Weil zwischen Straftaten und Öffentlichkeitsfahndungen häufig mehrere Monate vergehen und eine Aufklärung damit erschwert werde, fordert der sächsische Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft eine schnellere Veröffentlichung von Fotos von Verdächtigen. Aus der Polizeidirektion Dresden und der sächsischen Linksfraktion kommt Widerspruch. Die Massenfahndung nach G20-Straftätern hatte jüngst die Probleme dieser Art der Aufklärung gezeigt.

Der sächsische Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) fordert eine schnellere Veröffentlichung von Fahndungsfotos. „Wenn wir diese Bilder haben und der Tatverdacht so bestätigt ist, dass es tatsächlich dieser Täter auf diesen Bildern ist, gehören die in die Öffentlichkeit“, sagte die DpolG-Landesvorsitzende Cathleen Martin dem MDR.

Ist der zeitliche Abstand zwischen Straftat und Öffentlichkeitsfahndung möglichst gering, könnten sich Hinweisgeber und Zeugen der Gewerkschafterin zufolge besser erinnern. „Aber wenn das vor drei, vier, fünf Monaten, vielleicht vor einem Jahr war, ist das aus dem Gedächtnis raus und es ist einfach vorbei“, so Martin.

Dieser Ansicht widerspricht Thomas Geithner, der Sprecher der Polizeidirektion Dresden. Er sagte dem MDR: „Die Menschen sollen sich nicht erinnern, ob sie am Tag X an irgendeinem Ort waren, sondern sollen sich einfach nur fragen, ob sie die abgebildete Person kennen. Somit ist die Chance der Aufklärung überhaupt nicht an die Dauer zwischen der Tat und der Veröffentlichung der Bilder geknüpft.“

Fragwürdige Aufrufe

Ähnlich sieht es Klaus Bartl, der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im sächsischen Landtag. Er verweist zudem darauf, dass es sich um Straftaten „von erheblicher Bedeutung“ handeln müsse, die anders nur schwer aufzuklären wären, da Fahndungsfotos „tief in die Grundrechte“ eingreifen würden. Außerdem kritisiert er eine drohende Vorverurteilung durch die Polizeigewerkschafterin: „Im Rechtsstaat stellen die Gerichte und nicht schon die Polizei fest, wer Täter ist und wer nicht. Bis dahin geht es um verdächtige und beschuldigte Menschen.“ Martin hatte im MDR an Politiker appelliert: „Vertraut uns einfach, dass wir tatsächlich nur den Täter an die Presse bringen und nicht einen Unverdächtigen.“

Die Polizei verschickt regelmäßig Fahndungsfotos an die Medien und bittet darum, diese zu veröffentlichen – manchmal nur für eine begrenzte Zeit oder ausschließlich in Zeitungen. Zu den Tatverdächtigen gehören unter anderem mutmaßliche Mörder, Diebe, Vergewaltiger und Schläger.

Für besonderes Aufsehen sorgte im Dezember die massenhafte Öffentlichkeitsfahndung nach mehr als 100 Personen, die sich bei den G20-Protesten in Hamburg an Körperverletzungen und Plünderungen beteiligt haben sollen. Einige Experten beurteilten das Vorgehen als unverhältnismäßig.

Die „Bild“-Zeitung veröffentlichte auf ihrer Titelseite das Foto einer jungen Frau und versah dieses mit einem sexistischen Kommentar. Später stellte sich heraus, dass die abgebildete Person noch minderjährig ist. In einem anderen Fall suchte die Polizei nach einem angeblichen Plünderer, bei dem es sich offenbar um einen rechten Blogger handelt, der das Geschehen in Hamburg gefilmt hat. Ob er sich durch das Betreten der geplünderten Läden strafbar gemacht hat, ist fraglich.

G20-Gipfel: Leipziger Linksradikale fahnden nach Polizisten

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