Hinter jedem großen Mann steht eine Frau und sorgt dafür, dass er sich auf seine großen Taten konzentrieren kann. Sie organisiert ihm den Haushalt, gebiert und erzieht ihm die Kinder, versorgt die Küche und sorgt da für freundlichen Ausgleich, wo der cholerische Machtmensch mal wieder Scherben hinterlassen hat. So ging's auch bei August und Anna zu. Sehr zur Freude von Regina Röhner.

Denn die war eigentlich in den Archiven und Überlieferungen eher auf der Suche nach den Quellen für die heutige sächsische Küche. Es ist eine moderne Küche. Eine internationale Küche. Wer ein sächsisches Kochbuch kauft, kommt ohne Importe und seltenere Zutaten nicht aus. Es ist auch eine bürgerliche Küche – ganz im klassischen Sinn: die Küche der betuchteren Bürger. Nur in Spuren hat die ärmere Volksküche ihren Weg in die Kochbücher gefunden.

Nicht ganz zufällig stolperte Regina Röhner bei ihren Recherchen über die Kurfürstin Anna von Sachsen, die bei ihrer Geburt 1532 noch Königstochter war – die Tochter des Königs von Dänemark. Mit 600 berittenen Begleitern brach sie 1548 auf zu ihrer Hochzeit mit Herzog August von Sachsen.Der war da noch nicht Chef im Land – das war sein Bruder Moritz. Der trug seit 1547 die Kurfürstenwürde, die nach Moritz’ Tod 1553 an August überging. Das war der Tag, an dem aus Anna die sächsische Landesmutter wurde. Und weil sie sich unübersehbar auch für das Wohlergehen des Landes, einen gesunden Landeshaushalt, gute diplomatische Beziehungen und das Wohlergehen der Landeskinder bemühte, erwarb sie sich wohlverdient den Titel “Mutter Anna”.

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Vielleicht steckt auch eine gewisse Anerkennung für ihre eigene Mutterrolle mit darin, denn sie gebar August immerhin 14 Kinder, von denen nur vieren ein etwas längeres Leben beschert war. Aber auch Anna wurde nicht wirklich alt. 53 Jahre war sie, als sie 1585 starb. August überlebte sie nur um ein Jahr. Dabei hatte sie sich, wie wenige andere Landesmütter, auch intensiv mit Medizin beschäftigt, fertigte selbst Wässerchen und Hilfsmittel an, stellte das berühmte “Aqua Vitae” her, für das sie mehrere eigene Labore unterhielt. Der Volksmund (oder war es einer der üblichen Märchenerzähler?) schrieb ihr den Besitz des Steines der Weisen zu.Dabei war sie wohl nur neugierig auf eine Weise, wie es sonst eher moderne Wissenschaftler sind. Sie sammelte Rezepte, hatte eine eigene Buchsammlung, die sich vor allem mit Gesundheitsthemen beschäftigte. Aber auch Kochbücher sammelte sie mit Leidenschaft, überließ es nicht dem Gesinde, die fürstliche Tafel zu bestellen. Immerhin hatte sie am dänischen Königshof gelernt, wie man einen Fürstenhaushalt organisiert. Bis in die landwirtschaftlichen Vorwerke hinein beschäftigte sie sich mit diesem ur-weiblichen Thema. Denn wenn im 16. Jahrhundert von “Heim und Herd” gesprochen wurde, dann war etwas anderes damit gemeint als das, was moderne Schmalspur-Politiker damit meinen. Bürgerliche und adelige Häuser waren richtige Wirtschaften. Fast alles musste noch aus den Naturprodukten hergestellt werden. Und auch für deren Beschaffung und Bevorratung waren die Frauen zuständig.

Verständlich, dass sich Anna also auch darum bemühte, nicht nur die heimischen Produkte in der Küche verarbeitet zu bekommen (und die Vielfalt war deutlich größer als heute – vom Wild bis zum Fischreichtum des Landes), sie versuchte auch nützliche Pflanzen in Sachsen heimisch zu machen und sandte ihren Leibarzt aus, vom österreichischen Hof neue Rezepte mitzubringen.
Exotische Zutaten ließ sie sich aus Leipzig kommen – unter anderem vom weiland bekannten Hieronymus Lotter, der zuallererst Kaufmann war, bevor er sich in die teuren Bauabenteuer für seinen Landesherrn stürzte. Das Schloss Augustusburg, das er in vier Jahren und mit Schulden hochzog, baute er dem zürnenden August dennoch nicht schnell (und billig) genug. Da konnte auch Anna nur wenig ausgleichen.

30 Rezepte beschließen den Band, der zuallererst eine kleine Biografie der sächsischen Kurfürstin ist, Rezepte, die einesteils direkt aus ihrer Haushaltung überliefert sind und zeigen, was an Süßigkeiten und Braten auf die fürstliche Tafel kam. Aber auch das berühmte Sauerkraut des Kurfürsten findet seinen Platz, ebenso diverse Eierspeisen oder variierbare Truthahn-Pasteten. Salate fehlen ebenso wenig wie “Äpfel in Nonnenteig”. Oder gar Annas Rezept zum Einmachen von Kirschen. Denn auch um das Haltbarmachen der Sommerernten musste sie sich ja kümmern. Die Vorratskeller des Kurfürsten mussten gut gefüllt sein. Und selbst wenn August auf Reisen ging, musste die gute Verpflegung nachgeliefert werden. Denn auch an fremden Höfen aß man seinerzeit nicht immer so fürstlich wie in Dresden, Augustusburg oder Wolkenstein. Annas eigenes Schloss nicht zu vergessen: Annaburg.

Regina Röhner hat die Rezepte vorsichtig den heutigen Möglichkeiten angepasst, so dass sie auch für heutige fürstliche Mahlzeiten zubereitet werden können. Selbst die Temperamente-Lehre kann, wer will, beachten. Wer mit einem cholerischen August gesegnet ist, darf durchaus jede Menge Sauerkraut auftischen. Das besänftigt das überschäumende Gemüt.

Nur bei Lotter auf der Augustusburg hat’s ja bekanntlich nicht geholfen. Vielleicht fühlte sich August aber auch von dem 20 Jahre älteren Baumeister ein bisschen zu oft belehrt.

 

Regina Röhner “Eine Kurfürstin in der Küche”, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2012, 9,90 Euro

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