Gleich am 6. Dezember – kaum war die Meldung zur geplanten Verbeamtung sächsischer Lehrer in der Welt – ruderte das Kultusministerium zurück und verschickte um 16:07 Uhr eine Korrektur: Nein, es ginge noch nicht um die Verbeamtung aller Lehrer, sondern um die „Prüfung der Verbeamtung der Lehrer“. Die CDU-Fraktion im Landtag hatte die Entscheidung im Alleingang getroffen. Ohne Absprache mit dem Koalitionspartner SPD. Der meldete sich wenig später entsprechend deutlich zu Wort.

„Bisher gab es weder auf Regierungsseite noch mit der SPD-Fraktion Gespräche zur Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern in Sachsen. Über das unprofessionelle Kommunikationsverhalten bei dem wichtigen Thema Bildung sind wir zutiefst verärgert“, erklärte Dirk Panter. „Wer die Lösung des Lehrermangels wirklich will – und die SPD will das ausdrücklich – sollte erst mit seinem Koalitionspartner sprechen, bevor er auch noch eigene Beschlüsse öffentlich unklar interpretiert.“

Nicht nur in der SPD bezweifelt man, dass nun eine überstürzte Verbeamtung das Lehrerproblem in Sachsen löst. Frank Haubitz, der neue Kultusminister, erklärte zwar: „Damit wird es gelingen, junge Pädagogen im Land zu halten und in den Freistaat zu locken. Die hunderte von Lehrkräften, die Sachsen einst verlassen mussten, weil es in früheren Jahren kaum Stellenangebote gab, sind herzlich willkommen und können ihren Beamtenstatus behalten.“

Aber auch der Beschluss der CDU-Fraktion war tatsächlich nur ein Schnellschuss, ein Versuch, wieder Handlungsfähigkeit zu zeigen, bevor der neue Ministerpräsident gewählt würde.

In der gemeinsamen Absichtserklärung von CDU-und SPD-Fraktion vom 11. Dezember liest sich das dann schon ganz anders. Darin schrieben die beiden Fraktionen auf, was sie auch mit dem neuen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer für die dringendsten Probleme halten, die gelöst werden müssen.

Bildung taucht dort gleich als Nr.1 auf. Aber von einer Verbeamtungswelle für Lehrerinnen und Lehrer ist dort keine Rede. Dass der Beamtenstatus bei Bewerbungen aus anderen Bundesländern eine Rolle spielen kann, dessen ist man sich bewusst. Deswegen lautet ein Arbeitspunkt auch: „Schaffung einer Möglichkeit zum Erhalt des Beamtenstatus für Lehrkräfte aus anderen Bundesländern.“

Mehr nicht. Wirkliche Vorschläge will man erst bis Ende Januar erarbeiten: „Wir wollen bis 31. Januar 2018 einen abgestimmten Vorschlag der Staatsregierung mit den Koalitionsfraktionen zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs im Freistaat Sachsen vorlegen.“

Aber aus Sicht der Linksfraktion ist das wieder verplemperte Zeit. Die fordert den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und die Landesregierung nun auf, unverzüglich Tarifverhandlungen über die Vergütung der sächsischen Lehrkräfte aufzunehmen. Denn deutlich wirksamer als ein Beamtenstatus, den sowieso nicht alle Lehrer bekommen würden, wäre ein attraktiver Tarif, der alle Lehrerinnen und Lehrer berücksichtigt und nicht schon wieder krasse Unterschiede schafft.

„Die Lehrerinnen und Lehrer brauchen keine nebulösen Versprechungen, ‚Neulehrer‘ befristet zu verbeamten – sie brauchen einen Tarifvertrag! Der Freistaat muss schnell Gerechtigkeit schaffen und wettbewerbsfähig werden: mit bundesweit attraktiven Beschäftigungsbedingungen, Vergütungs-, Altersteilzeit- und Altersvorsorgemodellen für alle Lehrerinnen und Lehrer. Dazu gehört die höhere Eingruppierung von Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern auf dem Niveau der Entgeltstufe 13“, erklärt dazu die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Cornelia Falken. „Die GEW hat im November ihre Bereitschaft erklärt, über einen landesweiten Tarifvertrag zu verhandeln. Es ist höchste Zeit, dass die Regierungskoalition ihren Worten Taten folgen lässt und das Angebot der Gewerkschaft annimmt. Nur ein Tarifvertrag kann den Lehrkräften jeden Alters und an allen Schulen ebenso gerecht werden wie den am Lehrberuf interessierten jungen Leuten. Der Freistaat hat bei der Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht riesige Reserven, die es jetzt auszuschöpfen gilt – ohne neue Ungerechtigkeit in den Lehrerzimmern!“

Im Antrag, den die Linke am Donnerstag, 14.Dezember, eingereicht hat, heißt es dazu: „Jetzt, da auch Bundesländer mit Beamtenstatus der Lehrerinnen und Lehrer wachsende Nachwuchsprobleme haben, wäre dieses Instrument ebenso verfehlt wie verspätet. Die Fraktion Die Linke nimmt natürlich zur Kenntnis, dass in Zeiten sozialer Verunsicherung die Verbeamtung aus Sicht nicht weniger junger Menschen eine attraktive Perspektive darstellt. Sie würde allerdings neue Ungerechtigkeit in den Kollegien der Lehrerinnen und Lehrer schaffen. Zum einen, weil rund drei Viertel der im Lehramt beschäftigten Menschen an öffentlichen Schulen in Sachsen aus rechtlichen Gründen gar nicht in den Genuss des Beamtenverhältnisses kommen würden. Zum anderen, weil es ja auch weitere Bereiche der Daseinsvorsorge gibt, wo ebenfalls gravierender Personalmangel herrscht und trotzdem niemand auf die Idee kommt, etwa Pflegekräfte zu verbeamten.“

Ein attraktiver Tarifvertrag mit sicheren Zukunftsperspektiven kann viel schneller wirken als die seltsame Hoffnung, mit der Verbeamtung Lehrkräfte aus anderen Bundesländern abzuwerben.

„Der Freistaat Sachsen hat bei der Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht für die Lehrerinnen und Lehrer noch riesige Reserven, die es jetzt auszuschöpfen gilt“, heißt es weiter. „Dazu gehören ebenso ein Ausgleich bestehender Vergütungs-Ungerechtigkeiten und mehr Entgegenkommen beim gewünschten Einsatzort.“

Und dann benennt der Antrag ein weiteres Problem – das obrigkeitliche Handeln von Ministerium und Bildungsagentur, die mit den Pädagogen in den letzen Jahren meistens wie mit Leiharbeitskräften umgesprungen sind, die gefälligst dort zu funktionieren haben, wo sie eingetaktet sind: „Darüber hinaus müssen das Kultusministerium und die Sächsische Bildungsagentur ein völlig neues Rollenverständnis entwickeln: vom Vormund der Schulen und ihres Personals hin zu einem begleitenden Service.“

Es sind die eigentlichen Arbeitsbedingungen im sächsischen Schuldienst, die reparaturbedürftig sind. Das Austeritätsdenken der sächsischen Regierung war immer auch mit dem Hang zur Gängelei und Bevormundung verbunden. Und vom Unwillen geprägt, auch nur Teile des Bildungssystems aus der Gängelei zu entlassen. Ergebnis ist ein starres Kastenbildungssystem, das Lehrer und Schüler und Eltern gleichermaßen zur Verzweiflung treibt. Das Stichwort für die Reform wäre eigentlich Freiheit, nicht Verbeamtung.

So betrachtet war das ganz und gar nicht verfassungskonforme „Verlangen der CDU-Fraktion“ auch wieder nur ein Stock, der dem gerade gestarteten Kultusminister zwischen die Beine geworfen wurde. Statt das ganze Bildungswesen von Fesseln und Bevormundung zu entschlacken, kümmert er sich jetzt um die Prüfung von Verbeamtungen. Das riecht nach spätem wilhelminischen Kaiserreich, aber nicht nach einem modernen Bildungswesen, das vom Engagement seiner Lehrerinnen und Lehrer lebt.

Der Antrag der Linksfraktion (Drucksache 6/11549).

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