Mehr als zehn Monate nach den bisher unaufgeklärten Antisemitismus-Vorwürfen des jüdischen Musikers Gil Ofarim teilt dessen neuer Anwalt schon vor einem möglichen Prozess mächtig gegen die Justiz aus. Weiterhin wird nach der Ursache des massenhaften Fischsterbens in der Oder gesucht. Und: Der Verbrauch von Erdgas in Deutschland ist im ersten Halbjahr 2022 deutlich gesunken – vielleicht eine zarte Hoffnung, eine Versorgungskrise im Winter abzuwenden? Die LZ fasst zusammen, was am Dienstag, dem 16. August 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Neuer Ofarim-Anwalt fürchtet „Schauprozess“

Anfang Oktober 2021 erhitzte die Causa Gil Ofarim weit über Leipzig und Deutschland hinaus die Gemüter. In einem kurzen Videoclip, den er im Netz öffentlich machte, gab der damals 39-jährige Musiker an, am Vorabend durch einen Rezeptionisten des Leipziger Hotels Westin wegen seines jüdischen Glaubens verbal attackiert und am Einchecken gehindert worden zu sein.

Dem allgemeinen Entsetzen und den massenhaften Solidaritätsbekundungen an den Künstler folgten bald darauf erste Zweifel an der Korrektheit seiner Darstellung.

Nach monatelanger Ermittlung erhob die Leipziger Staatsanwaltschaft Ende März 2022 Anklage gegen Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung: Der Vorfall könne sich nicht so wie von ihm geschildert zugetragen haben. Ein Verfahren gegen den durch Ofarim beschuldigten Mitarbeiter des Hotels ist inzwischen eingestellt.

Die Anklagebehörde hat Ofarim direkt am Leipziger Landgericht angeklagt, obwohl für die im Raum stehenden Delikte eigentlich das Amtsgericht als unterste Strafinstanz zuständig wäre. Die Begründung – besonderes öffentliches Interesse und Ofarims Prominenz – scheint seinen neuen Anwalt nicht zu überzeugen: Er fürchte einen „Schauprozess“, lässt sich der Münchner Anwalt Alexander Stevens zitieren. Dieser hat laut eigener Aussage Ofarims Vertretung mit seiner Kanzlei übernommen.

Kommt sogar ein Befangenheitsantrag?

Stevens, der für seine öffentlichen Auftritte bekannt ist – so war er in diversen TV-Sendungen und der Gerichtsshow „Richter Alexander Hold“ zu sehen, schrieb mehrere Bücher und vertrat auch Prominente vor Gericht – kritisierte nun die „mediale Vorverurteilung“ seines Mandanten. Den Richter, der über die Zulassung der Anklage entscheidet, will er wegen Befangenheit ablehnen.

Ob es zu einem Gerichtsprozess kommen wird – und vor allem wann – ist noch nicht bekannt. Mit einer Entscheidung wird jedoch in naher Zukunft gerechnet. Fest steht nur: Wenn es so weit sein sollte, dürfte es eines der größten Medienspektakel an einem deutschen Gericht werden, das man sich vorstellen kann.

Fischsterben in der Oder: Ursache des Öko-Desasters weiter ungeklärt

Es ist die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen: Bisher scheint es keinen konkreten Anhaltspunkt zu geben, was das massenweise Fischsterben in der Oder konkret verursacht hat. Viele Auslöser kommen infrage – und so könnte sich die Aufklärung des Sachverhalts noch lange hinziehen.

Während die polnischen Behörden sich bei der Ursachen-Fahndung aktuell auf die Kadaver der Tiere konzentrieren, nehmen deutsche Behörden das Wasser genauer unter die Lupe.

Befürchtet wird derzeit, soviel scheint klar, eine Katastrophe mit noch unabsehbaren Auswirkungen, auch länderübergreifend. So wird derzeit vor allem im Stettiner Haff, das mit Oder und Ostsee verbunden ist, verstärkt auf ein mögliches Übergreifen des Desasters geschaut.

