Was tun, wenn die Sehkraft nachlässt - und wenn man doch lesen möchte, was in der Zeitung steht, im Monatsmagazin oder im Kleingedruckten auf der Packungsbeilage? In der Regel verständigen sich Menschen dann mit ihrer Krankenkasse, die bei starker Einschränkung der Sehkraft auch ein Lesegerät mitfinanziert. Ein solches Lesegerät hat jetzt auch die Stadtbibliothek Leipzig.

Im Studienbereich der Leipziger Stadtbibliothek wurde am Dienstag, 4. Juni, ein modernes Bildschirmlesegerät in Betrieb genommen. Die Installation dieser Technik basiert auf der Initiative des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen e. V., Kreisorganisation Leipzig-Stadt, und dem Engagement der Firma Reinecker Vision GmbH Gera.

“Wir freuen uns, dass wir mit der Firma Reinecker Vision GmbH eine Vereinbarung treffen konnten und die Bibliothek damit dieses Angebot ohne zusätzliche Kosten bereitstellen kann. Die Bedienung ist einfach und umfangreiches technisches Wissen nicht erforderlich”, so die Leiterin der Leipziger Stadtbibliothek Birgit Spazier.

Bücher und Materialien mit kleiner Schrift können stark vergrößert an einem Bildschirm gelesen werden und auch Bilder erscheinen scharf und kontrastreich. Das Angebot richtet sich vorrangig an Bibliotheksbenutzer mit Sehbehinderung, kann aber von allen Besuchern in Anspruch genommen werden, die mit dem Entziffern von kleinen Schriften Schwierigkeiten haben. Das Bildschirmlesegerät wird auf einem rollbaren Tisch montiert und kann überall in der Bibliothek benutzt werden.

“Auch der Zeitpunkt für den Einsatz dieser Technik ist gut gewählt, denn am 6. Juni ist Sehbehindertentag, der seit 1998 auf Initiative des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes stattfindet”, ergänzt Birgit Spazier.Thomas Michalke von Reinecker Vision beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit diesen Lesegeräten. Mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband ist er in regem Kontakt. “Als die Anfrage an uns kam, haben wir natürlich sofort zugesagt”, erklärt er. Die Technik ist da. Aber im öffentlichen Raum traf man sie bisher nicht an. Und die Mitarbeiterinnen der Stadtbibliothek standen immer wieder vor dem Problem. Menschen, deren Augenlicht nicht mehr so gut ist, baten um Hilfe beim Entziffern schwer lesbarer Texte. Die Mitarbeiterinnen halfen gern – aber besser ist immer noch ein Angebot, das Betroffene selbst ohne Hilfe nutzen können.

Aber wie bekommt man das? – Ein Anruf bei Christiane Kohl, der Vorsitzenden des Leipziger Blinden- und Sehbehindertenverbandes, half, sie stellte den Kontakt her. Stellvertretend zur Übergabe des Gerätes am Dienstagmorgen entsandte sie Andreas Klug, den Betreuungsgruppenleiter des Verbandes für Leipzig-Südwest, der auch ehrenamtlich das Hörmagazin “Mobil” betreut. Er weiß, worauf man achten muss und ob so ein Gerät kann, was es soll.

Ein großer 19-Zoll-Bildschirm macht die Texte sichtbar, die unter das Lesegerät geschoben werden. Die Bedienung ist simpel. Drei große Knöpfe reichen aus, um die Vergrößerung einzustellen, die Kontrasttiefe und die Farbe. Es ist egal, was für ein Druckmedium man unter die Halogenlampe legt – ob Zeitung, Buch oder Kassenbon. Mit ein paar Einstellungen an den Knöpfen kann jeder sich den Text so lesbar machen, wie es gebraucht wird. Für eine kurze Einweisung stehen die Mitarbeiterinnen der Stadtbibliothek zur Verfügung, verspricht Birgit Spazier. Auch wenn das Lesegerät mobil ist, wird es wohl vor allem im Studienbereich im Erdgeschoss zu finden sein.Ein Angebot auch für Menschen, die im Alltag so ein Lesegerät noch nicht brauchen, die vielleicht sogar ganz zufrieden sind, dass es viele Bücher auch als Großdruckvariante oder als Hörbuch gibt. Aber manchmal braucht man eben doch so eine Hilfe – ein Artikel in der Tagespresse ist wichtig, ein Kontoausdruck muss entziffert werden, einen Text gibt es nur in der Kleindruckvariante. “Es ist auch ein Angebot für andere Nutzer, auch für unsere älteren Leser”, sagt Spazier. Denn natürlich haben viele Menschen auch einfach mit zunehmendem Alter Schwierigkeiten mit der Sehstärke.

“Wenn man annimmt, ein 16jähriger hat 100 Prozent Sehstärke, so sind bei 80jährigen eher 60 Prozent das Normale”, sagt Michalke. “Das reicht noch zum normalen Lesen. Richtig schwierig wird es bei 30 Prozent. Da braucht man dann so eine Lesehilfe.”

Und so zeigen es auch die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Danach gibt es mehr als eine Million sehbehinderte Menschen in Deutschland. Besonders ältere Menschen sind häufig von Seheinschränkungen betroffen. Mit dem neuen Angebot soll den Bibliotheksbenutzern das Lesen von Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften in der Stadtbibliothek ermöglicht und erleichtert werden. Der Einsatz des Lesegerätes ergänzt das gut genutzte Angebot der Stadtbibliothek an Großdruck- und Hörbüchern für diese Zielgruppe.

Und wenn man’s nicht gleich findet, kann man ja einfach fragen, wo das Gerät gerade im Haus unterwegs ist.

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