Im Prozess um den brutalen Tod zweier Frauen in Leipzig wurden am Freitag die Plädoyers gesprochen. Die Staatsanwaltschaft will den geständigen Täter wegen zweifachen Mordes lebenslang in Haft sehen, die Verteidigung plädiert dagegen nur auf Totschlag.

Geht es nach dem Willen der Anklage, muss Dovchin D. (38) mit einer sehr langen Zeit hinter Gittern rechnen. Wegen Mordes und Störung der Totenruhe in je zwei Fällen plädierte die Anklage am Freitag vor der 1. Strafkammer des Landgerichts auf eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe, zudem soll die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden. Die würde eine Haftentlassung nach 15 Jahren, die andernfalls denkbar wäre, deutlich erschweren.

Nach seiner Ergreifung hatte Dovchin D. gestanden, im April 2016 die Portugiesin Maria D. (43) und Ende November die aus Grünau stammende Anja B. (40) in seiner Wohnung erwürgt zu haben. Die Leichen zerteilte und entsorgte der 1999 aus der Mongolei eingewanderte Konstruktionsmechaniker später. Beide Frauen waren spontane Bekanntschaften aus einem sozial schwachen Klientel, die Dovchin D. in seinem Lindenauer Umfeld kennengelernt hatte.

Seiner Darstellung zufolge hatte Maria D. nach einer gemeinsamen Nacht unter einem falschen Vergewaltigungsvorwurf Schweigegeld eingefordert und mit einer Anzeige gedroht. Daraufhin habe Dovchin D. sie in Panik erwürgt. Dennoch könnte die stark alkoholisierte Maria sich laut Ankläger subjektiv im Recht gefühlt haben. „Der Angeklagte sprang auf sie, sie hatte keine Chance, sich zu wehren“, sagte Staatsanwalt Torsten Naumann über den tödlichen Angriff. Maria sei „völlig arg -und wehrlos“ gewesen, weswegen das Mordmerkmal der Heimtücke zutreffe.

Im Fall der psychisch kranken Anja B. will Dovchin D. ihr einen zuvor geäußerten Sterbewunsch erfüllt haben. Diese Version nahm der Staatsanwalt ihm nicht ab. Vielmehr habe die Mutter eines kleinen Mädchens, die unter Schizophrenie, Alkoholproblemen und depressiven Episoden litt, dem Angeklagten seine sexuellen Wünsche verwehrt und musste deshalb sterben. „Möglicherweise hat der Angeklagte sich da selbst etwas eingeredet“, so Naumann. Seine Schilderung eines Todeswunsches sei aber nicht glaubhaft.

Die drei Nebenklage-Vertreter schlossen sich dem Staatsanwalt an. Wohl habe Dovchin D. in seinem Leben wiederholt unter Kränkungen und emotionalen Verletzungen gelitten, dies gehöre aber zum Leben dazu, sagte Rechtsanwalt Reinhard Baehr und spielte auf die „biographische Krisensituation“ an, die der Angeklagte 2016 empfand und die ihn immer mehr in die für ihn eigentlich fremde Trinkerszene hineintrieb. „Sie haben Menschen die Mutter, Schwester und Tochter genommen. Dafür werden Sie die Konsequenzen tragen.“

Verteidiger: Panik und falsch verstandene Empathie als Auslöser

Dovchin D.s Verteidiger sah die Mordmerkmale dagegen als nicht gegeben. Im Falle des Todes von Maria D. habe sein Mandant keineswegs aus Frust über sein Leben gehandelt, sondern als Reaktion auf eine Provokation. Die Geschädigte habe Dovchin D. mit dem Vergewaltigungsvorwurf „zutiefst beleidigt und extrem unter Druck gesetzt“, er habe in „Panik und Wut“ reagiert, weil er keine Chance sah, sich gegen die Anschuldigung zu wehren, so Rechtsanwalt Stefan Wirth in seinem Plädoyer. „Der Vorwurf traf den Angeklagten im Innersten seines Ehrgefühls.“ Deswegen liege ein minderschwerer Fall des Totschlags vor.

Die Tötung von Anja B. sei dagegen aus falsch verstandener Empathie erfolgt, weil sie sterben wollte, erklärte der Verteidiger und verwies auf Zeugenaussagen, wonach die 40-Jährige Frau im Jahr 2016 angesichts überbordender Schwierigkeiten wiederholt äußerte, ihr werde alles zu viel und sie habe keine Lust mehr. Man müsse davon ausgehen, dass sich das Geschehen in der Nacht vom 29. auf 30. November 2016 so zugetragen hat, wie Dovchin D. es nach seiner Festnahme bei der Polizei preisgab.

Demzufolge unterhielten sich beide über das Sterben, wobei Dovchin D. den für ihn belastenden Tod seiner Mutter in der Mongolei thematisierte und Anja B. den Tod ihres Vaters. Möglicherweise habe das gemeinsame Schicksal und die emotionale Gesprächssituation, gepaart mit Alkohol, die spontan geäußerte Todessehnsucht der Geschädigten herbeigeführt. Dovchin D. sei „ein Mensch, der, wenn er emotional angesprochen wird, nicht nach Vor- und Nachteilen fragt, sondern einfach handelt“, betonte Rechtsanwalt Wirth.

Und erinnerte an einen Fremden, den der Mongole über mehrere Wochen in seiner Einraumwohnung aufnahm und ihm sogar die beste Matratze zum Schlafen überließ. Der Mann war der Kumpel eines Bekannten und nach dem Rauswurf durch seine Ehefrau ohne Wohnsitz.

Die Deutung des Staatsanwalts über verwehrten Sex als Motiv wies der Strafverteidiger dagegen zurück und lehnte damit auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe ab. Für sexuell übergriffiges Verhalten von Dovchin D. gäbe es keinerlei Hinweise. Zudem treffe die Störung der Totenruhe nicht zu, da er die Leichen einzig zum Zweck ihrer Beseitigung zerteilt habe. Im Ergebnis sei eine „angemessene zeitige Gesamtfreiheitsstrafe“ wegen zweifachen Totschlags zu verhängen.

In seinem Schlusswort erhob sich Dovchin D., der fließend Deutsch spricht, und erklärte sehr leise in kaum verständlichen Worten, er habe sich einsam gefühlt, sei immer allein gewesen und das Geschehene tue ihm leid.

Die 1. Strafkammer wird ihr Urteil am kommenden Montag um neun Uhr verkünden.

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