Oft werden Akademien, wie die Sächsische Akademie der Wissenschaften (SAW), für überholte und verstaubte Institutionen gehalten. Wer so denkt, sollte an einer der öffentlichen Frühjahrs- oder Herbstsitzungen der SAW teilnehmen.
Zugegeben, die Akademieprojekte mögen manche Menschen nicht ansprechen, vielleicht halten einige diese sogar für überflüssig. Die SAW ist aber eine starke Stimme im Wissenschaftsbetrieb Mitteldeutschlands. Sie positioniert sich eindeutig, sowohl am 11. April 2025 auf der Frühjahrssitzung, als auch schon auf der Herbstsitzung 2024.
Die diesjährige Frühjahrssitzung fand im historischen Ambiente des Festsaales im Alten Rathaus zu Leipzig statt, was aber die Aktualität der Themen nicht berührte. Nach einer musikalischen Eröffnung durch Sebastian Fuß, von der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“, am Klavier, mit Stücken von Felix Mendelssohn Bartholdy und Sergej Rachmaninow, trat der Akademiepräsident ans Pult.
Prof. Dr. Hans Joachim Knölker setzte bereits in seiner Eröffnungsrede den Fokus auf die Wissenschaftsfreiheit, nach einigen Betrachtungen zu den multiplen globalen und lokalen Krisen.
„Äußerst beunruhigend ist es, dass die Freiheit der Wissenschaft in einigen Ländern der Welt zunehmend gefährdet ist. So hätte man es zum Beispiel noch vor einigen Jahren für unmöglich gehalten, was wir zurzeit in den USA in der am 20. Januar begonnenen Ära Trump 2.0 erleben. Auf geradezu erschreckende Weise vollzieht sich, wie im Zeitraffer, anscheinend ein Übergang von der Demokratie zur Autokratie.
Gleich zu Beginn dieser Ära wurden dubiose Personalentscheidungen gefällt. Ein Beispiel ist der bekennende Impfgegner Robert Kennedy Junior, der, man glaubt es kaum, Gesundheitsminister wurde.
Ein weiteres Beispiel von der anderen Seite des Atlantiks. Der Tech-Milliardär Elon Musk soll Präsident Trump bei der Kürzung der Regierungsausgaben helfen. Er führt ein speziell dafür geschaffenes Beratungsgremium, das Department of Government Efficiency, DOGE. Obwohl es nicht Teil der Regierung ist, soll es mit dem Weißen Haus zusammenarbeiten, um Strukturreformen durchzusetzen. In einer der ersten Maßnahmen wurden im Februar dieses Jahres auf Anordnung des von Elon Musk geleiteten DOGE Tausende Angestellte der National Institutes of Health, NIH und der National Science Foundation, NSF, entlassen.
Eine wachsende Polarisierung der Gesellschaft, die dazu führt, dass Populisten Zulauf haben, beobachtet man aber auch bei uns. Die drei letzten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und in Brandenburg sowie auch die Bundestagswahl im Februar dieses Jahres haben gezeigt, dass die Parteien an den Rändern des politischen Spektrums von dieser Entwicklung profitieren. Deshalb wird sich die Sächsische Akademie der Wissenschaften wie in der Vergangenheit auch in Zukunft hier weiterhin aktiv einbringen und sich an dem notwendigen öffentlichen gesellschaftspolitischen Diskurs beteiligen.“
Dies sind Auszüge aus der Eröffnungsrede, die Rede, unter Auslassung der Begrüßung, Vorstellung der Gäste und Beschreibung der Akademieprojekte, können Sie im Video sehen.
Auch Prof. Dr. Heike Graßmann, Staatssekretärin im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus, und Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt in Sachsen-Anhalt äußerten sich dazu in ihren Grußworten.

Staatsminister Willingmann brachte es auf den Punkt:
„Meine Damen und Herren, bevor wir zum etwas entspannteren Teil übergehen: Es steht nicht gut um die Wissenschaftsfreiheit, wenn in einer der führenden Wissenschaftsnationen der Welt genau das geschieht, was dort seit drei Monaten geschieht. In wenigen Wochen wird der Zugriff auf Daten für wissenschaftliche Projekte und Kommunikation eingeschränkt, Programme werden reduziert, gestrichen und nicht, weil wir wissenschaftsgeleitet zu der Erkenntnis gekommen wären, dass hier schon alles bekannt sei oder wohl nichts mehr zu erforschen ist, sondern weil man mit diesen Themen nichts zu tun haben will, ob das nun Klimaschutz, Umwelt oder Diversität ist.
