Das Ende des 2. Weltkrieges jährt sich 2020 zum 75. Mal. Und damit auch das Ende eines finsteren Kapitels, das eher selten thematisiert wird: die Verschleppung von Millionen meist junger Menschen aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten nach Deutschland, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten und unter primitivsten Bedingungen meist in Barackenlagern leben mussten. Es gibt keine deutsche Stadt, die nicht eine Karte der Zwangsarbeit zeichnen könnte. Leipzig bekommt jetzt eine.

Und zwar eine, auf der sich die Orte, an denen Zwangsarbeiter lebten und arbeiteten, dicht an dicht reihen. Ohne diese Frauen und Männer wäre die Leipziger Wirtschaft im Krieg zusammengebrochen. Sie hielten auch die vielen Rüstungsfirmen am Laufen, die in Leipzig tätig waren. Die bekannteste und berüchtigste war ja die HASAG im Leipziger Nordosten.

Während des Zweiten Weltkriegs waren zehntausende ausländische Zwangsarbeiter/-innen in und um Leipzig im Einsatz. Sie arbeiteten in Rüstungsbetrieben, Werkstätten, Tagebauen und städtischen Einrichtungen. Bei Kriegsende war fast jede vierte Arbeitskraft in der deutschen Wirtschaft eine Zwangsarbeiterin oder ein Zwangsarbeiter, fasst die Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig zusammen, was jetzt thematisch in eine digitale Karte eingeflossen ist.

Überall in der Stadt wurden Lager errichtet oder Gebäude zu Unterkunftszwecken umgenutzt. Im Großraum Leipzig entstanden mindestens 700 solcher Zwangsarbeitslager. Neben großen Barackenlagern für tausende Menschen gab es vor allem viele kleinere Unterkünfte – Turnhallen, Schulen, Gaststätten, Festsäle, Kleingartenvereinsheime und Privatwohnungen. Viele der Lager befanden sich in Nachbarschaft zu den Wohnquartieren der Leipziger/-innen. Der Zwangsarbeitseinsatz wurde zum Alltag der deutschen Bevölkerung – Kontakte waren unvermeidbar und alltäglich. NS-Zwangsarbeit war ein öffentliches und sichtbares Verbrechen.

Auf einer digitalen Karte sind jetzt alle der Projektgruppe in der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig derzeit bekannten Unterkünfte und einige bedeutende Arbeitseinsatzorte von Zwangsarbeiter/-innen verzeichnet. Verschiedene Farben markieren die unterschiedlichen Lager-Kategorien. Zu jedem Punkt gibt es detaillierte Informationen, sofern sie den Projektmitarbeiter/-innen vorliegen. Ein Glossar erklärt historische Fachbegriffe und Abkürzungen, und eine pädagogische Handreichung gibt Empfehlungen zur praktischen Arbeit mit der digitalen Karte.

Ab Freitag, 30. August, wird die digitale Karte auf der Homepage der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig zugänglich sein. Am Abend des 30. August will die Arbeitsgruppe das Projekt auf dem Hof des Feinkost-Geländes öffentlich präsentieren.

Digitale Karte: NS-Zwangsarbeit in Leipzig. Präsentation und Einführung: Freitag, 30. August, 19:00 Uhr. Veranstaltungsort: Kunst- und Gewerbegenossenschaft Feinkost eG, Karl-Liebknecht-Straße 36 (Leipzig-Südvorstadt), Tram 10, 11 (Südplatz)

Eine Interims-Ausstellung erzählt jetzt eindringlich vom „Provisorium“ NS-Zwangsarbeit in Leipzig

Eine Interims-Ausstellung erzählt jetzt eindringlich vom „Provisorium“ NS-Zwangsarbeit in Leipzig

Hinweis der Redaktion in eigener Sache: Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 500 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar