Über 30.000 Orchideenarten gibt es weltweit. Jedenfalls, soweit man das weiß. Sogar in Deutschland wachsen 60 Arten. Doch zur beliebten Zimmerpflanze wurden die Orchideen erst im 19. Jahrhundert, als Abenteurer in alle Welt ausschwärmten, um die zauberhaft schönen Gewächse nach Europa zu bringen, wo ein regelrechtes Orchideenfieber ausbrach. Die kleine Vorgeschichte erzählt Heike Mohr natürlich gleich mit.

Die auch – wie sollte es anders sein – eine Geschichte des Plünderns war und sehr wahrscheinlich das Ende vieler Orchideenpopulationen bedeutete. Manch Prachtexemplar überstand die Reisen über die Weltmeere nicht. Denn was diese Pflanzen zum Leben brauchen, mussten Gärtner und Biologen natürlich auch erst herausfinden.

Was heute in den Baumärkten und Blumenläden angeboten wird, sind Kreuzungen, die industriell in Gewächshäusern herangezogen werden. Was sie überhaupt erst erschwinglich macht. Und sie sind auch längst nicht mehr so pflegeaufwändig wie noch vor 100 Jahren, auch wenn man einige Regeln beachten muss, wenn man sich die Blütenpracht auf dem Fensterbrett bewahren möchte.

Heiko Mohr gibt dazu ausführlich Pflege-, aber auch Rettungstipps, wenn die prächtige Pflanze doch einmal zeigt, dass man irgendetwas falsch gemacht hat.

Sie ermuntert die ganz mutigen Gärtner, sich auch mit dem Thema Orchideen im eigenen Garten zu beschäftigen. Auch das ist anspruchsvoll und braucht eine Menge Verständnis für die Ansprüche der Orchideen.

Lieber pflegeleicht beginnen

Und da gibt es dann natürlich die deutlich robusteren Orchideen für Anfänger und alle, die es eher nicht so mit dem geschickten Händchen für Pflanzen haben, die Phaleonopsis etwa, die Heike Mohr empfiehlt. Aber es gibt natürlich auch wesentlich anspruchsvollere Orchideen zu kaufen – erst recht, wenn man sie sich in einer der Orchideen-Gärtnereien besorgt.

Da kann es sogar bei aller Leidenschaft für diese prächtige Blütenpflanze so weit kommen, dass echte Orchideenliebhaber lieber gar nicht mehr in Urlaub fahren, weil es niemanden gibt, der sich in ihrer Abwesenheit genauso aufmerksam um ihre zarten Pfleglinge kümmern könnte.

Ein Problem, das ja Haustierbesitzer ebenfalls kennen: Leg dir eine Leidenschaft zu und siehe, die Leidenschaft bannt dich an Haus und Hof. Ergreift Besitz vom Besitzer. Und auf einmal dreht sich das ganze Leben nur noch um die Haustiere – oder eben die Orchideen. Man sollte sich wohl doch vorher Gedanken machen, wie weit man ein Hobby treibt – und hinterher nicht klagen.

Wer der Leidenschaft trotzdem frönen möchte, auch wenn er daheim den Platz nicht hat, hat ja in Leipzig Glück, denn hier lädt der Botanische Garten der Universität regelmäßig ein zur Orchideenschau. Da muss man nicht mal ins Flugzeug steigen, um tropische Blütenpracht genießen zu können.

Die gefährdeten Orchideen hierzulande

Natürlich gibt Heike Mohr eine kleine Übersicht über die wichtigsten im Handel erhältlichen Orchideenarten, ihren Charakter und die wichtigsten Pflegehinweise. Sie erinnert aber auch an jene heimischen Orchideenarten, die aus ganz natürlichen Gründen nicht dazu gehören, die man aber auf streng geschützten Orchideenwiesen zur Blütezeit bewundern kann, um deren Pflege und Erhaltung sich besonders die Arbeitskreise Heimische Orchideen (AHO) bemühen. Trotzdem sind viele heimische Arten vom Aussterben bedroht.

Der Grund ist derselbe, der auch andere Tier-, Pflanzen- und Insektenarten an den Rand des Verschwindens bringt: Eine Übernutzung der Landschaft, die das Verschwinden der sensiblen Biotope zur Folge hat, in denen Orchideen in einer engen Symbiose mit anderen Pflanzen und Pilzen leben. Die intensive Landwirtschaft mit ihrem hohen Einsatz an Dünger und Pestiziden tut ein Übriges dazu.

Und wer den Umgang deutscher Behörden mit den immer noch forcierten Eingriffen in natürlich gewachsene Biotope verfolgt, sieht, dass das Bewusstsein für die Unersetzlichkeit geschützter Naturareale noch längst nicht auf der Ämterebene angekommen ist.

Noch immer gilt das Primat der Wirtschaft, tut man so, als würde man Güter gegeneinander abwägen und entscheidet dann am Ende doch wieder fürs liebe Geld und nicht für die wertvollen Naturareale oder gar die Schutztatbestände, die eigentlich im deutschen Naturschutzgesetz verankert sind.

Orchideenwiesen und eine Nutzpflanze

So gesehen sind die Orchideen aus dem Baumarkt oder dem Supermarkt auch eine Hilfe, geben sie Orchideenliebhabern eben doch die Möglichkeit, sich die Blütenpracht in die Wohnung zu holen, ohne dabei die unersetzlichen Pflanzen – etwa Knabenkraut und Frauenschuh – in der freien Natur schädigen zu müssen.

Dann doch lieber mit 49-Euro-Ticket in den Zug steigen und die Orchideenwiesen im Osterzgebirge oder die Orchideenwiese in Hinterhermsdorf bewundern. Aber Orchideenwiesen gibt es auch im Oberholz und am Störmthaler See. An letzterem sind sie gefährdet.

Doch Heike Mohr stellt auch die einzige Orchideenart vor, die tatsächlich als Nutzpflanze verwendet wird – das ist die Vanille. Wobei die Freunde des Vanillearomas auch gleich erfahren, dass eben dieses Vanillearoma sehr wertvoll ist und natürlich nicht in allen Produkten im Supermarkt steckt, die nach Vanille riechen oder schmecken.

Aber wer den Vanillegeschmack mag, für den hat Heike Mohr auch noch ein Dutzend Rezepte mit Vanille zusammengetragen – vom Aztekenkakao bis zu Vanillekipferln mit Schokospitze.

Heike Mohr „Orchideen für Haus & Garten“, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2023, 6 Euro.

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