Seit Mittwoch, dem 5. März, sind in der Schatzkammer des Bach-Musums die beeindruckendsten Stücke aus der Sammlung Kulukundis zu sehen, die der New Yorker Sammler Elias N. Kulukundis dem Bach-Archiv als Schenkung überlassen hat. Die Ausstellung trägt nicht ganz zufällig den Titel „Bachs Söhne“, denn das Werk der vier musikalischen Bach-Söhne stand im Zentrum der Sammelleidenschaft des New Yorker Reeders und Musikforschers, auch wenn er nur zu gern Johann Sebastian Bach (1685–1750) zum Schwerpunkt seiner Sammlung gemacht hätte.
Aber das war schon seit den 1950er Jahren selbst für einen gut situierten New Yorker Unternehmer kaum mehr bezahlbar. Was zum einstigen Leipziger Thomaskantor auf den Markt kam, war auch für ihn praktisch unerschwinglich. Was tun? Also widmete er sich den vier Bachsöhnen Wilhelm Friedemann, Carl Philipp Emanuel, Johann Christoph Friedrich und Johann Christian.
Ein echter Glücksfall für die Bachforschung. Denn anders als ihr Vater, lagen die vier Bachsöhne noch völlig außerhalb der Aufmerksamkeit der Leute, die auf den Auktionen die Preise bestimmten. Und das, obwohl sie zu ihrer Zeit teilweise berühmter waren als ihr Vater, moderner sowieso.
Doch auch die Forschung konzentrierte sich auf Johann Sebastian Bach. Und es dauerte lange, bis auch die Musiker die Werke der Bach-Söhne wieder für sich entdeckten und dabei oft genug einem staunenden Publikum erstmals wieder hörbar machten, welche Meisterschaft in dieser Musik steckt. Die Söhne standen zu Unrecht im Schatten ihres Vaters.
Was nicht an ihnen und auch nicht an ihren Karrieren lag. Und auch nicht an ihrer Ausbildung, von der in diesem Katalog zur Ausstellung ebenfalls berichtet wird. Denn ihr Vater spannte sie schon frühzeitig in seine eigene Arbeit als Komponist ein. Sie lernten ihr musikalisches Handwerk von klein auf. Nur setzten sie das Werk des Vaters eben nicht einfach weiter fort. Dazu wussten sie viel zu genau, wie schnell sich auch zu ihrer Zeit der musikalische Geschmack änderte.
Ein paar Briefe nach Göttingen
Jedem einzelnen Bachsohn ist eine eigene biografische Skizze in diesem Katalog gewidmet, sodass die Leser/-innen selbst dann eine erste Vorstellung vom Wirken der vier Söhne bekommen, wenn sie sich noch nie mit ihnen und ihrer Arbeit beschäftigt haben. So wird auch die jahrelange Forschungsarbeit vom Elias N. Kulukundis greifbar, der seine Sammelstücke schon frühzeitig den Leipziger Forschern auch zu eigenen Forschungen überließ.
Peter Wollny, der Direktor des Bach-Archivs, würdigt im einführenden Beitrag die langjährige Zusammenarbeit mit dem bach-begeisterten Sammler aus New York. Und einige der Schriftstücke, die jetzt in der Schatzkammer zu sehen sind, findet man auch im Katalog – direkt zu den biografischen Beiträgen gestellt, so dass man die Bachsöhne mit ihren eigenen Noten und Briefen kennenlernen kann.
Wobei die Briefe Carl Philipp Emanuels an Johann Nikolaus Forkel in Göttingen auch in dieser Sammlung etwas ganz Besonderes sind, weil Carl Philipp Emanuel hier dem ersten Bach-Biografen viele der Informationen aus der Zeit mit seinem Vater zukommen ließ, die dann Eingang in Forkels Buch fanden und bis heute wichtige Einblicke ins Familienleben der Bachs ermöglichen, die es ohne Forkels Neugier nie gegeben hätte.
Es braucht immer einen, der rechtzeitig Fragen stellt, solange Augenzeugen noch am Leben sind. Rechtzeitig heißt: 1774, als auch Carl Philipp Emanuel schon hochbetagt und als Musiker erfolgreich war. Auch wenn Forkels Bach-Biografie dann erst 1802 erschien: „Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke“. Natürlich in Leipzig. Auch wenn die Legende ja bis heute geht, dass Johann Sebastian Bach damals fast vergessen war und dann erst „wiederentdeckt“ werden musste. Was so wohl nie gestimmt hat.
Am Anfang der Musikgeschichtsforschung
Aber auch bei solchen alten Legenden helfen die originalen Schriftstücke, die das Bach-Archiv sammelt. Geschichte lief meist viel turbulenter und vielschichtiger ab, als es die üblichen Legenden erzählen. Und das trifft eben auch auf die Musikgeschichte zu, deren Begründer in Deutschland im Grunde Forkel war. Sodass man mit einem Besuch in der Schatzkammer auch ein wenig dabei ist, diese frühe wissenschaftliche Neugier mit Tinte auf Papier zu sehen, mit der ein Göttinger Forscher ein neues Forschungsgebiet ins Leben rief.
Eigentlich anfangs ganz im Rahmen seiner (unvollendeten) „Allgemeinen Geschichte der Musik“. Aber gerade zu Johann Sebastian Bach hatte er am Ende so viel Stoff – eben auch durch dessen auskunftsfreudigen Sohn -, dass er sich dann zutraute, eine ganze Biografie über den Leipziger Thomaskantor zu schreiben.
Und das Schöne ist eben, dass man nicht nur die neue Sonderausstellung in der Schatzkammer des Bach-Museums besuchen kann, um die von Elias N. Kulukundis gesammelten Schriften im Original zu sehen. Man bekommt mit dem Katalog auch alles in die Hand, um selbst einmal einzutauchen in die Musikwelt der Bach-Söhne. Und in das Forscherleben von Elias N. Kulukundis.
Peter Wollny, Kerstin Wiese (Hrsg.) „Bachs Söhne. Die Sammlung Kulukundis“, Kamprad Verlag, Altenburg 2025.
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