Schwarzfahren ist kein Kavaliersdelikt. Schriftsteller Roland K. kann hiervon ein Lied singen. Das Amtsgericht verurteilte den 45-jährigen Leipziger am Montag wegen Erschleichens von Leistungen zu sechs Monaten Haft. Die Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt.

Nach dem Abitur habe er Philosophie und Geschichte studiert, die Ausbildung aber vorzeitig abgebrochen. Zurzeit plane er einen Abschluss am Literaturinstitut, erklärte der Angeklagte am Montag dem Gericht. Ein Buch habe er bisher nicht veröffentlicht.

Im Jahr 1998 sei er erstmals mit Heroin in Berührung gekommen. 2013 zog er vom hippen Berlin ins noch angesagtere Leipzig. Grund war offenbar die Liebe. Unglücklicherweise ist Heroin in der Messestadt schwer zu beziehen, wenn man nicht weiß, wen man fragen muss. Deswegen reiste er zwischen November 2013 und August 2014 mehrmals in die Hauptstadt, um sich mit Nachschub zu versorgen. Weitere Fahrten führten ihn in diesem Zeitraum nach Hamburg und Kiel, um Verwandte zu besuchen. Zehn Mal erwischten ihn Zugbegleiter ohne gültigen Fahrschein.

„Ich war drogensüchtig“, schilderte der Angeklagte der Richterin. „Das Geld ist für Drogen draufgegangen. Ich bin nach Berlin gefahren, um mich dort zu versorgen.“ Bereitwillig räumte er die betreffenden Fahrten ein. Da er auf frischer Tat ertappt wurde, hätte sein Leugnen nur die Prozesskosten in die Höhe getrieben, da das Gericht in dem Fall die Kontrolleure als Zeugen hätte vorladen müssen.

Roland K. berichtete Amtsrichterin Julia Weidelhofer, er sei gerade wieder abstinent und im Augenblick plane er eine Langzeittherapie. Unterstützung erhalte er dabei von seiner Lebensgefährtin, die als Assistenzärztin auf einer Suchtstation arbeite.

Nun ist Roland K. für die Justiz kein Unbekannter. Im Bundeszentralregister sind über ein Dutzend Einträge vermerkt. Er ist obendrein wegen Schwarzfahrens einschlägig vorbestraft. Einige Fahrten beging der Erwerbslose unter laufender Bewährung. Mit ein wenig Pech muss er deswegen noch ins Gefängnis. Erschwerenderweise versäumte er in Leipzig zwei Verhandlungstermine. Das Gericht erließ nach seinem letzten unentschuldigten Fehlen einen Strafbefehl: Sechs Monate Gefängnis auf Bewährung.

Wohl um im Urteil eine positive Sozialprognose attestiert zu bekommen, die zwar einen Bewährungswiderruf abwenden könnte, aber nicht zwingend vermeiden kann, legte Rechtsanwältin Angela Schröder-Scherrle für ihren Mandanten überhaupt Widerspruch ein, um einen weiteren Verhandlungstermin zu erzwingen. Am Strafmaß war am Montag trotz des reumütigen Geständnisses nichts zu rütteln. „Ich stelle die Strafe ins Ermessen des Gerichts“, erklärte die Verteidigerin.

Schröder-Scherrle war mit dem Ziel in die Verhandlung gegangen, für ihren vielfach vorbestraften Mandanten ein „Gesamtpaket“ zu erwirken, also ein Urteil, das die Strafe für die angeklagten Taten mit weiteren Vorstrafen zu einer Gesamtstrafe zusammenfasst. Dies ist immer dann erforderlich, wenn mehrere Delikte gemeinsam abgeurteilt werden oder zumindest – wie in diesem Fall – die theoretische Möglichkeit dazu bestanden hat.

Allerdings tat sich Richterin Weidelhofer schwer, das Durcheinander in den eigens aus Berlin angeforderten Gerichtsakten zu durchschauen. Weil weder Roland K. noch seine Verteidigerin mitteilen konnten, ob einzelne Strafen schon vollstreckt worden sind, beließ es die irritierte Richterin bei den sechs Monaten. „Das ist der erste Fall, bei dem ich mich weigere, eine Gesamtstrafe zu bilden“, merkte die Richterin an. Diese wird jetzt nachträglich gebildet werden müssen.

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