Die Maßnahmen, die auch der Präsident angesprochen hat, im Umfeld von Beschäftigten, etwa der Nationalen Gesundheitsbehörde und vieler anderer Einrichtungen, sie dienen einem einzigen Zweck, der Einschüchterung. Es geht ausschließlich darum, jene, die möglicherweise oder erwiesenermaßen anderer Ansicht sind, davon abzuhalten, öffentlich wirksam sich zu positionieren und Stellung zu beziehen. Es geht darum, ein Stück weit aufzuräumen aus Sicht des US-Präsidenten. Und das muss uns nachdenklich stimmen.
Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, die im Lehramt tätig sind und die auch gelegentlich solche Diskussionen in ihren Vorlesungen haben, mir komme niemand mit dem Neutralitätsgebot, wenn es um die Frage der Verteidigung unserer Verfassung geht. Neutralitätsgebot ist selbstverständlich, wenn es um den politischen Diskurs geht. Dieses Neutralitätsgebot endet, wo Hand und die Axt angelegt wird an die Wissenschaftsfreiheit selbst. Und da sollte man frühzeitig reagieren.“
Das sind Auszüge, das gesamte Grußwort, welches noch viele andere Punkte anspricht, können Sie im Video sehen.
Es folgte der Bericht des Vizepräsidenten der Akademie über deren Arbeit im vergangenen Akademiejahr und der Ausblick auf die nächsten Jahre.
Der nächste wichtige Punkt war die Aufnahme von Neumitgliedern in die Akademie, es wurden insgesamt acht verdiente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgenommen.
In der Philologisch historischen Klasse wurden Jan Dirk Harke, Stefan Pfeiffer und Hartmut Rosa als ordentliche Mitglieder in die Akademie aufgenommen. Der Direktor des Bacharchivs Leipzig, Peter Wollny wurde als korrespondierendes Mitglied aufgenommen.
In der Technikwissenschaftlichen Klasse waren es ebenfalls vier Aufnahmen von ordentlichen Mitgliedern. Mit Christel Baier, die nicht anwesend war, Katja Bühler, Emese Domahidi und Henning Zeidler kamen nicht nur neue Forschungsgebiete in die Akademie, sondern es zeigte sich: Die Akademie wird jünger und weiblicher.
Der Festvortrag von Prof. Dr. Enno Bünz „Grundstein – Fundamentstein – Eckstein. Entwicklung und Bedeutung des Rituals der Grundsteinlegung vom 10. bis 16. Jahrhundert“ war für am Thema interessierte Menschen gewiss spannend, für alle anderen durchaus des Anhörens wert.
Bevor die Veranstaltung mit einem Empfang endete, gab uns Akademiepräsident Prof. Dr. Knölker noch einige Antworten.
Herr Professor Knölker, das alte Akademiejahr ist vorbei. Würden Sie es als ein erfolgreiches bezeichnen?
Ich schätze das als ein sehr erfolgreiches Jahr an, weil wir unsere Kooperation mit der Tschechischen Akademie intensiviert hatten. Wir hatten die erste gemeinsame Konferenz im November letzten Jahres vor den Toren Prags in Liblice und haben bereits ein gemeinsames Projekt beginnen können, dank der Unterstützung, des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Kunst und Tourismus. Das fand ich sehr bemerkenswert, dass das so schnell realisiert werden konnte.
Wir leben in aufregenden Zeiten, wie Sie schon in Ihrer Eröffnungsrede ausführten. Wir haben jetzt gerade eine Regierungsneubildung, die gerade ihren Koalitionsvertrag vorgestellt hat. Was wünschen, was erwarten Sie sich von der neuen Bundesregierung?
Ich erwarte natürlich, dass die Infrastruktur im Lande verbessert wird, ich habe das angesprochen, Straßen, Brücken und so weiter, das ist notwendig. Aber auch die Infrastruktur in der Forschung muss verbessert werden. Also neue Labors, Verbesserung der digitalen Infrastruktur an den Universitäten, aber auch in den Akademien und auch Verbesserung in den Rechenzentren, das ist dringend notwendig.
Sie sprachen vorhin über die Ära Trump 2.0. Sie sprachen, glaube ich, auch von einem Rückfall in die Autokranken hier. Kann man schon sagen, dass es eine Form der Wissenschaftsfeindlichkeit gibt?
Ich denke, das kann man schon sagen, wenn man sieht, dass bei den wichtigen Förderinstitutionen, National Institutes of Health und die National Science Foundation, vergleichbar bei uns mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von heute auf morgen entlassen wurden und auch die Budgets gekürzt wurden, dann ist das schon eine Wissenschaftsfeindlichkeit.
Staatsminister Willingmann hat gesagt, dass die Wissenschaft jetzt um die Wissenschaftsfreiheit kämpfen muss. Ich denke, dafür stehen Sie auch?
Auf jeden Fall. Nach Möglichkeit sollten wir die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen unterstützen, obwohl das bei dem Präsidenten sicherlich sehr, sehr schwierig sein wird.
Herr Professor Knölker, ich bedanke mich für das Gespräch!
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