Eine einzelne Ursache fand sich bislang nicht – Polens Regierung vermutet eine illegale Entsorgung von Chemikalien und die dortige Staatsanwaltschaft ermittelt. Heftige Kritik am deutschen Nachbarn gibt es allerdings wegen einer denkbar schlechten Informationspolitik – selbst Premierminister Mateusz Morawiecki (54) wurde offenbar erst spät in Kenntnis gesetzt.

Gasverbrauch in Deutschland deutlich zurückgegangen: Läuft der Winter glimpflich ab?

Kann ein Gasmangel im kommenden Winter abgewendet werden? Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vor gut einem halben Jahr und den Sanktionen des Westens gegen den Aggressor antwortete der Kreml unter anderem mit einer massiven Reduzierung von Erdgaslieferungen – die Konsequenz waren plötzliche Knappheit, weiter explodierende Energiepreise (auch wenn diese schon vor Kriegsbeginn stark angezogen waren) – und das Ende der Illusion vom billigen Überfluss für alle Zeiten.

Nun richtet sich der bange Blick auf die Wintermonate – auch wenn die in der anhaltenden Hitze und Trockenheit des Augusts noch weit entfernt scheinen. Reichen die gespeicherten Vorräte für die Bevölkerung und die Wirtschaft aus? Oder wird es ein wahrer Bibber-Winter ohne ausreichende Beheizung?

Immerhin ist der Gasverbrauch der Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2022 um 14,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Dies wird unter anderem mit milden Temperaturen, schwächelnder Konjunktur und gestiegenen Preisen erklärt.

Ob sich dieser Trend im Herbst und Winter fortsetzt – und damit das Einsparziel von 20 Prozent, das die Bundesregierung ausgegeben hat, erreicht wird – lässt sich jedoch kaum seriös vorhersagen. Jedenfalls fehlt es nicht an Appellen und auch konkreten Maßnahmen, den Energieverbrauch weiter zu drücken und die Gasspeicher präventiv ordentlich zu füllen.

Keine Mehrwertsteuer-Streichung: Abfuhr für Lindner

Zudem kommt auf private Verbraucherinnen und Verbraucher von Gas ab Oktober eine Gasumlage von 2,419 Cent pro Kilowattstunde (ohne Mehrwertsteuer) zu, um die Importeure finanziell zu stützen. Das wird vielleicht einen weiteren Sparanreiz bedeuten, aber die Haushalte zusätzlich belasten. Eine Streichung der Mehrwertsteuer, wie sie Bundesfinanzminister Christian Lindner (43, FDP) erreichen wollte, wird es wohl nicht geben.

Dies sei laut EU-Richtlinie nicht möglich. Lindner, der hier für Deutschland eine Ausnahme erreichen wollte, kassierte mit einem Vorhaben in Brüssel eine Abfuhr. Nun wird über eine „Entlastung auf Umwegen“ nachgedacht.

Viel ÖPNV und melancholische Lyrik

Worüber die LZ heute berichtet hat: Über eine Großinvestition der LVB in neue E-Fahrzeuge, eine Taskforce für den ÖPNV, passend dazu auch ÖPNV-Tipps, die hier im Gastbeitrag aus Wiener Perspektive präsentiert werden. Außerdem: eine bevorstehende Straßen-Tieferlegung und melancholische Lyrik, die uns Redakteur Ralf Julke vorstellt.

Höchststrafe nach Amokfahrt von Trier

Was sonst noch wichtig war: Ein Mann raste am 1. Dezember 2020 durch die Fußgängerzone der Innenstadt von Trier und tötete damit fünf Menschen, ein sechster starb elf Monate später.  Nun schickte das Landgericht Trier den heute 52-jährigen Fahrer lebenslang in Haft, stellte auch die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete die Unterbringung des Mannes in einer psychiatrischen Klinik an.

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