Mit Kindern kann man was erleben. Und was man mit ihnen erleben kann, das spiegelt sich in der phantasiereichen Geschichte vom Miesepups, den Kirsten Fuchs 2016 erstmals aus seiner Höhle lockte. Denn Miesepups ist jeder mal, hat keine Lust zu nichts, will am liebsten im schönen Moosbett bleiben und schon gar nicht all die verrückten Leute da draußen sehen. Da muss man gar kein ganz kleines Kind mehr sein.

Man darf auch ein ganz großes sein. Wobei: Mit dem dürfen ist das so eine Sache. Denn wenn die Miesepeter 50, 60, 70 Jahre alt sind und noch immer grämlich und angeödet von den anderen da draußen, dann wird es vielleicht doch mal Zeit darüber nachzudenken, was da schiefgelaufen ist. Ob ihnen was fehlt. Etwas Elementares. Und darum geht es ja in der nunmehr zweiten Geschichte von Kirsten Fuchs über den Miesepups.

In der ersten ging es um das Rausgucken. Kucken auf Berlinerisch. Denn da wollte ja unbedingt jemand neugierig in die Höhle des Miesepups kucken: das Kucks.

Worauf natürlich Miesepups anfangs sehr irritiert reagierte.

Kennt man, nicht wahr?

Und hat dabei eher nicht die Gesichter von Kindern vor sich, die lieber im Bett bleiben wollen, weil es da drin so schön ist. Sondern die miesepetrigen Gesichter alter Leute, die einen gleich anblaffen: „Will ich nich. Kenn ich nich. Sollen verschwinden.“

Wie gesagt: Manche haben da irgendwie im Kindesalter was verpennt. Vielleicht weil bei ihnen kein Kucks vorbeikam. Oder weil die eigentlich schon etwas gestressten Eltern es irgendwann aufgaben, Miesepups vom Fernseher wegzukriegen und raus an die frische Luft. Ist ja nicht nur das Moosbett, in dem man sich verkriechen kann. Unsere modernen Medien sorgen ja noch viel effektiver dafür, dass Kinder früh schon lernen, dass schlechte Laune, Faulheit und schnodderige Antworten ganz gut dazu geeignet sind, sich das ganze Leben da draußen vom Hals zu halten. Stört ja nur.

Buch Nr. 1 erzählte also davon, dass Miesepups eine für ihn überraschende Entdeckung machte.

Was ihn noch nicht ganz aus der Höhle brachte.

Deswegen Buch Nr. 2. Denn wenn man erst einmal so ein Kucks hat, dann passiert was. Das weiß jeder, der einen Freund oder eine Freundin gefunden hat, die ihn rauslocken aus seiner Brüterhöhle: Kuck mal, wie aufregend es hier draußen ist!

Grämliche alte Miesepeter sagen dann: „Will ich nich. Soll verschwinden.“

Kann Miesepups aber nicht mehr sagen. Denn es ist seltsam: Wenn man so einen Freund wie das Kucks hat, dann passiert was mit einem. Dann hat man so etwas Komisches wie eine Beziehung. Dann hat man das dumme Gefühl, dass einem dieses Andere irgendwie wichtig ist und fehlt, wenn es mal nicht da ist.

Das ist der Anfang dieser Geschichte, die Cindy Schmid wieder mit liebevoll-lustigen Collagen versehen hat.

Vielleicht ist es genau das, wovor sich die alten Miesepeter fürchten: Dass sie dann, wenn sie sich auf irgendwen von da draußen einlassen, verpflichtet fühlen könnten. Das ist ja nicht das, was in dieser Gesellschaft gewollt wird. Hier soll sich ja niemand verpflichtet fühlen. Oder gar Verantwortung empfinden für alle.

Die Geschichten vom Miesepups sind also kleine, fröhliche Unterwandergeschichten. Die davon erzählen, dass da draußen etwas ist, was erst mal fremd ist und vielleicht ein bisschen viel auf einmal. Und dass man dabei Erfahrungen machen könnte, Leute kennenlernen. Nicht nur das eine Kucks, das so herrlich neugierig war, sondern auch noch das Vanilleschniesel, den halben und den viertel Olm und die Berber. Die aber ganz klein sind. Früher waren sie mal größer.

Nichts gegen Berber, nicht wahr?

Quatsch mit Soße. Wer sich nicht aufmacht, um da draußen mit den Leuten am Wegesrand zu reden, der lernt die Berber niemals kennen. Der weiß gar nicht, was sie unter dem Heidelbeerbusch eigentlich treiben. Oder wer im See wohnt und seltsame Antworten gibt, wenn Miesepups fragt, wo das Kucks abgeblieben ist. Denn um das geht es die ganze Zeit. Denn anfangs ist es nicht da. Was in diesem Buch erst mal ein Problem ist. Im ersten Buch war es andersherum.

Es passiert ja so Komisches mit einem, wenn man sich erst mal einlässt auf Jemanden.

Etwas, was einen erst recht verwirrt, wenn man unterwegs so hört, was das Kucks alles angestellt hat. Etwas, was mitten im Gesicht von Miesepups passiert. Stimmt ja: Wenn man die ganze Zeit immer nur grämlich geguckt hat, ist das wie etwas Fremdes, was einem da ins Gesicht rutscht. Höchst beunruhigend.

Geradezu alarmierend! Wo kommen wir denn da hin, wenn schon die Erwähnung von so einem Kucks dazu führt, dass in unserem Gesicht unkontrollierte Sachen vor sich gehen?

Sollten wir unser Gesicht nicht unter Kontrolle haben? Werden wir jetzt gar noch gefühlig?

Nicht auszudenken.

Wobei: Miesepups ist ja schon unterwegs. Und je mehr er fragt und Leute kennenlernt, solche wie Heichhörnchen und Spinne, umso mehr merkt er auch noch, dass Wesen füreinander wichtig werden, wenn sie rumlaufen und miteinander reden.

Wo kämen wir da hin?

Na gut. Wahrscheinlich wird das Buch in Sachsen demnächst verboten. Oder gleich bundesweit, wenn die Miesepeter (wie zu erwarten) die Wahlen gewinnen. Also am besten einen heimlichen Buchhändler suchen, der einem das Buch noch besorgt, bevor das Verlassen grämlicher Höhlen endgültig verboten wird. Oder nach Berlin auswandern. Da gibt es noch Lebewesen, die einen frech angrienen, wenn sie einem in die personalisierte Höhle kucken: Was machst du denn da?

Ist das also wirklich nur eine Geschichte für Leute unter 12 Jahren? Oder darf man es auch älteren Höhlenbewohnern in die Hand geben? Ob das hilft?

Kirsten Fuchs, Cindy Schmid Der Miesepups hat was im Gesicht, Voland & Quist, Dresden und Leipzig 2017, 16 Euro.

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