Knapp eineinhalb Jahre nach den Ausschreitungen am Bahnhof Markkleeberg-Mitte muss sich ein Chemie-Fan vor dem Amtsgericht verantworten. Marco H. (26) soll bei den Auseinandersetzungen am 23. März 2013 einen Polizisten geschlagen und einen weiteren Beamten getreten haben.

Etwa 100 bis 150 Chemie-Anhänger befanden sich am späten Nachmittag in der Regionalbahn auf dem Heimweg von einem Freundschaftsspiel in Aue. Ab Zwickau wurden die Bahnreisenden von der Bereitschaftspolizei begleitet. “Es war ein schöner Tag bis die Polizei kam”, erinnerte sich Julia S. (23). Die Heilerziehungspflegerin schilderte dem Gericht, wie die Beamten in der Bahn einzelne Fans aufforderten, nicht durch das Abteil zu toben. “Die Polizei war sehr unfreundlich zu uns.” Die Situation eskalierte. “Es wirkte so, als sollte eine Eskalation herbeigeführt werden”, beschrieb die junge Frau das raue Klima in der Bahn. In einem Fahrradabteil flogen schließlich die Fäuste. Marco H. soll dabei einen Polizisten gegen die Schulter geschlagen haben.

Die Auseinandersetzungen in der Bahn veranlassten den Einsatzleiter zu der fragwürdigen Entscheidung, am Leipziger Hauptbahnhof die Personalien aller mitreisenden Fußballfans aufnehmen zu lassen. Zuvor stoppte der Zug in Markkleeberg-Mitte. Als einzelne Chemiker die Bahn dort verlassen wollten, aber nicht durften, flogen erneut die Fetzen. Ein Fußballfan schlug sogar eine Scheibe ein, um der angespannten Situation zu entfliehen. “Wir wurden gegen die geschlossenen Türen gedrückt”, berichtete Polizist Maik J. (28). Der Beamte ist sich sicher. Der Angeklagte habe ihm während der Rangelei absichtlich einen schmerzhaften Tritt gegen den rechten Oberschenkel verpasst.

Der Chemiker räumte ein, sich inmitten der Auseinandersetzungen befunden zu haben. “Ich weiß, dass viel Gerangel war und dass es irgendwann ausgeartet ist.” Allerdings habe er nicht gezielt auf einen der Beamten mit Schlägen und Tritten eingewirkt. Weil am Mittwoch zwei Zeugen verhindert waren, wird der Prozess in zwei Wochen fortgesetzt werden.

Auf der Zeugenliste stand am Mittwoch unter anderem Sascha S. (28). Der Bereitschaftspolizist war überzeugt, den Ultra als Täter identifiziert zu haben. Der Ordnungshüter gab bereitwillig an, H. von diversen Fußballspielen zu kennen. Ein Internetvideo zeigt, wie der Beamte zusammen mit einem Kollegen im September 2013 während eines Einsatzes in Zwenkau Marco H. ohne ersichtlichen Grund von einer Bank zu Boden zerrt und verprügelt. Die Staatsanwaltschaft hat die beteiligten Polizisten mittlerweile wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt angeklagt.

In Markkleeberg war offenbar dieselbe Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit eingesetzt wie sechs Monate später bei dem Chemie-Auswärtsspiel in Zwenkau. Ob es sich bei den diversen Übergriffen, die sich in dem Leipziger Vorort gegen die grün-weißen Fans ereigneten, um Racheaktionen gehandelt haben könnten, wird demnächst das Amtsgericht klären müssen.

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Keine Kommentare bisher

Soso. Da haben die pösen Beamten also die friedlichen Fußballfans aufgefordert, nicht durch den Zug zu toben, wo der doch eigens diesem Zweck dient.
Eine Unverschämtheit sondersgleichen ist das! 😉
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