Darf man beim Motorradfahren statt eines Helmes einen Turban tragen? Was in Indien erlaubt ist, ist in Deutschland verboten. Ein Sikh sah sich durch die Straßenverkehrsordnung in seiner Religionsausübung verletzt. Und klagte sich erfolglos durch die Instanzen.

Der Mann beantragte im Jahr 2013 bei der Stadt Konstanz eine Ausnahmegenehmigung. Begründung: Er sei aus religiösen Gründen verpflichtet, beim Biken seinen Turban zu tragen. Die Verwaltung lehnte ab. Ausschließlich gesundheitliche Gründe rechtfertigten eine Ausnahme. Keine Extra-Wurst für Turbanträger.

Der Motorradliebhaber hatte sich vermutlich jetzt erst recht in seiner Religionsfreiheit verletzt gefühlt. Er zog vor Gericht. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht nahm an, dem Kläger könne unter Umständen aus religiösen Gründen die Genehmigung erteilt werden. Die Richter spielten den Ball zurück an die Verwaltung, die über den Fall neu entscheiden solle.

Der Teilerfolg genügte dem Betroffenen nicht. Das Bundesverwaltungsgericht erteilte ihm am Donnerstag jedoch mit einer erstaunlichen Begründung einen Korb. Zwar könne die Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, den Kläger als gläubigen Sikh mittelbar in seiner Religionsausübungsfreiheit beeinträchtigen. Er werde hierdurch aber nicht an der Praktizierung seines Glaubens gehindert.

„Bei der Befolgung der von ihm aus religiösen Gründen als verbindlich empfundenen Pflicht zum Tragen eines Turbans muss er aber auf das Motorradfahren verzichten“, begründeten die Richter ihr Urteil in einer Mitteilung. Diese Einschränkung sei auch mit Blick auf die Religionsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt und vom Kläger hinzunehmen, weil sie anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter diene.

Die Helmpflicht solle nicht nur den Motorradfahrer selbst, sondern auch die körperliche und psychische Unversehrtheit anderer Unfallbeteiligter und der Rettungskräfte schützen. Sie könnten durch den Unfalltod oder durch den Eintritt schwerer Verletzungen bei einem nicht mit einem Schutzhelm gesicherten Motorradfahrer traumatisiert werden. „Ein durch Helm geschützter Motorradfahrer wird zudem im Fall eines Unfalls eher in der Lage sein, zur Rettung anderer Personen beizutragen, etwa indem er die Unfallstelle sichert, Ersthilfe leistet oder Rettungskräfte ruft“, so die Richter.

Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht könne daher allenfalls bestehen, wenn dem Betroffenen der Verzicht auf das Motorradfahren „aus besonderen Gründen“ nicht zugemutet werden kann. Anhaltspunkte hierfür habe der Kläger, der weder einen Motorradführerschein noch ein Motorrad besitze, nicht dargelegt.

AZ: BVerwG, 3 C 24.17

Sterbehilfe: Bundesgerichtshof spricht in Leipzig wegweisendes Urteil

Sterbehilfe: Bundesgerichtshof spricht in Leipzig wegweisendes Urteil

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar