Schon im Frühjahr berichteten die Ägyptologen der Universität Leipzig begeistert von ihren Ausgrabungen im alten Heliopolis, einer der legendärsten Städte Ägyptens, die jahrhundertelang wie vom Erdboden verschlungen war und dann unter einer riesigen Müllhalde wieder zutage kam. Jetzt waren die Ausgräber wieder in Ägypten - und wurden wieder fündig.

Und das noch mitten im Tempel, der sich im Frühjahr so überraschend im Grabfeld fand. Im Herbst 2015 hat ein 20-köpfiges Forscherteam um Dr. Dietrich Raue, Kustos des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig, den Tempel von Heliopolis untersucht. Ziel war, die im Frühjahr 2015 begonnenen Grabungen auszuweiten, die zu überraschenden ersten Hinweisen auf den Tempel des Pharao Nektanebos I (380 bis 363 v. Chr.) geführt hatten. Dabei machten die Archäologen erstaunliche Entdeckungen.

Unter den einzigartigen Fragmenten, die sie jetzt gefunden haben, befinden sich gut erhaltene Blöcke aus Basalt aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., die den Sonnengott und die Göttin Hathor nennen. Erstmals wurden auch Säulenfragmente zu einem bisher unbekannten Tempel des späten 2. Jahrhunderts v. Chr. entdeckt.

Darstellung des Sonnengottes als Kind um 380 v. Chr. Foto: Dietrich Raue
Darstellung des Sonnengottes als Kind um 380 v. Chr. Foto: Dietrich Raue

Der Tempel von Heliopolis war eines der religiösen Zentren des pharaonischen Ägyptens für mehr als 2.500 Jahre. Aufgrund der problematischen Lage im modernen Kairo ist der Tempel jedoch über weite Strecken hinweg vollkommen unerforscht. Die Bedeutung des Heiligtums wurde von der Annahme abgeleitet, dass an diesem Platz die Welt entstand und dort die irdische Hauptresidenz des Sonnengottes angesiedelt sei.

Und eigentlich kommt nun hinter fast jeder Ecke eine neue Überraschung ans Sonnenlicht. So jetzt auch Basalt-Fragmente einer geographischen Prozession: Hierbei werden alle Regionen des Landes mit einer Personifikation der Nilüberschwemmung einzeln dargestellt. Die Funde wurden in das Freilichtmuseum am Obelisken von Heliopolis gebracht und werden dort konservatorisch behandelt. Daneben wurden auch Säulenfragmente aus Kalkstein mit dem Namen des Herrschers Nektanebos I ausfindig gemacht.

“Mit dieser Menge an Funden kann inzwischen gesichert davon ausgegangen werden, dass die Blöcke nicht von weither gebracht wurden. Erstmals kann damit im Tempelbezirk von Heliopolis eine Gebäudeeinheit exakt lokalisiert werden”, sagt der Archäologe Dr. Aiman Ashmawy, der ägyptische Kooperationspartner. Zusätzlich fanden die Forscher Fragmente von Sphingen aus Rosengranit sowie einer Königsstatue des Merenptah (um 1200 v. Chr.), deren Oberteil im Frühjahr gefunden wurde.

Am Rande des Grabungsgebietes wurden erstmals große Säulenfragmente mit annähernd zwei Meter Durchmesser zu einem Tempel des späten 2. Jahrhunderts v. Chr. sichtbar. Aus dem gleichen Gebiet stammen auch Hinweise, die kunsthandwerkliche Tätigkeiten um 1250 v. Chr. in Gestalt von Farbpigmenten und Alabaster nachweisen.

Eine zweite Untersuchung im Süden des Geländes brachte ebenfalls bemerkenswerte Funde: Hier wurde ein Tempelabschnitt entdeckt, in dem Produktionsbereiche mit zahlreichen, erstaunlich gut erhalten Ofenanlagen aus dem 4. bis 2. Jahrhundert v. Chr. zu finden sind. Die Ausgrabungsstätte wurde vom Antikenminister Dr. Mamduh Eldamaty besucht, der angesichts der Entdeckungen seine weitere Unterstützung zusicherte.

“Der Einsatz für diese Rettungsgrabung hat sich gelohnt. Mit den jüngsten Funden konnte nun Zeit gewonnen werden. Schließlich besteht konstant die Gefahr der Überbauung dieses zentralen Denkmals der altägyptischen Kultur durch die moderne Millionenstadt Kairo”, sagt Raue. Die diesjährige Herbstkampagne wurde durch eine finanzielle Unterstützung des American Research Center in Egypt für Rettungsgrabungen ermöglicht.

An der Ausgrabung haben, neben Dr. Raue und Dr. Ashmawy, unter anderem zehn ägyptische Archäologen und Restauratoren teilgenommen, sowie vier Leipziger Studierende der Ägyptologie und ein niederländischer Zeichner. Ziel weiterer Kampagnen soll die Untersuchung weiterer Strukturen sein, die Jakub Ordutowski, polnischer Spezialist von der Akademie der Wissenschaften Warschau, in 3,5 Meter Tiefe entdeckte. Die Ausgrabung ist eine ägyptisch-deutsche Kooperation unter der Leitung von Dr. Dietrich Raue, Kustos des Ägyptischen Museums Georg Steindorff der Universität Leipzig und von Dr. Aiman Ashmawy vom Ägyptischen Antikenministerium.

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