Ab Freitag, 6. September, gibt es ein besonderes Festival in Leipzig. Eines, das die Leipziger so noch nicht erlebt haben. Alles wird sich beim "Stadt der Sterblichen-Festival (SDS) um das Thema Tod drehen. Ein Thema also, was zwar jeden Sterblichen begleitet und doch gern aus dem Alltag ferngehalten wird. Zeit für ein Gespräch mit dem Mit-Macher des neuen Festivals, Schwarwel von der Agentur glücklicher Montag, darüber, wie die Idee dazu entstand und was die Leipiger erwartet.

#sds19-Leuchtturm, Art Director, Illustrator, Comiczeichner. Wie und in welcher Art gestaltest du das Endlichkeitsfestival „Stadt der Sterblichen“ der FUNUS Stiftung mit?

Zu den ersten Kick-Off-Meetings im Frühjahr und Frühsommer letzten Jahres bin ich als einer durch Frank Pasic von der FUNUS Stiftung miternannten „Leuchtturm“ um Vorschläge gebeten worden, welche Programmpunkte und Leipziger Leute, Locations und Institutionen ich für „Die Stadt der Sterblichen“ interessant und wichtig finden würde.

Da ich als Workshopleiter und wir als Glücklicher Montag 2017 bereits bei den „Stadt der Sterblichen“-Kulturtagen in Halle/Saale beteiligt waren, hatten ich und wir also bereits eine Vorstellung vom Anliegen und von der Attitude, die Frank und der FUNUS Stiftung auch für Leipzig vorschwebten, um mit unverkrampften und unterhaltsamen Kulturangeboten bei uns Leipziger/-iinnen für die Sensibilisierung für das Thema Endlichkeit in seiner ganzen Bandbreite zu werben.

Als die Planungen voranschritten und das Programm langsam Gestalt annahm, wurde meine Glücklicher Montag-Kollegin Sandra gebeten, die Gesamtkoordination für das Festival zu übernehmen, und ich wurde gebeten, mich um die grafische Gestaltung, die Illustrationen und die gesamte Außenwahrnehmung von #sds19 zu kümmern.

Da unser Studio klein, aber fein ist, geht das eine geht nicht ohne das andere und das soll es auch gar nicht. Sandra und ich besprechen immer jeden Fitzel einer Sache und wir stimmen uns über alles ab, um eine möglichst treffsichere „Team-Performance“ zu gewährleisten. Da diese Arbeitsweise seit Jahren sehr gut funktioniert, haben wir das auch in die #sds19-Vorproduktion übernommen, sodass wir uns beispielsweise mit Frank und Dina von der FUNUS Stiftung tatsächlich wochen- und monatelang mit sehr vielen Menschen getroffen haben, von denen jetzt so ziemlich jede und jeder am Festival oder dem dazugehörigen Rahmenprogramm beteiligt sind.

Klar gab es dabei auch ein paar Ausfälle zu beklagen, was ich sehr schade finde, jedoch halte ich es bei einer Unternehmung mit über 40 Einzelveranstaltungen innerhalb von drei Wochen für normal, dass nicht alles klappen kann, was man sich dafür vorgenommen hat.

Was ist bei #sds19 eure Aufgabe als Glücklicher Montag?

Wie schon erwähnt, kümmern wir uns um die Gesamtkoordination, die Festivalproduktion und die Gesamtoptik. Dazu macht Sandra die Pressearbeit und ich gucke, wo ich überall was zu nörgeln habe, um die gesetzten Qualitätsstandards der Einzelveranstaltungen zu halten, die während der Festivalwochen auch durch das FUNUS-Team und uns betreut werden.

Was ist für dich die „Stadt der Sterblichen“?

Am Anfang hatten wir den Hallenser Claim „Kulturwochen“ übernommen, doch als wir alles für die sozialen Netzwerke und den Katalog zusammenstellten, merkten wir, dass das Gesamtpaket der Bezeichnung „Festival“ eher gerecht werden würde. Und dieses Endlichkeitsfestival bietet eine breite Palette an Angeboten, sich auf die eine oder andere Weise mit dem Sterben, dem Tod, dem Vergehen, mit Trauer und Trauerbewältigung und mit Bestattung auseinanderzusetzen. Und sich dem ganzen Thema mit im Leben auf der Leipziger Kulturmeile zu nähern, ohne dass man die ganze Zeit das Gefühl hat, eine große, schwarze, alles verschlingende Wolke würde über einem hängen.

Jede einzelne Veranstaltung ist mit dem gebührendem Respekt und der Sorgfalt und mit verantwortungsvoller Ernsthaftigkeit geplant und konzipiert, die Besucher/-innen sollen sich jedoch überall abgeholt, geborgen und wohlfühlen. Das Festival macht – jedenfalls für mich – Lust darauf, sich auf den Themenkomplex Endlichkeit mit all seinen Facetten einzulassen.

Die FUNUS Stiftung, ihre #sds19-Botschafterinnen Jennifer Sonntag, Katty Salié und Melanie Marschke, Glücklicher Montag und wir Leuchttürme Pia Elfert und ich wollten keine staubtrockenen, geflüsterten Redebeiträge in dunklen Hallen, wo man nicht zu Husten wagt, sondern wir wollten die Veranstaltungen mitten ins Leben pflanzen, wo sie hingehören, weil unser aller Tod feststeht und es deshalb gut ist, sich mit ihm und seinen Konsequenzen zu befassen.

Und das möglichst locker und offen, um die eigenen Gedanken und Gefühle dazu zulassen zu können und dabei vielleicht sogar Ängste zu verlieren und auf neue Sichtweisen zu stoßen. Das ist der Ansatz des Festivals.

Wie verlief eure Zusammenarbeit sowohl mit der FUNUS Stiftung, Frank und Dina sowie mit euren #sds19-Partner/-innen und den Programmbeteiligten?

Schwarwel – #sds19-Leuchtturm, Art Director, Illustrator, Comiczeichner. Foto: privat
Schwarwel – #sds19-Leuchtturm, Art Director, Illustrator, Comiczeichner. Foto: privat

Da kann ich ja eigentlich nur für mich sprechen – und ich fand und finde alles dufte, was im Zusammenhang mit #sds19 seit März 2019 passiert ist und die nächsten Wochen noch passieren wird. Natürlich ist es eine sportliche Herausforderung, so ein Festival auf die Beine zu stellen, aber das gesamte Team hatte genug Kompetenz und Erfahrung eingebracht, um zu wissen, worauf wir uns einlassen und dass das auch alles umsetzbar sein wird.

Neben den Erfahrungen, die die FUNUS Stiftung 2017 in Halle und mit ihren Einzelveranstaltungen wie dem „DEATHSLAM“ sammeln konnte, haben wir als Glücklicher Montag ja auch schon das eine oder andere Event gestemmt und uns dabei ein Netzwerk aufbauen können, auf das wir auch für #sds19 zurückgreifen konnten, um erst mal irgendwo anzufangen und den Grundstock für das Programm zu legen.

Frank als der Mensch mit dem Hut auf, gibt jedem immer einen dicken Vertrauensvorschuss und verlässt sich darauf, dass jede und jeder im Team seinen Part verantwortungsvoll und mit Liebe ausfüllt – das ist bei so einem Festival wichtig, weil man da ja sehr engmaschig miteinander umgehen muss, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Alle Entscheidungen finden auf Augenhöhe und in gegenseitiger Abstimmung statt. So mag ich das und damit kann ich ganz wunderbar.

Sandra für ihren Teil als Koordinatorin stand und steht natürlich richtig im Auge des Orkans. Da braucht’s manchmal schon Nehmerqualitäten, weil die Kleinteiligkeit so einer Produktion manche Nerven schon mal blank stehen lässt. Aber wie vorhin schon erwähnt, ist das nichts Ungewöhnliches bei solchen Unterfangen und nichts, was sich nicht klären lassen konnte.

Dennoch – das Thema Tod als Festival? Wer ist eure Zielgruppe, wen erwartet Ihr als Gäste?

Alle Leipziger/-innen, Zugereiste und Besucher/-innen der Stadt – deshalb ja „Die Stadt der Sterblichen“ … Wir haben bei der Planung versucht, möglichst viele verschiedene Angebote zu machen, um vom Enkel bis zur Großmutter alle Altersgruppen auf die eine oder andere Weise anzusprechen – sei es ein Kindertag im Ägyptischen Museum, Graffiti an der Wall of Fame, Autor/-innen-Lesungen, Markus Kavkas „Talkshow des Todes“, die Burlesque-Show im Krystallpalast, Beiträge zur Sterbehilfe, zur Körperspende und zur Kindereuthanasie unter dem NS-Regime, unsere große Rock-und-Tod-Ausstellung in der galerie KUB, ein Abend zum Thema „Tod in den Religionen“ mit Vertreter/-innen der verschiedenen Weltreligionen, kuratierte Filmabende undundund …

Dazu das Rahmenprogramm, wo sich Hospize, das Bärenherz oder der ASB Wünschewagen vorstellen. Wir hoffen, dass das Festival möglichst vielen Leuten aus den verschiedensten Gründen Lust macht, die eine oder andere Veranstaltung mitzunehmen und einfach mal vorbeizukommen.

Was sind deine Programm-Highlights?

Weil ich an der Planung von so ziemlich allen Veranstaltungen auf die eine oder andere Weise beteiligt war, fällt mir da die Auswahl natürlich schwer. Aber ich lege mich mal fest …

Meine persönlichen Highlights sind neben unseren eigenen Beiträgen wie der Signierstunde zu „Gevatter“ in der Comic Combo und unser Trickfilmabend im Prager Frühling vor allem der Gaffiti-Tag „TILL DEATH DO US PART“ im Werk 2, die Markus-Kavka-Show in Halle D, die „DEATH WALKS BEHIND YOU“-Ausstellung in der KUB, der SOKO-Leipzig-Abend im ZFL und „Tod und Bestattungskultur in den verschiedenen Religionen“ im Ariowitsch-Haus. Da bin ich sehr gespannt und freu mich drauf!

Magst du uns noch kurz etwas zu „Gevatter“ erzählen?

„Gevatter“ ist meine neue Graphic Novel, deren ersten beiden Ausgaben wir zur „Stadt der Sterblichen“ veröffentlichen, da es sich dabei auch um ein Projekt der FUNUS Stiftung handelt, dessen erste Ideen während der ersten #sds19-Planungstreffen aufgekommen sind. Nach unserem Trickfilm „Leipzig von oben – Leben und Sterben in der Stadt“ habe ich gemerkt, dass die darin geschilderten Geschichten noch lange nicht auserzählt waren.

Die Reaktionen auf „Leipzig von oben“ waren durchweg sehr positiv und wir merkten, dass sich solche schweren Themen – Sterben, Leiden, Depression, Trauer – sehr gut durch grafische Medien wie Trickfilm oder Comics vermitteln lassen und dass man damit die Leute auf einer emotionalen Ebene ansprechen und abholen kann, wie man es sonst nur noch mit Romanen oder Realfilmen schafft.

Frank von der FUNUS Stiftung hat daraufhin das Projekt initiiert und uns die Unterstützung der Stiftung für „Gevatter“ zugesagt und ich habe losgelegt. Seit Weihnachten letzten Jahres arbeite ich jetzt an „Gevatter“ und insgesamt werden es fünf Kapitel sein, die FUNUS herausgibt und die wir als Glücklicher Montag bis Jahresende als Einzelausgaben verlegt haben werden.

Als Bonmot für uns Comicnerds konnten wir für die Variant Editionen namhafte Comickünstler/-innen gewinnen, die Variantcovers in ihrem ureigenen Stil beisteuern. Die ersten drei Ausgaben wurden bzw. werden von Sascha Wüstefeld („Der kleine ICE“, „Das Upgrade“, „Sorgenfresser“), Ingo Römling („Malcolm Max“, „Star Wars“, „Trollhunters“ und Sarah Burrini („Das Leben ist kein Ponyhof“, „Die Toten“) bestritten. Für die vierte Ausgabe wird Fuchskind das Variantcover gestalten.

Sascha und Ingo sind am Sa 07.09. auch mit mir bei der „Gevatter“-Signierstunde in der Comic Combo Leipzig dabei, um ihre Cover für die geneigte Leserschaft zu signieren und den einen oder anderen Sketch aufs Papier zu zaubern.

Endlichkeitsfestival „Stadt der Sterblichen“
6.–28. September 2019 in ganz Leipzig, mit über 40 Veranstaltungen
https://www.stadt-der-sterblichen.de/

Vom 6. bis 28. September 2019 gibt es zum zum ersten Mal „Stadt der Sterblichen – Das Endlichkeitsfestival“ in Leipzig

Vom 6. bis 28. September 2019 gibt es zum zum ersten Mal „Stadt der Sterblichen – Das Endlichkeitsfestival“ in Leipzig

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