Während die einen noch wie närrisch auf das so seltsame Jahr 2020 schauen, haben andere längst ihre Pläne für 2021 geschmiedet. Manchmal sind das auch Projekte mit einem ganz langen Vorlauf, so wie die Kritische Ausgabe der Arbeiten der Barockdichterin Sibylla Schwarz, zu der der Verlag Reinecke & Voss schon 2016 eine kleine eindrucksvolle Auswahl veröffentlicht hat. 2021 jährt sich der 400. Geburtstag der „pommerschen Sappho“.

Und für eine Stadt wie Greifswald ist Sibylla Schwarz natürlich so etwas Ähnliches, wie es der Barockdichter Paul Fleming für Leipzig wäre, wenn Leipzig nicht gar so viele Schriftsteller/-innen und Dichter/-innen gehabt hätte, sodass die Stadt gar nicht erst ans Feiern und würdigen denkt, wenn so ein runder Dichtergeburtstag naht. Fleming wäre 2009 400 Jahre alt geworden.

Andererseits ist die Bürgermeistertochter Sibylla Schwarz auch deshalb etwas Besonderes, weil sie schon mit 17 Jahren starb, aber ein erstaunlich reiches Werk an Gedichten, Briefen, Kirchenliedern, Oden und Epigrammen hinterlassen hat. Sie hatte nicht nur eine herausragende Ausbildung, sie war auch Teil jener lebendigen Literaturszene, die damals wohl erstmals so etwas wie eine deutsche Nationalliteratur hervorgebracht hat, wenn auch sehr streng an Formen orientiert.

Aber das macht auch den Reiz dieser Literatur aus, die mitten im Dreißigjährigen Krieg entstand und damit auch Leid, Sorgen, Lieben und Hoffen der Mensch auf bis heute einmalig beeindruckende Weise in Gedichtform gebracht hat.

Offiziell in die Läden kommt dieser erste Band der Kritischen Werkausgabe im Januar.

Möglicherweise in direkter Konkurrenz zu einer Parallelausgabe, was natürlich Verleger Bertram Reinecke, der so viel Mühe in eine richtige Werkausgabe investiert hat, ärgert: „Die andere Ausgabe hält sich zugute, der Originalanordnung zu folgen. (Die willkürlich ist, offenbar gingen die Texte ins Typoskript teilweise in der Reihenfolge ihres Eingangs beim Herausgeber ein.)

Auch in unserer Ausgabe wird für jeden Text der Originalstandort ebenso angegeben wie alle Seitenwechsel, typografischen Abweichungen, Einrückungen etc. Aus dieser Aufbereitung lässt sich der Textbestand der Ausgabe von 1650 also ebenfalls vollständig ableiten.“

Die Werkausgabe wird jedenfalls so manchen Literaturliebhaber freuen, denn sie wird auch hochwertig ausgestattet als Hardcoverausgabe und enthält zahlreiche Fußnoten zur Erklärung. Band 1 enthält Briefe, Sonette, Lyrische Stücke, Kirchenlieder, Ode, Epigramme und Kurzgedichte sowie die Fretowdichtung. Herausgegeben wird die Ausgabe von Michael Gratz.

„Das Werk der frühreifen Dichterin ist geprägt durch eine intensiv persönliche wirklichkeitswache Auseinandersetzung mit Tod, Religion, Krieg und Flucht. Sie stellte Adelsprivilegien infrage und griff vehement bestehende Rollenvorstellungen an: Frauen sollten genauso dichten, Krieg führen oder Politik betreiben können wie Männer“, geht der Verlag auf das starke emanzipative Element in den Arbeiten von Sibylla Schwarz ein.

„Sie bediente sich dazu der neuesten Schreibweisen und entwickelte sie fort. Einst als ,pommersche Sappho‘, ,Wunder ihrer Zeit‘ und ,zehnte Muse‘ gepriesen, passte das gelehrte Mädchen, die ihr Werk an europäischen Vorbildern schulte, nicht zu den Vorurteilen von Biedermeier und nationaler Romantik. So wurde sie im 19. Jahrhundert aus dem Kanon gedrängt.“

Außerdem enthält das Buch umfangreiches erklärendes Material und verschiedene Register.

Parallel will Reinecke & Voss den Band auch in einer preiswerteren Taschenbuchausgabe herausbringen, sodass er auch für Literaturliebhaber mit etwas weniger Geld erschwinglich wird.

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