Der Druck war schon 2010 da, 2011 auch, 2012 langsam eskalierend. Ihren wichtigsten Bildungspolitiker opferte die sächsische CDU, um einen von kaltem Controller-Denken geprägten Sparkurs bei den Lehrern im Land durchzuziehen. Den Kultusminister, der wagte, sich vorsichtig zu räuspern, opferte sie gleich mit. Wozu braucht's Lehrer im Land? Doch alle Notplänchen halfen nichts. Im Wahlkampfjahr 2014 muss Sachsen die Zahl der Lehrereinstellungen erhöhen. Und die Regierung verkauft es gleich mal als tolle Tat.

Am Dienstag, 20. Mai, hat die Sächsische Staatsregierung auch bei einem anderen Thema, endlich umgesteuert und eine Förderrichtlinie zur finanziellen Unterstützung der Schulen in freier Trägerschaft verabschiedet. Demnach erhalten die freien Schulen in Sachsen 35 Millionen Euro zusätzlich. Zehn Millionen Euro werden noch in diesem, die restlichen 25 Millionen Euro Anfang nächsten Jahres ausgezahlt. Es war einer der vielen Fälle, in denen erst das Gericht der Regierung erklären musste, dass es Gesetze gibt, die man nicht einfach auf Weisung des Finanzministers aushebelt.

Am selben Tag verkündete die Regierung, in diesem Jahr insgesamt 1.120 neue Lehrer einstellen zu wollen, darunter 590 zum Start des kommenden Schuljahres. Darauf hätten sich das Kultus- und Finanzministerium geeinigt. Eine scheinbar hohe Zahl – aber tatsächlich nur wieder ein knallharter Kompromiss entlang der Bruchkante.

Auch wenn es der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Lothar Bienst als Erfolg sieht: “Die Entscheidungen zur Unterstützung der freien Schulen und den Neueinstellungen von mehr als 1.000 Lehrern noch in diesem Jahr zeigen, wie ernst die Regierung das Thema Bildung nimmt. Der Freistaat hat seine Hausaufgaben in Sachen Schule gemacht. Mit der Förderrichtlinie hat Sachsen sein Versprechen gehalten, noch vor dem Start des neuen Schuljahres eine vernünftige Übergangsregelung zur Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft zu finden. Wichtig ist jetzt, dass die Mittel den Bildungseinrichtungen schnell zur Verfügung gestellt werden. Unsere Aufgabe ist es, in der neuen Legislaturperiode möglichst zügig ein neues Gesetz für Schulen in freier Trägerschaft zu verabschieden, wodurch die Finanzierung der freien Schulen auch gesetzlich klar geregelt wird.”

Eigentlich weiß er, dass die Zahl der Neueinstellungen geradeso ausreicht, um den Schulbetrieb am Laufen zu halten. Mehr nicht. Bienst zu den Zahlen aus seiner Sicht: “Die 1.120 neuen Lehrer tragen dazu bei, dass der Schuljahresstart 2014/15 personell abgesichert ist. Das ist ein wichtiges Signal an alle Schüler und Eltern, aber auch an alle Schulleiter, die den Unterricht planen müssen. In den nächsten Doppelhaushalten müssen wir weiter den künftigen Bedarf von Lehrkräften berücksichtigen.”

Deutlicher wurde da schon Norbert Bläsner, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag: “Diese zusätzlichen Lehrer zum Schuljahresbeginn sind hilfreich, aber nur ein erster Schritt. Die jetzt für das kommende Schuljahr geplanten Einstellungen sichern lediglich den Status quo. Aber in den kommenden Jahren steigen die Schülerzahlen deutlich an. Auch der Unterrichtsausfall ist trotz allen bisherigen, erfolgreichen Anstrengungen immer noch viel zu hoch. Deshalb müssen wir im nächsten Haushalt ausreichend Geld für mehr Lehrer bereitstellen. Wir dürfen bei unseren Bemühungen, den Unterrichtsausfall zu senken und den Generationenwechsel in den Lehrerzimmern zu gestalten, nicht stehen bleiben.”

Situation nur verschlechtert

Tatsächlich reicht dieser von Finanzminister Dr. Georg Unland und Kultusministerin Brunhild Kurth ausgehandelte Kompromiss nicht wirklich, um die entstanden Lücken zu stopfen.

Das kritisiert Dr. Eva-Maria Stange, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: “Obwohl die Schülerzahlen auch im kommenden Schuljahr um ca. 4.500 ansteigen wird es kaum mehr Lehrer in den Klassenzimmern geben. Die aktuellen Verkündigungen des Kultusministeriums zu den Einstellungen im kommenden Schuljahr verschleiern die tatsächliche Situation in den Schulen. Offenbar vertraut das Ministerium darauf, dass keiner mehr dem Zahlensalat folgen kann. Das erinnert stark an das sogenannte Bildungspaket kurz vor Weihnachten 2011. Nur drei Monate später offenbarte der zurückgetretene Kultusminister Wöller, dass es sich dabei eigentlich um ein Einsparpaket gehandelt hat und wollte dafür die Verantwortung nicht mehr übernehmen. Seit dem hat das Finanzministerium das Ruder übernommen und lässt die Kultusministerin bis zum letzten Moment zappeln. Seit April haben sich mehr als 1.000 Lehrkräfte für den Schuldienst beworben. Dazu kommen die mehr als 600 Lehrer, die in den Schulen mit befristeten Verträgen bis zum Ende des Jahres die Lücken schließen. Keiner hat bisher eine Antwort erhalten. Viele werden daher auch in diesem Jahr Sachsen den Rücken kehren und in Bundesländer abwandern, die nicht nur schneller auf die Bewerbungen reagieren, sondern auch noch bessere Bedingungen bieten.”

