Anael Moshi Meli ist der Urenkel von Mangi Meli, dem ehemaligen Anführer des Chagga-Volks am Kilimanjaro-Massiv in Tansania. Mangi Meli wurde im Jahr 1900 zusammen mit 18 weiteren Anführern von den deutschen Kolonialherren gehängt. Nach dem Schädel von Mangi Meli sucht seine Familie bereits seit Generationen. Gemeinsam mit einer Delegation aus anderen Nachfahren und Expert*innen für die Repatriierung gestohlener Gebeine und Objekte aus der Kolonialzeit, besuchte Meli das Leipziger Grassi-Museum, wo sich Besitztümer seines Urgroßvaters befinden.

Bei einer offenen Podiumsdiskussion am Dienstagabend sprachen die Expert*innen über die Hindernisse in der Rückführung der gestohlenen Gebeine und Objekte.

„Für mich als afrikanischen Mann ist der Ort, an dem der Kopf des Vorfahren begraben wird. Das ist der Ort, an dem Sie glauben, dass Ihr Zuhause ist. Ich sage das, damit ihr versteht, warum meine Vorfahren nach Hause kommen und dort ruhen sollten“, so Anael Moshi Meli bei der Podiumsdiskussion.

Original: „To me as an African man where your head of your ancestor is being buried, that is where you believe your home is. So I say that to make you understand why my ancestors should go home and rest there.“

Die Diskussion fand im Rahmen der Repatriation Days, organisiert von Decolonize Berlin, dem European Center for Counstitutional And Human Rights (ECCHR), Berlin Postkolonial und Flinnworks in Kooperation mit der Leipzig postkolonial, der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und Retelling DOAA in der Galerie für zeitgenössische Kunst statt.

Fast 100 Zuschauer*innen nahmen daran teil, unter ihnen auch Santi Hitorangi. Ein weiterer Haltepunkt der Delegation ist die Ausstellung „Marejesho: The Call for Restitution from the Peoples of Kilimanjaro and Meru“ (Deutsch: Marejesho: Die Forderung der Völker von Kilimandscharo und Meru nach Wiedergutmachung) in Berlin.

„Wir sind hier, weil es um unsere Anführer geht, unsere Widerstandsführer, die sich dem Kolonialismus widersetzten, die sich der Unterwerfung widersetzten, die sich dagegen wehrten, dass unser Land und unsere Ressourcen genommen wurden und nach Europa und in andere Länder kamen. Wie Sie sich vorstellen können, sind diese Themen sehr wichtig für uns, und das Mindeste, was wir erreichen können, ist, dass die Vorfahren und die Gegenstände wieder nach Afrika zurückkehren.“

Dies sagte Dr. Rudo Sithole, Mitglied der Delegation und unter anderem Gründerin und Direktorin von „African Museums And Heritage Restitution (AFRIMUHERE)“, einer pan-afrikanischen Organisation, die sich für die Restitution und Repatriierung von Raubgut aus der Kolonialzeit einsetzt.

Original: „We are here because of the issue of our leaders, our resistance leaders, who resisted colonialism, who resisted subjugation, who resisted our land being taken, our resources being taken and coming to Europe and other places. As you can imagine, these are very important issues to us and the least we can have is to have the ancestors and the objects back in the continent.“

Kämpfe für Repatriierung

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges stand Tansania als „Deutsch-Ostafrika“ unter der Kolonialherrschaft Deutschlands. Die Kolonialherrschaft war von Unterdrückung, Ausbeutung, aber zugleich Widerstand und Aufständen gegen die Kolonialherren geprägt. Viele Schädel, Gebeine, Besitztümer und andere Objekte liegen noch heute in deutschen Archiven und Museen. So auch im Grassi-Museum Leipzig.

„Jetzt haben wir lokale Chiefs, die sich selbst organisieren“, so Joseph Mselle von der Chiefs Union in Tansania, dem Verband der traditionellen Volksvertreter im Land. „Wir setzen uns für den Schutz der Traditionen und der Kultur der Menschen in Afrika und insbesondere in Tansania ein.

Im Hinblick auf die Rückführung und Rückgabe von menschlichen Überresten und anderen Gegenständen haben wir mehrere Schritte unternommen (…) und wir hatten Gespräche mit der lokalen Regierung, damit sie uns einen Ort zur Verfügung stellt, an dem wir diese Gegenstände und menschlichen Überreste aufnehmen können, wenn sie zurückgegeben werden.“

Original: „Now we have these local leaders organizing themselfs and we are operating for protecting the tradition and culture of the people in Africa and especially in Tanzania. With regard to repatriation and return of human remains and other objects we have taken several steps (…) and we had discussions with the local government where we are given a place ready tfor receiving those items and human remains if they are to be returned.“

Und Deutschland blockiert

Im Oktober besuchte Bundespräsident Frank-Walther Steinmeier Tansania. Er habe viele große Reden gehalten und es habe auch gemeinsame Gespräche im Vorhinein gegeben, so Mnyaka Sururu Mboro von Berlin Postkolonial, der seit Jahren für das Thema kämpft. Eine tatsächliche Wiedergutmachung finde jedoch nicht statt.

Bürokratie und fehlende Initiative von deutschen Museen, sowie Bund und Ländern machen die Rückführungen schwierig. Nachfahren und Verbände aus den Herkunftsländern müssen jahrelang für die Rückführungen oder wie im Fall von Mangi Meli für das Auffinden der Gebeine und Objekte in deutschen Archiven und Museen kämpfen.

Laut Léontine Meijer-van Mensch, Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen sei die Gesetzeslage ein maßgebliches Hindernis für Rückführungen. Momentan müsse bewiesen werden, dass die entsprechenden Objekte oder Gebeine aus kolonial-geschichtlichen Kontexten stammen.

Diese Regelung müsse umgedreht werden: Warum sei die Grundannahme nicht, dass es gestohlene Objekte und Gebeine seien, bis das Gegenteil bewiesen werde. Dadurch würde man Repatriierungprozesse um einige Jahre beschleunigen.

Ein weiteres Problem sei, dass Bund und Länder einander die Verantwortung für das Bezahlen der Rückführung zuwiesen, sodass sich schlussendlich niemand verantwortlich fühle.

Statements kritisieren deutsche Ignoranz

In starken Statements entlarvten auch die Redner*innen aus dem Publikum die deutsche Ignoranz gegenüber der eigenen Kolonialgeschichte und den Stimmen aus den Herkunftsländern, die Repatriierungen und Reparationen fordern.

So sagte Sima Luipert, ebenfalls Mitglied der Delegation und unter anderem Direktorin für Entwicklungsplanung im namibischen Regionalrat von Hardap, stellvertretende Leiterin des Technischen Nama Genocide Technical Committee (NTLA) und Menschenrechtsaktivistin: „Was in aller Welt ist los mit euch (Deutschen), die ihr mit menschlichen Schädeln in euren Häusern und Museen sitzt und euch für eine zivilisierte Nation haltet.“

Original: „What on earth is wrong with you (Germans), sitting there with skulls in your houses and museums and consider yourself a civilized nation.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar