Hendrik Bolz beschreibt in seinem Romandebüt „Nullerjahre“ einen doppelten Kulturschock: Seine Hauptfigur — beziehungsweise sein autobiographischer Ich-Erzähler — hat im Berliner „Exil“ gelernt, von den kulturellen Codes seiner Jugend Abstand zu nehmen. Er hat erfahren, dass ihn Alpha-Industries-Jacke, Springerstiefel und Gewaltbereitschaft zwar in seiner Heimat dazugehören ließen, aber nicht in der Studentenwelt, wo andere Umgangsformen für die gesellschaftliche Anerkennung ausschlaggebend sind und Ausgrenzung subtiler funktioniert.

Ein Besuch bei alten Freunden in der Heimat wird ihm zum neuerlichen Kulturschock und triggert eine Erzählwut, die in der Konfrontation mit dem früheren Ich schonungslos die eigene Vergangenheit aufrollt. Wo kommt man eigentlich her — und was soll man da noch?

Bereits vor der Veröffentlichung von „Nullerjahre“ hat Hendrik Bolz den Erfahrungen der Nachwendegeneration in Ostdeutschland eine direkte und selbstbewusste Sprache verliehen: Als „Testo“ ist er Teil des Berliner Hip-Hop-Duos Zugezogen Maskulin, das mit Titeln wie „Plattenbau O.S.T.“ den Inhalt des Romans vorwegnahm.

„Nullerjahre“ wird für das Schauspielstudio Leipzig in der Regie von Marco Damghani Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit Erfahrungen des gesellschaftlichen Wandels, des Jungseins in stürmischen Zeiten. Wie kann man sich zu dem, was Bolz erzählt, in Beziehung setzen, wie seinen eigenen Erfahrungen als junger Mensch nachspüren?

Der Regisseur

Marco Damghani, geboren 1992 in Hamburg, studierte Regie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin sowie am National Institute of Dramatic Arts in Sydney. Er ist als Autor, Regisseur und Moderator tätig und beschäftigt sich mit Fragen des Politischen, den Themen (post)migrantischer Gesellschaft sowie der Verbindung von Persönlichem und Systemischem.

Das gemeinsam mit Eidin Jalali erarbeitete Monologstück „Die Leiden des jungen Azzlack“ gewann 2022 den deutschen Theaterpreis DER FAUST in der Kategorie „Darsteller:in Theater für junges Publikum“. „Anouk & Adofa“, seine zweite Arbeit am Schauspiel Leipzig, wurde 2023 zu den Autor/-innentheatertagen am DT Berlin eingeladen.

„Nullerjahre. Jugend in blühenden Landschaften“ von Hendrik Bolz, Studioinszenierung 2024.
Inszenierung: Marco Damghani, Bühne: Hugo Gretler, Kostüme: Ragna Hemmersbach, Dramaturgie: Georg Mellert

Mit: Bruno Akkan, Louise Sophie Arnold, Luca-Noél Bock, Aicha-Maria Bracht, Joshua Dahmen, Sasha Hayes, Fritz Manhenke, Emmeline Puntsch

Premiere ist am Freitag, dem 1. März, um 20 Uhr in der Diskothek des Schauspiels Leipzig.
Weitere Vorstellungen gibt es am 9. und 31. März, jeweils um 20 Uhr in der Diskothek.

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