Am Ende kommt auch 2014 wieder ein Minus heraus, so Stange. “Die vom Finanzministerium bewilligten Neueinstellungen von 1.000 Lehrkräften decken weder den tatsächlichen Bedarf für die aus dem Dienst ausscheidenden Lehrkräfte noch für die wachsenden Schülerzahlen. Die Staatsregierung bleibt damit auch hinter dem eigenen Haushalt zurück. Dort waren zusätzlich 274 Stellen beschlossen worden. Derzeit befürchtet die SPD-Fraktion sogar, dass unter dem Strich weniger unbefristete Lehrkräfte in den Schulen sind, als im Haushaltsplan beschlossen. Die Staatsregierung pokert permanent mit hunderten befristeten Arbeitsverträgen, die nicht nur viele Bewerber abschrecken, sondern auch für die Schulen keine kontinuierliche Planung ermöglichen.”

Sachsens Lehrerschaft ist deutlich überaltert und die Zahl der Altersabgänge übersteigt schon jetzt das, was Finanzminister Unland jetzt so gnädig zugesteht an Einstellungen.

Eva-Maria Stange: “Bisher kann das Kultusministerium keine Antwort darauf geben, wie es in den kommenden Jahren trotz steigender Altersabgänge (jährlich mehr als 1.500) und wachsender Schülerzahlen bis 2020 weitergehen soll. Ganz zu schweigen von zusätzlichem Personal für die Integration behinderter Kinder in die Regelschule. Die Staatsregierung hat keinen Plan für den Generationenwechsel. Der Rechnungshof hat bereits zurecht die fehlende Personalentwicklungsplanung gerügt. Hier wird Zukunft verspielt und Lasten massiv verschoben.”

Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag hat am Mittwoch, 21. Mai, erneut einen Antrag zur sofortigen Einstellung von zusätzlichen Lehrkräften eingebracht. Bis 2019/20 sollen demnach 2.500 zusätzliche Stellen zum reinen Ersatzbedarf für die ausscheidenden Lehrkräfte geschaffen werden, auch um die wachsenden Anforderungen der Schulen zu schultern. Die heute 27.488 Lehrerstellen sollen dann auf ca. 30.000 angewachsen. “Nur wer aktuell und zeitnah den neu ausgebildeten Lehrkräften eine Einstellungschance gibt, wird die Situation in den kommenden Schuljahren beherrschen können”, sagt Stange.

Sand in die Augen der Wähler

Und ähnlich nüchtern sehen es auch die Grünen. “Die Staatsregierung feiert sich für die Neueinstellung dringend benötigter Lehrerinnen und Lehrer und doch streut sie den Wählerinnen und Wählern nur Sand in die Augen”, sagt Dr. Claudia Maicher, Landesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen, dazu. “Gerade einmal fünfzig zusätzliche Lehrer werden im kommenden Schuljahr für rund 4.000 zusätzliche Schüler da sein. Rechnerisch soll jeder zusätzliche Lehrer demnach vor 80 neuen Schülern stehen. Wenn das für CDU und FDP bereits ein Erfolg sein soll, sehe ich schwarz für die noch größeren Herausforderungen in den kommenden Jahren.”

Aber wie soll es funktionieren, wenn in Sachsen der Finanzminister die Personalpolitik macht? – Maicher: “Wir brauchen in Sachsen endlich eine ehrliche Personalpolitik, gerade an unseren Schulen. 1.000 neue Lehrer pro Jahr reichen nicht, das kann jedes Schulkind ausrechnen – wenn der Unterricht denn stattfindet. Das Wahlversprechen der CDU hängt noch dazu von der Gnade des Finanzministers ab und wird so vollends zur Farce. Wir brauchen gesichert mehr Neueinstellungen, gute und gleiche Bezahlung und ein funktionierendes Seiteneinsteigerprogramm.”

“Verdichtung” in Schulen nimmt zu

Und die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Cornelia Falken: “Natürlich begrüßen wir auch die Lehrer-Neueinstellungen, deren Zahl allerdings nicht nachvollziehbar ist. Selbst wenn man von der Zahl der Ministerin ausgeht, bleiben unterm Strich 50 mehr Zu- als Abgänge. Angesichts von mehr als 4.000 mehr Schülern wären aber mindestens 180 notwendig, damit sich der bereits bestehende Lehrermangel nicht weiter verschärft. So lässt sich dem Unterrichtsausfall nicht abhelfen. Auch in den Abgangsklassen (4,9, 10) kommt es zu Klassenzusammenlegungen, die ‘Verdichtung’ mit bis zu 28 Schülern wird selbst dort weiter vorangetrieben, wo der Klasse Integrationskinder angehören.”

Und mit den jungen Leuten, die in Sachsen den Lehrerberuf gelernt haben, geht der Freistaat eher lumpig um. Den das Signal heißt ja eindeutig: Wir brauchen euch nicht. – Cornelia Falken dazu: “Es liegen seit Anfang April 2.200 Bewerbungen für den Schuldienst in Sachsen vor, darunter 1.500 mit klassischer Lehramtsausbildung. Jetzt sind zügige Einstellungen angesagt, damit Sachsen nicht bei gut ausgebildeten Lehrern gegenüber den Nachbarländern ins Hintertreffen gerät.”

Denn dieser Wettbewerb um die jungen Lehrer ist längst im Gang. Und die Nachbarländer freuen sich über die noch meist gut bis sehr gut ausgebildeten jungen Menschen aus Sachsen.

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