Video gab, was die Unschuld des Klubs belegte.

Ähnlich agierte zuvor schon „Bild“ Berlin, die die Meldung beim Verein vorankündigte, ohne dass er diese verhindern konnte. Dass am Ende nichts an den Rufen dran war, sondern „Niemals“ statt „Sieg Heil“ gerufen wurde, versendete sich im allgemeinen Tagestrubel.

Dass die Fans des Vereins beim Spiel gegen den BFC („Eine U-Bahn von Probstheida bis nach Auschwitz bauen wir“) und in Chemnitz („Schwule Liebe ist ok, Leipzig und der HFC“) Diffamierungen der untersten Schublade ausgesetzt waren, berichteten beide Medien nicht.

Das hat allerdings auch mit Präsenz zu tun. Redakteure von MDR.DE und MDR TEXT sind so gut wie nie im Stadion, nehmen nur das wahr, was ihnen offensichtlich auf den Schreibtisch getragen wird oder über Presseagenturen reinkommt. Dazu ist nicht jeder Verein das liebste Kind des Senders. Während die höherklassigen Vereine getätschelt werden, wird sich auf negative Meldungen zu anderen Sportvereinen geradezu gestürzt.

Wann was berichtet wird, ist im Kompetenzgerangel nie ganz klar. Zumeist gibt das Fernsehen vor, ob Meldungen online gebracht werden oder nicht. Und das hat am Ende auch viel mit Sympathie zu tun. Da kommt ein beleidigter Mann gerade recht. WRZ durfte sich beispielsweise schon im Mai zum 1. FC Lok äußern, obwohl er da schon entmachtet war. Die Redakteure sind da nur Befehlsempfänger. Und während bei Rot-Weiß Erfurt der Staatsanwalt wegen Insolvenzverschleppung ermittelt, sendet der MDR lieber sechs Minuten eine verkappte Folge von „Verklag mich doch“.

Keine Erfolgsgeschichte bei Lok Leipzig (seit 4.11.2018 für alle Leser frei)

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Lok Leipzig: Der MDR, die Sorgfaltspflicht und ein Scheinzeuge

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