Am Donnerstag, 19. Februar, feierten zwar CDU und SPD die ersten 100 Tage ihrer neuen gemeinsamen Regierung in Sachsen. Und die SPD sprach sogar von einem "politischen Richtungswechsel". Aber der wird sich frühestens bemerkbar machen, wenn der neue Doppelhaushalt des Landes beschlossen ist. Bis dahin aber wird so weitergewurstelt wie gehabt. Das bestätigen auch die neuen Zahlen zu den Lehrereinstellungen in Sachsen.

Was bis zur Wahl im Sommer 2014 Flickwerk war, ist immer noch Flickwerk. Den Schülern der Schuljahre 2014/2015 bleibt das nicht erspart, wie die Landtagsabgeordnete der Grünen, Petra Zais, nun feststellt, nachdem sie zwei Kleine Anfragen zum Thema gestellt hat. Auch im laufenden Schuljahr 2014/15 müssen viele ausscheidende Lehrkräfte ersetzt und zusätzliche eingestellt werden, um den steigenden Schülerzahlen gerecht zu werden.

Und es rächt sich das in den letzten Jahren geübte Mauern bei der Einstellung ausgebildeter Lehrkräfte: Es wird wieder geflickt und Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) greift, wie Zais feststellt, zu recht “eigenwilligen ‘Personalmaßnahmen'”.

Tatsächlich findet eine schleichende Entprofessionalisierung des Schulbetriebes statt.

So wurden 165 Personen zu Schuljahresbeginn in den Schuldienst eingestellt, obwohl sie keine Lehrerausbildung vorweisen können. Weitere 175 Lehrerinnen und Lehrer werden an Schularten eingesetzt, für die sie keine entsprechende Lehrbefähigung haben. Ihre Zahl ist gegenüber dem Vorjahr (144) sogar noch weiter gestiegen, stellt Zais fest. Was also im Frühjahr noch als flotte politische Entscheidung gefeiert wurde, die dem landesweiten Lehrermangel ein Ende setzen sollte, entpuppt sich als eine Fortsetzung der alten Tragödie mit den üblichen Mitteln.

Viele Lehrkräfte unterrichten dabei fachfremd, und zwar nicht im Ausnahmefall, sondern gemäß Arbeitsvertrag, so Zais. Besonders häufig gilt dies für die Fächer Sport, Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und Religion/Ethik. Auf hohem Niveau verharrt auch die Zahl von fach- und schulartfremden Abordnungen. 384 Lehrkräfte wurden teilweise oder vollumfänglich an eine Schulart abgeordnet, für die sie keine Lehrbefähigung nachweisen können – Abordnungen zwischen Oberschulen, Gymnasien und berufsbildenden Schulen noch gar nicht eingerechnet.

Und das Kultusministerium begründet diese Flickerei tatsächlich mit dem Satz: “Der Seiteneinstieg in den Schuldienst ist möglich, wenn ein Einstellungsbedarf besteht, der nicht vollständig mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften abzudecken ist.” Als hätten sich nicht tausende frisch ausgebildeter junger Lehrer um eine Einstellung in den sächsischen Schuldienst beworben – und wurden doch nicht genommen.

“Steht hier das Prinzip der Fachlichkeit zur Disposition?”, fragt die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion. “Es bleibt eine Herausforderung, Lehrkräfte adäquat nach Schulart, Fächerkombination und Region einzustellen und auch entsprechend einzusetzen.”

Tatsächlich hat das Kultusministerium für das neue Schuljahr eindeutig wieder zu wenige Lehrer eingestellt. Es bestätigt sich, was Grüne, Linke und SPD zuvor vier Jahre lang kritisiert haben: Der Einstellungskorridor ist zu gering, er genügt nicht einmal, um die Altersabgänge zu kompensieren. Und mit der Einstellung nicht “grundständig ausgebildeter Lehrer” wird genau die Kompetenz infrage gestellt, die die einzige Grundlage eines erfolgreichen Schulbesuchs ist: Die Professsionalität des Vermittlers vor der Klasse.

Petra Zais: “Die Situation wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen, wenn bis 2020 über 9.000 Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst ausscheiden. Neben dem Werben um qualifizierte Nachwuchslehrerinnen und -lehrer braucht es mehr Fort- und Weiterbildung für bereits tätige Lehrkräfte. Fehlende Weiterbildungen sind sowohl für Schülerinnen und Schüler und deren Eltern problematisch, die ein Recht auf guten Unterricht haben, als auch für die betreffenden Lehrkräfte. Ihnen wird die Chance zur Fort- und Weiterbildung verwehrt, die auch Grundlage für eine höhere Eingruppierung ist. Letztlich ist eine hochwertige Fort- und Weiterbildung für Seiteneinsteiger auch ein Gebot der Fairness gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern, die ein grundständiges Lehramtsstudium absolviert haben.”

Und da der Doppelhaushalt noch nicht beschlossen ist, wird auch 2015 weitergeflickt.

Zum 1. Februar 2015 sollten laut Aussage des Kultusministeriums erneut 300 Lehrkräfte eingestellt werden. Zur Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber und den ergriffenen “Personalmaßnahmen” will Petra Zais jetzt eine weitere Anfrage stellen.

Die Kleine Anfrage “Einstellung von BewerberInnen ohne abgeschlossene Lehrerausbildung zum Schuljahr 2014/15” (Drs 6/381) als pdf zum Download.

Die Kleine Anfrage “Fort- und Weiterbildungsangebot für abgeordnete Lehrkräfte im Schuljahr 2014/15” (Drs 6/383) als pdf zum Download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar